FRONTPAGE

«Buchner Bründler Bauten»

Von Fabrizio Brentini

Wie in einem Sudoku fügen sich zahlreiche in meinem biologischen Speicher abgelegte Erinnerungen an bemerkenswerte Bauten, die ich irgendwo gesehen oder über die ich in Schriften gelesen habe, in der Monografie über das Gesamtwerk des Basler Architekturbüros Buchner Bründler zum Schlussbild zusammen.

 

Da ist einmal das Volta-Gebäude in Basel zu erwähnen, das mir aufgefallen war. Ein scharf geschnittener Körper, jedoch mit auffällig aus dem Lost fallenden Kantenlinien, ein Mitte prägendes Artefakt, das mich an den von Aldo Rossi analysierten Palazzo della Ragione in Padua erinnert.
Es ist weiter das im Zentrum von Sins errichtete Wohn- und Geschäftshaus mit seinen braunrot eingefärbten Betonfassaden und den unregelmässig verlaufenden Fluchten, das ich immer wieder bestaunte, wenn ich durch das Freiamt unterwegs war.
Zu nennen sind ferner der in den Medien umfassend präsentierte und vor allem gelobte Schweizer Pavillon an der Weltausstellung 2010 in Shanghai und der als Geschenk der Schweiz gedachte Umbau von 2004 im UNO-Hauptgebäude in New York, eine Arbeit, die zu bester Sendezeit in der Tagesschau SRF vorgestellt wurde.
Schliesslich sind die bizarren Einfamilienhäuser Lupsingen (1999/2000) und Büren (2002) durch ein kleines, im Quart-Verlag erschienenes Werkheft in meinem Gedächtnis haften geblieben. Und das deutet darauf hin, dass sie mir damals Eindruck gemacht haben.

 

Haben die Herausgeber der Monografie vielleicht selber auch an Sudoku gedacht, als sie auf zahlreichen Seiten Fragmente aus der Publikation ausstreuten? Man liest Titel, Gebäudenamen, Zitate, Begriffe und all dies verbunden mit den entsprechenden Seitennamen.

Eine Ordnung ist auf den ersten Blick nicht erkennbar, und doch habe ich in letzter Zeit kaum eine solch präzise komponierte Publikation studieren dürfen wie das nun im gta-Verlag erschienene Buch.

Der erste Teil enthält einige Gespräche, welche die Architekten mit Berufskollegen und mit Baufachleuten geführt haben. Es ist ein Spiel mit vertauschten Rollen.
Am klarsten äussert sich – wen erstaunt es – der Jurist, am diffusesten – wie üblich – die Architekten. Im Kontrast zu diesen lassen sich Buchner und Bründler nicht zu einer bramarbasierenden Phrasendrescherei verleiten. Die Kommentare zu ihren Werken am Schluss des Buches sind knapp, exakt, verständlich.

 

Dem Interviewblock folgt eine Serie von Schwarz-Weiss-Aufnahmen, welche die Bauplätze derjenigen Realisationen zeigen, die im Hauptteil näher vorgestellt werden. Buchner und Bründler wählten aus ihrem Werkkatalog mit 171 Nummern deren 18 aus, die mit zahlreichen Aufnahmen und mit ausklappbaren Plänen auf Dünndruckpapier hervorgehoben werden. Schliesslich werden im Werkkatalog zusätzliche 53 Entwürfe mit Kurzkommentaren erläutert. Die Herausgeber produzierten eine umfangreiche Monografie, hielten sich aber in der Aufmachung zurück. Sie entschieden sich für ein ungestrichenes Offsetpapier.
Den 313 Schwarz-Weiss-Aufnahmen stehen lediglich 49 Farbabbildungen gegenüber. Eine hübsche Idee ist das Buchzeichen mit verschiedenen Skalen, mit denen man die Pläne bequem vermessen kann. Und speziell ist der Buchrücken, der unterhalb des Titels einen Text zeigt, der üblicherweise auf einer der inwendigen Klappen als Kurzinformation zum Buch zu lesen ist.

Das Architekturbüro Buchner Bründler führt das Schaffen eines Jahrzehntes vor. Es ist einiges zusammengekommen; darunter befinden sich nicht nur Einfamilienhäuser, die sonst im Frühwerk eines Architekturbüros dominieren. Der Einfluss der Schweizer Architektur der 1990er Jahre mit dem Label «Schweizer Kiste» ist nicht zu übersehen.
Die Körper sind scharf geschnitten, weisen grosse Fensteröffnungen auf, deren Rahmungen nicht aus den Fassaden herausspringen. Es wurde oft mit Sichtbeton gearbeitet, und trotzdem sprechen die Arbeiten von Buchner Bründler eine eigene Sprache, deren Grammatik mit dem Bild auf dem Umschlag ansatzweise verständlich gemacht wird. Ein Betonrahmen mit angeschnittenen Ecken erscheint wie ein analytisch konstruiertes Tor mit zwei Durchgängen – es könnte gerade so gut eine Skulptur aus der Schule der Zürcher Konkreten sein.
Der Blick dringt durch die beiden hochrechteckigen Öffnungen und verliert sich im Dunkeln, in dem lediglich diffus Pfeiler, Lichtreflexionen und Schatten zu erahnen sind. Dieses Aufeinanderprallen von eindeutig lesbaren Elementen sowie nicht interpretierbaren Formen scheint eine gesuchte Strategie des Büros zu sein.
In einem Interview wird denn auch von Regelbrüchen und provozierten Unkontrolliertheiten gesprochen. Beispielsweise wird der Kern eines Einfamilienhaus mit einer Metallfolie umhüllt, aus der grosse Kreise ausgefräst wurden (Wohnhaus Aesch, 2004). Beim Gemeindezentrum Seltisberg (2009) bestehen einige Fassadenteile der beiden Gebäude aus an Lochstreifen gemahnende, perforierte Metallteile.
Beim Pavillon für die Weltausstellung 2010 in Shanghai ist ein irritierendes Spiel von Innen und Aussen inszeniert worden.
Oder bei einem umgebauten Rustico in Linescio (2010) wurde in das aus Bruchsteinen gemauerte Haus ein zweites in Sichtbeton implantiert. Es ist für mich das schönste und eindrücklichste Werk, das in dieser Monografie vorgestellt wird.
Keine Frage, es wird nicht die letzte Monografie dieses innovativen Büros sein.

 

 

Buchner Bründler Bauten
gta-Verlag Zürich 2012, 336 S.,
CHF 89/ € 76.
ISBN 978-3-85676-297-1

 

 

«Das Gotthardhospiz, ein wertvolles Zeugnis unserer Geschichte»

Die kleine Wiese des Rütli und der Gotthard sind zwei starke Symbole für die schweizerische Identität – mit Mythen verbunden, die tief im Volksbewusstsein verankert sind und unterschiedliche Empfindungen und Wahrnehmungen unserer Heimat widerspiegeln. Die Rütliwiese – nicht leicht zu erreichen und beinahe eine intime Stätte – repräsentiert den Willen, an den Traditionen und folglich an einer autonomen Schweiz festzuhalten, die stolz ist auf die eigenen Werte und darauf bedacht, sie auch zu wahren – allerdings von der Sorge getrieben, sie durch den Kontakt mit anderen einzubüssen. Der Gotthard dagegen mit den Quellen, die ihm entspringen und den gesamten europäischen Kontinent mit Wasser versorgen, ist ein Sinnbild der in der Mitte Europas liegenden Schweiz, die sich der Aussenwelt nicht verschliesst und den Vergleich mit anderen Ländern nicht scheut.

 

Auf der Passhöhe ragt hoheitsvoll und feierlich das Hospiz auf: Jahrhundertelang war es ein Symbol für Gastfreundschaft und menschliche Wärme, bot all denen Unterkunft, die denanstrengenden Aufstieg bewältigt hatten – Händlern, Soldaten, Abenteurern, Intellektuellen und Künstlern aus ganz Europa. Unzählige berühmte Persönlichkeiten machten da Halt, von denen nur einige genannt werden sollen: Goethe, Mendelssohn, Balzac, Rimbaud, Mazzini, Garibaldi, der Infant von Spanien, Horace Bénédict de Saussure und viele andere mehr. Es ist faszinierend, sich vorzustellen, wie sie die Mühen der Reise auf sich nahmen und eine Bleibe in dem bescheidenen Hospiz fanden, wo vermutlich auch andere Geistesgrössen ihre Gedanken austauschten und Momente der Nähe und Solidarität miteinander erlebten. Das war das Bild, das man damals von der Schweiz hatte: offen, gastfreundlich, tolerant.

 

Die Restaurierung des Alten Hospizes ist auch als Zeichen des Vertrauens in die Zukunft zu verstehen: Der Gotthard ist bis heute eine wichtige Nord-Süd-Verbindung über die Alpen und eine der europäisch bedeutendsten Verkehrsachsen. Als eines der wichtigsten Wasserreservoire Europas zählen seine Quellen zu den kostbarsten Gütern und nehmen eine zunehmend geostrategische Bedeutung ein. Und nicht zuletzt stellt der Gotthard für das Tessin den Anschluss dar, den es mit der restlichen Schweiz verbindet. Der Mythos dieses Passes lebt also gestärkt fort; möge er wieder das Symbol einer stolzen, weltoffenen, toleranten, auf ihre Werte vertrauenden Schweiz werden!
Dick Marty, Präsident der Stiftung Pro San Gottardo

 


 

Altes Hospiz St. Gotthard
Umbau des Hospizes auf dem Gotthardpass
durch Miller & Maranta
Vecchio Ospizio San Gottardo
Park Books Zürich 2013
Herausgegeben von Michael Hanak
Texte von Hubertus Adam, Kilian T. Elsasser, Michael Hanak,
Dick Marty, Quintus Miller, Paola Maranta, Jean-Luc von Aarburg
Fotografien von Ruedi Walti
CHF 58. ISBN 978-3-906027-10-4

 

Botond Bognar:
«Architectural Guide. Japan»

Mit dem Architectural Guide Japan legt der Berliner Verlag DOM publishers den derzeit umfangreichsten Titel zur japanischen Baukunst von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart vor – als handlichen Reisebegleiter oder als Nachschlagewerk für die eigene Bibliothek. Der Autor Botond Bognar beschreibt über 700 repräsentative Beispiele aus ganz Japan in kompakten, kenntnisreichen Kurztexten. In einem einleitenden Essay skizziert der ausgewiesene Kenner der japanischen Architektur deren Entwicklung seit der frühen Meiji-Zeit (1868) und bettet sie in ihren historischen und politischen Kontext ein. Japans aktuelle Architektur gilt einerseits als besonders innovativ, und ihr Erscheinungsbild mutet manchmal futuristisch an. Andererseits nimmt sie die Jahrhundertealte Traditon japanischer Baukunst auf und tritt mit ihr in einen produktiven Dialog.

 

QR-Codes sowie 31 Karten im Anhang, ergänzt durch Wegbeschreibungen und genaue Angaben der Verkehrsverbindungen gewährleisten eine einwandfreie Information über das Auffinden der Bauwerke. Ein alphabetischer und chronologischer Index vervollkommnet den Band, über 750 farbige Abbildungen und Zeichnungen illustrieren den Text.
 

Botond Bognar (*1944) ist Professor für Architektur und Edgar A. Tafel Endowed Chair an der University of Illinois Urbana-Champaign, ist ein international anerkannter Spezialist für
Zeitgenössische japanische Architektur.

 
 


 

Botond Bognar
Architectural Guide Japan
135×240 mm
552 S., über 750 Abb., Softcover
Ausgabe in Englisch. EUR 38.
DOM publishers Berlin
Januar 2013

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