Johanna I, 1984, Foto: Dominique Uldry
Silvia III, 2004, Foto: Beat Jost
Gräser III, 1997, Foto: Beat Jost
Frühling, 2011, Foto: Dominique Uldry
«Authentisch wie die Wirklichkeit»
Von Ingrid Isermann
Der Berner Franz Gertsch (*1930) gehört zu den bedeutendsten Schweizer Künstlern der Gegenwart. Seine Malerei ist eine Interpunktion des Lichtes. Die Synthese von Fotografie und Malerei, eine Art dritte Dimension. Franz Gertsch zelebriert die Natur, sei es ein Porträt oder ein Birkenwald, voller lichtvoller Präsenz. Hier wird nicht Schicht über Schicht gelegt, sondern Punkt für Punkt die Wirklichkeit statuiert und eingewoben in ein transzendentes Geflecht.
Mit seinen nach Fotovorlagen gearbeiteten Gemälden, seinen grossartigen und grossformatigen Porträts, u.a. Luciano Castelli & friends, Johanna und Silvia, gelang Franz Gertsch in den 1970er Jahren der internationale Durchbruch.
Der nun vollendete, mit monumentalen Ausmassen geschaffene„Vier Jahreszeiten-Zyklus“ setzt wiederum neue Massstäbe: Momentaufnahmen der Wirklichkeit – im Augenblick ist Ewigkeit!
Warhol reproduzierte mittels Siebdrucktechnik Motive und Porträts von Filmstars und Berühmtheiten in farblichen Variationen und Wiederholungen. Gertsch macht Holzschnitte von Menschen von nebenan, aus dem Freundes- und Bekanntenkreis, in verschiedenen Grundierungen. Was kann die Malerei, was die Fotografie nicht kann? Und umgekehrt?
Bei Gertsch kommt man ins Staunen, eine Ode an die Vergegenwärtigung des Individuellen, nicht des Reproduzierten.
‚Frühling’ (2011) vervollständigt den Jahreszeiten- Zyklus mit dem 2008 erstellten ‚Herbst’, auf den die Werke ‚Sommer’ (2009) und ‚Winter’ (2009) folgten. Gertsch, der am Gemälde ‚Frühling’ täglich bis zu fünf Stunden arbeitete, füllte dabei manchmal nur eine Fläche von 20 x 25 cm. Die Fertigstellung der 3,25 x 4,80 Meter grossen Leinwand nahm ganze 16 Monate in Anspruch. Hingebungsvoll erfüllt Gertsch seine Vorlagen mit Lebendigkeit und erlebt dies als Schöpfungsakt.
Wer Franz Gertsch zuhört, erfährt Wesentliches über seine Weltanschauung und die darin manifestierte Malerei:
In der Vergrösserung hat jedes Detail seinen Luxusplatz. Das Detail entspricht dem Ganzen,
dem Grösseren.
Malerei ist manifeste Erinnerung.
Malerei ist etwas Sinnliches.
Mir tut jeder Stein leid,
den ich nicht porträtiert habe.
Ein Bild ist umso besser, je mehr
dem Betrachter die Worte fehlen.
Ich möchte noch etwas Grossartiges
machen, ich weiss nur noch nicht, was.
So spricht 80jährige Franz Gertsch von seinem Werk, von seiner Arbeit, stets auf der Spur zu Neuem, bereit, sich neu zu erfinden, jeden Tag, Zeiten, Jahreszeiten und Generationen überschreitend.
Kunsthaus Zürich, Heimplatz 1, 8001 Zürich.
Katalog, Kerber-Verlag, 112 S., 30 Abb., Beiträge von Christohpe Ammann, Tobia Bezzola, Harald Kunde, Guido de Wird und Klaus Albrecht Schröder.
Die Publikation ist in deutscher sowie englischer Ausgabe für CHF 47.- im Kunsthaus-Shop erhältlich.
(Bis 18. September 2011).
www.kunsthaus.ch
Das franz gertsch Museum in Burgdorf stellt permament Werke des Künstlers aus.
www.museum-franzgertsch.ch
Do you know
FRANZ GERTSCH?
He achieved international reknown in the 1970s with his hyper-realist paintings. And he has long been one of the leading contemporary Swiss artists. The Kunsthaus Zürich now presentsFranz Gertsch in a comprehensive
retrospective of his work from 1983 to the present day. Long eagerly awaited, ‘Spring’, the final piece in his masterful ‘Four Seasons Cycle’, has just been completed. The cycle runs like a thread through the presentation, prepared by curator Tobia Bezzola together with the artist, and serves as the high point among the 30 large- format works exhibited. A prologue leads you to an encounter with ‘Autumn’, ‘Winter’, ‘Spring’ and ‘Summer’, each presented in its own atmospherically appointed space.
For Franz Gertsch (born 1930), the visual always also poses a conceptual challenge. Photographic studies are nothing more than jumping off points, catalysts of a process that follows its own internal logic and aims at absolute harmony of all elements.
Gertsch works with a great discipline – sometimes progressing by no more than a few square centimetres a day – and with plenty of patience. His wachtsword as he paints is purity of material: from the paints themselves, often comprised of minerals such as lapis lazuli, azurite and malachite, to bonding agents, canvas and handmade Japanese paper, all is carefully selected, and occasionally mixed by the artist himself, with an eye to the project in question. For more about the master’s technique and method, refer to the audioguide included in the price of admission.
For its part, Gertsch’s woodwork may fairly be called one of a kind. With heretofore unknown precision of execution – in both engraving and printing – and in monumental formats that push the edge of the envelope (literally) when it comes to papermaking. Gertsch has lent a traditional medium new dimensions.
Immense yourself in this world and appreciate Franz Gertsch’s recent creations to the fullest. For a short period of time, they have found a place worthy of their majesty in the main exhibition hall at the Kunsthaus Zürich. (18.9.2011)