FRONTPAGE

«Neubau Kunstmuseum Basel eröffnet»

Von Simon Baur.

 

Der Neubau des Kunstmuseums Basel präsentiert sich von Aussen besser als von Innen, vielleicht muss bald nachgebessert werden. Die Euphorie könnte der Ernüchterung weichen.

 

Halb Basel kam angerannt, an den beiden Eröffnungstagen Mitte April, ob die Massen auch kommen, wenn es Eintritt kostet wird sich zeigen. Immerhin wurde die blaue Stunde, der kostenlose Eintritt ab 17 Uhr Abends abgeschafft und der freie Eintritt jeweils am ersten Sonntag des Monats gilt nur für die Sammlung und die Wechselausstellungen, nicht aber für die Sonderausstellungen. Das sind die kleinsten Neuerungen am Basler Museum, weitaus wichtiger ist der vollendete und eingeweihte Neubau, die bevorstehende Pensionierung des amtierenden Direktors und der Abschied der Vizedirektorin, die in Bern zur Super-Direktorin gewählt wurde.

 

Für Basel ist diese Konstellation positiv. Manche dürften gar in einen Freudentaumel ausbrechen. Die Ära Bürgi war für das Basler Museum nicht das Gelbe vom Ei. Doch diesem intellektuellen Supergau kann man auch positive Seiten abgewinnen. Der Adrenalinschub hat zur Vernunft geführt, der amtierende Regierungsrat folgte der Findungskommission, nicht wie damals bei der Wahl Bürgis als Veronica Schaller, mittlerweile Kulturchefin von Bern, eigenmächtig ihren Wunschkandidaten durchboxte, und dafür einige Jahre später prompt vom Basler Volk abgewählt wurde.

Auf den neuen Direktor Josef Helfenstein warten also einige grosse Aufgaben. Was ihm sein Nachfolger übergibt, ist ein brauchbarer Neubau, der den dringend benötigten Raum für Wechselausstellungen zur Verfügung stellt. Das Gebäude, das die Basler Architekten Christ und Gantenbein entworfen haben, ist eine Mischung aus Baucontainer und Stadtpalais. Von Aussen erinnert der Bau an eine Trutzburg, wobei die gefaltete Fassade die davorliegende Strassenkreuzung zu einem Platz umfunktioniert und gleichzeitig auch elegant auf die städtebauliche Situation eingeht. Der Kopf der Wettsteinbrücke wird durch den Neubau zusätzlich akzentuiert, Haupt- und Neubau treten in einen interessanten Dialog. Jetzt wäre es auch an der Zeit, den vor dem Hauptbau verbliebenen Brunnen von Alexander Zschokke zu entfernen, das Konterfei von Stefan George, der vom Brunnenstock aufs Publikum hinunterschaut, stört seit langem.

 

Gemischte Nutzung im Innern
Wer das Innere des Neubaus betritt, sei es über den Fussgängerstreifen und das Hauptportal oder durch die Unterführung vom Hauptbau aus, ist erstaunt über die Grosszügigkeit der Anlage. Die Unterführung führt in einen grossen Raum, der in Zukunft für Eröffnungen und Installationen genutzt wird und geht über in ein grosses Treppenhaus, das bis in das zweite Obergeschoss führt. Treppe und Geländer sind aus grauem Marmor gefertigt, die Handläufe aus verzinktem Metall, eine sonderbare Kombination, die zur Kombination aus Container und Stadtpalais zwar passt, gleichwohl aber nicht recht harmonieren will. Vermutlich werden sie noch in den kommenden zehn Jahren, mit Steuergeldern versteht sich, ersetzt, weil sich niemand so richtig an sie gewöhnen will. Und wenn wir schon bei der Kritik sind: das Treppenhaus ist zu fulminant ausgefallen, die Beleuchtung ist zu grell, der Parkettboden zu unruhig, die Marmortreppen verkratzt und zahlreichen Räumen fehlt es an Grosszügigkeit. In diesen Aspekten besteht unbedingter Nachbesserungsbedarf. Gelungen ist die Abfolge der Räume, die an die Enfilade im Hauptbau erinnert, die Ausblicke durch die grossartigen Fenster auf den Hauptbau in Richtung Dufourstrasse und in die Sankt-Alban-Vorstadt, sowie der grosse Raum im ersten Obergeschoss.

 

 

Eine banale, eine langweilige Ausstellung
In diesem und den Räumen des Obergeschosses hat Bernhard Mendes Bürgi seine letzte Ausstellung «Sculpture on the Move» eingerichtet – wir erinnern uns, dass er bei Amtsantritt zusammen mit Philipp Kaiser und Peter Pakesch die Ausstellung «Painting on the Move» kuratierte – die uns erneut beweist, das es Bürgi nicht geschafft hat, vom Kunsthallen- zum Museumsdirektor zu mutieren. Selten haben wir im Basler Kunstmuseum eine derart unmotivierte und hektisch präsentierte Ausstellung gesehen. Während die Objekte von Fischli/Weiss, Mike Kelley, Katharina Fritsch, Franz West, Charles Ray und anderen in diesem grossen Raum wie Fremde in einem Munchschen Gemälde herumstehen und untereinander keinerlei Beziehung herzustellen vermögen, sind kleinere Räume geradezu vollgestopft.

Die Stein-Linie von Richard Long steht neben einem Iglu von Mario Merz und «Schneefall» von Joseph Beuys, alles Arbeiten die Platz bräuchten, aber keinen erhielten. Ähnlich geht es den sechs Würfeln von Donald Judd, die sich den Raum mit zwei Arbeiten von Claes Oldenburg, und je einer Arbeit von John Chamberlain, Paul Thek und George Segal teilen muss. Ähnlich ergeht es dem Raum mit der grossen Arbeit von Bruce Nauman, in die Bürgi neben einigen Videos, auch noch je eine grosse Arbeit von Richard Serra und Eva Hesse gepfercht hat. Gerade Arbeiten von Eva Hesse hat man in Basel bisher zu wenig gesehen, sie und auch alle anderen Künstler hätten eine bessere Präsentation verdient.

Weitaus tragischer ist aber, das dadurch die neuen Räume nicht richtig zur Geltung gelangen. Sie sind es, die ihre Premiere feiern, sie sind es, die gesehen werden sollten, doch durch Bürgis Verschachtel-Träume wird ihnen diese Möglichkeit genommen. Was hier präsentiert wird, ist, man muss es leider sagen, eine Katastrophe. Dabei sind die ausgewählten Objekte zum grössten Teil Spitzenwerke, die in ihrer kritischen und signifikanten Zusammenstellung das Potential zu einer spannenden Ausstellung in sich tragen, doch hier ist, wir sagen es ein letztes Mal, die falsche Person am Werk gewesen. Es ist gut, dass Direktor Bürgi das Haus im August verlässt, das Basler Museum und das Publikum haben etwas besseres verdient, als ein Direktor der solche „Peinlichkeiten“ an der Kunst begeht.

 

 

Die Sammlung als Highlight
Als kleinen Lichtblick kann man die Neuhängung der Sammlung im Hauptbau sehen. Hier erscheinen die Werke in neuen Konstellationen und zahlreiche, selten gezeigte, Arbeiten, wurden aus dem Magazin geholt und werden neu präsentiert. Und ganz nebenbei kamen auch zwei neue Werke ins Museum. Sie hängen bei den Alten Meistern. Von Lucas Cranach d. Ä. eine «Heilige Maria Magdalena», die zunächst als Leihgabe ins Museum kam und hoffentlich bald geschenkt wird und die «Madonna», die Marten van Heemskerck 1530 malte, welche die vor einigen Jahren verstorbene Antoinette Frey-Clavel dem Museum vermachte. Trotz Neubau, ist also die Sammlung das eigentliche Highlight des neueröffneten Museums und die ist nach wie vor Weltklasse.

 

Infos: www.kunstmuseumbasel.ch

Zur Neueröffnung und zu den Ausstellungen sind vier neue Publikationen erschienen:

Bernhard Mendes Bürgi (Hg.): Sculpture on the Move, Verlag Hatje Cantz, 2016, CHF 38.

Anita Haldemann (Hg.): Barnett Newman, Zeichnungen und Druckgrafik, Kerber Verlag, 2016,

CHF 36.

Philippe Bischof, Stefan Charles (Hg.): The Making off – Neubau Kunstmuseum Basel, Christoph Merian Verlag, 2016, CHF 29.

Christian Fluri, Simon Baur (Hg.): Mein Lieblingswerk im Kunstmuseum Basel. Persönlichkeiten verraten ihre Vorlieben. Christoph Merian Verlag, 2016, CHF 29.

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