FRONTPAGE

National Portrait Gallery: «Audrey Hepburn – My Fair Lady»

Von Ingrid Isemann

 

Das wunderbare Buch zur Ausstellung in der National Portrait Gallery, London, begleitet die Film-und Medien-Ikone von ihren Kinderjahren in den Niederlanden über erste Bühnenerfolge in England bis zur Blütezeit ihrer Hollywood-Karriere in den 1950ern und 1960er Jahren und weiter bis zu ihrer Arbeit als UNICEF-Sonderbotschafterin. Audrey Hepburn, der die Herzen eines Millionenpublikums zuflogen, erfreut sich ungebrochener Sympathie und Popularität.

Talent, Anmut, Stilsicherheit: Audrey Hepburn (1929-1993) eroberte die Herzen ihres Publikums nicht nur als hochdekorierte Schauspielerin in unvergesslichen Rollen wie «My Fair Lady», «Gigi»  oder als Holly Golightly in «Breakfast at Tiffany’s» – im kleinen Schwarzen mit Zigarettenspitze ist ihr Konterfei noch heute in Zeitschriften wie Vogue präsent – , sondern auch durch ihren natürlichen Charme und ihr aussergewöhnliches Modebewusstsein. Eine jahrzehntelange Freundschaft mit dem Couturier Hubert de Givenchy prägte das Bild von Audrey Hepburn ebenso, wie die Zusammenarbeit mit den bedeutendsten Photographen des zwanzigsten Jahrhunderts – und nicht zuletzt ihr eigenes Gespür für Schönheit und guten Geschmack.

 

Eine Ikone, die die Zeit überdauert

Der Faszination und dem gewaltigen Einfluss, die Audrey Hepburn und ihre Bilder bis heute ausüben, spürt die Londoner National Portrait Gallery nun in der grossen Sommerausstellug «Audrey Hepburn – Potraits of an Icon» (bis 18. Oktober) nach.
Kinder- und Familienphotos, Portraits und Aufnahmen von Dreharbeiten vor und hinter den Kulissen lassen den Mythos Audrey lebendig werden. Natürlich dürfen auch glamouröse Modeaufnahmen – Audrey in den eigens für sie entworfenen Kleiderträumen von Givenchy, darunter Werbeplakate und Coverbilder von Magazinen wie Life oder Vogue nicht fehlen. Über 150 Abbildungen enthält der Band, darunter weltbekannte Aufnahmen von einflussreichen Photographen wie Richard Avedon, Cecil Beaton, Norman Parkinson oder Irving Penn, aber auch allerlei Neuentdeckungen.

 

Neben der überirdisch schönen, gewinnenden und dabei äusserst disziplinierten Schauspielerin, begegnet der Leser auch dem beeindruckenden Menschen Audrey Hepbrun: einer intelligenten und grossherzigen Frau, die als eine der Ersten ihren Ruhm nutzte, um auf humanitäre Anliegen aufmerksam zu machen. Abgesehen davon ist der Band allein mit seiner Flut an wunderschönen und bleibenden Bildern ein Beitrag, der Audrey Hepburns Status als Jahrhundertikone zu Recht fortschreiben und vertiefen wird.
Im April 2006 wurde Audrey Hepburn von den Lesern des britischen Magazins New Woman zur schönsten Frau aller Zeiten gewählt. Audrey Hepburn gehört zu den zwölf Künstlern, die sowohl den Oscar und den Emmy als auch den Grammy und den Tony Award gewonnen haben.
Viel zu früh, im Alter von 63 Jahren, erlag Audrey Hepburn einem Krebsleiden. Zu der Schweiz hatte die Schauspielerin immer eine besondere Beziehung, in der Kapelle in Bürgenstock heiratete sie ihren Schauspielkollegen Mel Ferrer, der Vater ihres Sohnes Sean Ferrer; später lebte sie lange Jahre im Waadtland in der französischen Schweiz, wo sie auch in Tolochenaz im Kanton Waadt ihre letzte Ruhe fand.
Hepburns Söhne Luca Dotti und Sean Hepburn haben die Kuratorin und Vize-Direktorin Pim Baxter bei der Auswahl der Photographien unterstützt und eine Fülle an bisher wenig gesehenem Material aus dem Familienarchiv zur Verfügung gestellt. (I.I.)

 

www.npg.org.uk

 

 

Pim Baxter, Stellvertretende Direktorin National Portrait Gallery, London:
«Schon in jungen Jahren wurde ich auf Audrey Hepburn aufmerksam, ja, man könnte wohl sagen, ich war ein Fan von ihr. Ich habe mir wieder und wieder ihre Filme angesehen – später dann auch noch zusammen mit meinen Kindern – und war stets fasziniert von ihrem Stil, ihrem Sinn für Humor, ihrer Selbstbeherrschung und ihrem liebenswürdigen Auftreten. 1991 hatte ich die grosse Ehre, einer Veranstaltung im The Barbican beizuwohnen, bei der Audrey Hepburn aus dem Tagebuch von Anne Frank las und ich all ihre bezaubernden Eigenschaften hautnah erleben durfte.
Es überrrascht daher kaum, dass viele der bekanntesten Photographen der Welt – Richard Avedon, Cecil Beaton, Philippe Halsmann, Norman Parkinson und Irving Penn, um nur einige wenige zu nennen – Audreys Ausstrahlung, ihren inneren Glanz eingefangen haben». (Ausschnitt).

 

 

Luca Dotti: «Ich weiss noch, wie meine Mutter mich in meiner ersten Studentenwohnung in London besucht hat. Sie war gerührt, ich konnte jedoch nicht verstehen, warum. Ihre verträumten Augen sahen Dinge, die ich nicht sehen konnte. Die Hauptstrasse, in der die Wohnung gelegen war, beschwor Bilder ihrer eigenen prägenden Jahre herauf, einer Phase ihres Lebens, von der nur wenig bekannt ist.
  London war für sie eine Zeit der Heilung und Hoffnung gewesen – ein Übergang zwischen der Kindheit und dem Erwachsenenalter, zwischen Tragödie und Ruhm. Bei Kriegsausbruch hatte sie England gemeinsam mit ihrer Mutter verlassen. Als sie zurückkamen, hatten sie nur einhundert Pfund in der Tasche, nachdem sie zwischenzeitlich im niederländischen „Hungerwinter“ 1944/45 fast verhungert waren.
   Meiner Mutter war ein Stipendium der Rambert Billet School angeboten worden, doch der Traum, Primaballerina zu werden, zerplatzte schon bald. Allerdings war London kein Ort, an dem man seinen Träumen lange nachtrauerte. Sie wurde in die Tanztruppe eines Musicals namens Sauce Tartare am Cambridge Theatre aufgenommen, das Engagement reichte jedoch für ihren Lebensunterhalt nicht aus, obwohl sie sich in jener Zeit ausschliesslich von Baked Beans ernährte, die sie damals so gerne ass. (…)
   Genau wir Eliza Doolittle hatte sie sich alles selbst beibringen müssen. Sie hatte lernen müssen, wie man richtig spricht, denn der erste Satz, den sie je auf der Bühne – in der Musikrevue High Button Shoes im Hippodrome – artikulierte, war kaum zu hören gewesen. Sie hatte lernen müssen, mit ihren – wirklichen oder eingebildeten – Fehlern zu leben. Sie hielt sich für zu hochgewachsen, sie hielt ihre Füsse und Ohren für zu gross und den übrigen Körper für definitiv zu flach. Als der berühmte Photograph Antony Beauchamp hinter der Bühne des Cambridge Theatre an sie herantrat und ihr anbot, ein paar Bilder von ihr zu machen, lehnte sie zunächst höflich ab und erklärte, sie könne sich das nicht leisten. Die Aufnahmen wurden trotzdem später in der britischen Vogue veröffentlicht, und schon bald konnte sie ihre Zweitjob im Ciro’s aufgeben». (Ausschnitt).

 

 

Audrey Hepburn:
Portraits einer Ikone
Schirmer-Mosel Verlag, 2015
193 S., 92 Tafeln, 67 Abb.
Mit einem Text von Helen Trompeteler und
einer Zeittafel von Terence Pepper

Vorwort Pim Baxter

Einleitung Luca Dotti
CHF 39.10. € 34. € 35 (A)

 

 

L&K-Ausstellungstipps

 

 

«Aargauer Kunsthaus:

Christian Marclays Lautmalereien»

 

Christian Marclay, 1955 geboren, in Genf aufgewachsen, lebt in London und New York. Mit Ausstellungen war er in zahlreichen bedeutenden Museen in aller Welt präsent. 1995 vertrat er die Schweiz an der Biennale Venedig. Nun zeigt das Kunsthaus in Aarau eine grosse, thematisch gebündelte Ausstellung mit rund 120 Werken seit den späten 1980er Jahren.
 
Von Niklaus Oberholzer
 
Am Ende des Parcours durch die von Madeleine Schuppli betreuten Ausstellung begegnen die Besucher einer sich auf den ersten Blick nur schwer erschliessenden Werkgruppe Christian Marclays: Auf mehreren grossformatigen Malereien sowie auf 15 grafischen Blättern ist der Schriftzug „SILENCE“ zu sehen, offenbar das Bild einer leuchtenden Inschrift in düsterem Umfeld. Der Titel der Werkgruppe „The Electric Chair“ weist einen Weg: Marclay widmet sich in diesen Arbeiten, auf denen kein elektrischer Stuhl zu sehen ist, der 1963 entstandenen gleichnamigen Siebdruck-Serie von Andy Warhol. Er zeigt nicht das Tötungsinstrument selber, sondern die auf der rechten Seite dargestellte und vorerst kaum wahrgenommene Tür, über der die Inschrift „SILENCE“ leuchtet. Sie fordert die anwesenden Zeugen auf, die Hinrichtung schweigend zu verfolgen. Marclays Werkgruppe ist vielschichtig und weckt mancherlei Assoziationen. Ins Spiel kommt natürlich Warhols Umgang mit Massenbildern, Theatralik und Show, doch Marclay handelt auch von Themenkomplexen wie Verdrängen oder Zerreden – und vom Schweigen, wo es nichts mehr zu sagen gibt, und damit auch vom Tod als Ort des Unsagbaren und des ewigen Schweigens.
 
Onomatopoesie
Marclays Arbeiten rühren generell an die Grenzen zwischen Klang und Wort, zwischen Hören und Sehen und fragen nach den Klangvorstellungen, welche Bilder in uns hervorrufen. Im Falle von „SILENCE“ verbindet er diesen Gang an die Grenze mit Existenziellem. Die Endgültigkeit ist ein eindrücklicher Schlusspunkt der Ausstellung, die als Ganze – weniger belastet – unter dem Begriff Onomatopoesie stehen mag. Der Begriff meint die sprachliche Nachahmung aussersprachlicher Schallereignisse, ist aber im Zusammenhang mit Marclay auszuweiten auf das Bild, das im Comic und dabei vor allem im japanischen Manga als weitere Ebene den Schall in unserem Kopf zum Ereignis werden lässt. Das betrifft einerseits die Lautmalereien, wie wir sie von Comics (oder auch von Roy Lichtensteins Werken) kennen: In grossen und in extremer Dynamik gestalteten Lettern schreien uns die Bilder Unverständliches wie „ROARR“, „WHANG!“, „THRAKK!“ „RRRRMMM“ oder, nun in der von Marclay in Fotos festgehaltenen Werbung, „CRIK“, „CROK“, „FIZZ“ entgegen. Anderseits betrifft es aber auch Marclays Malerei selber: Vor der neuen Serie von Grossformaten glaubt man, liest man die lautmalerischen Bildtexte, die Geräusche zu hören, welche der Prozess des Malens und die körperlichen Aktionen des Malers – Wischen, Klatschen, Schrubben, Spritzen – verursachen. Ein bisschen Parodie auf Pollock oder de Kooning mag da auch mitspielen.
 
Bilder „hören“
Folgerichtig ist die Ausstellung, im Gegensatz zu anderen Christian Marclays, der auch als Musiker oder DJ aktiv ist, trotz einer oft sehr „lauter“ oder „hämmernder“ Bildsprache ohne Ton und Geräusch, womit „SILENCE“ eben doch zu einer Art Motto werden könnte. Direkt sinnlich erfahrbar wird das in „SURROUND SOUNDS“ (2014/2015), einer Vierkanal-Videoprojektion, die während 13 Minuten grelle Comic-Elemente in teils rasendem, teils abrupt wieder ruhigem Rhythmus über alle vier Wände des dunklen Raumes jagt und uns buchstäblich die Bilder „hören“ lässt.
Im grossen Raum im Zentrum der Ausstellung bauten die Architekten Andreas Fuhrimann und Gabrielle Hächler in klarer Gegenposition zu Marclays Bildsprache in schlichtem Fichtenholz ein ruhiges japanisches Teezimmer auf, wie es für den Japan-Kenner und Japan-Liebhaber Marclay wichtig ist. Es bietet Raum für Rollenbilder – nun nicht mit Zen-Inhalten, sondern wiederum mit Manga-Motiven – , dient aber ebenso als Bühne für Performance, Musikdarbietungen, Gespräche und selbst für eine unter kundiger japanischer Leitung durchgeführte Teezermonie. Um diesen Raum läuft ein Text, der versucht, Musik und Schallereignisse in Sprache zu fassen: Ein an die Grenzen des sprachlich Möglichen rührende Sache. Sie trifft einen Kern von Christian Marclays Intention.

 

 

Aargauer Kunsthaus Aarau. Bis 15. November 2015.
Katalog (D/E/F), mit Texten von Allen S. Weiss, Gilda Williams, Madeleine Schuppli sowie mit einem Gespräch von Christian Marclay mit Olivier Messet und Steven Parrino von 1991.
www.aargauerkunsthaus.ch

 

 

 

Kunsthaus Zürich:

«Schmetterling flieg… durchs goldene Zeitalter»

 
Rund 40 Werke der niederländischen Malerei des 15. bis 18. Jahrhunderts aus einer Zürcher Privatsammlung sind gegenwärtig in einer Ausstellung zu sehen: prachtvolle Stillleben, meisterhaft komponierte Landschaften, heitere Genreszenen von Jan Brueghel d. Ä., Hendrick Avercamp, Adriaen Coorte, Jan van Goyen, Aert van der Neer, David Teniers und vielen anderen mehr – eine Augenweide der besonderen Art.

 

Ein Kabinettstück – soviel holländische Malerei im Kunsthaus Zürich war nie! Und das dank eines Sammlers, der die Meisterwerke dem Kunsthaus für die Ausstellung ausgeliehen hat und vielleicht, wenn das Megabauwerk des Neubaus einst vollendet sein wird, dem Kunsthaus übergibt, was er an der Pressekonferenz andeutete. Bis dahin ist noch ein weiter Weg, und so bleibt uns, sich jetzt schon an den meisterhaften Kompositionen zu erfreuen.

 

Holländische Malerei im Kunsthaus Zürich: die Repräsentationsbildnisse einer Handelsmacht

Der Zauber einer Zeit, in der das Selbstbewusstsein holländischer Künstler seinen Aufschwung nahm, ist das «goldene Zeitalter» – eine grosse Epoche der europäischen Kunstgeschichte. Die Sammlung enthält ebenfalls eine schöne Auswahl flämischer Bildern aus dem katholischen Süden der Niederlande, es dominieren jedoch die holländischen Werke aus den mehrheitlich protestantischen nördlichen Provinzen, die im späten 16. Jahrhundert ihre Unabhängigkeit erklärt hatten.

 

Die mit äusserster Detailgenauigkeit gemalten Bilder setzen ins Erstaunen, die Ästhetik der Schönheit einer vergangenen Welt berührt. Da gibt es Stillleben, die von Sinnen- und Tafelfreuden erzählen, Landschaften so exakt wiedergegeben, wie es keine Fotografie in dieser Tiefenperspektive vermag, die uns diese Zeit, in der es den Menschen dank Frieden und Wohlstand gutging, näherbringt. Die Sammlung wird zusammen mit einigen ausgewählten Werken aus den bedeutenden Beständen des Kunsthauses gezeigt. Ein opulenter Bildband über die Ausstellung ist im Kunsthaus-Shop erhältlich.  (I.I.)

 

 

Vom 28. August bis 29. November 2015
www.kunsthaus.ch

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