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«Von Freuds Gespenstern zum Kopftuchverbot»

 

 

Wie ein Detektiv geht Viktor Mazin mit einem Vergrösserungsglas den Spuren der Psychoanalyse nach und richtet seinen Blick auf die Geschichte der Wissenschaft, um die eigene Gegenwart zu analysieren. Der Band «Freuds Gespenster» versammelt drei bedeutende Texte des Gründers des «Museums der Träume Freuds» in St. Petersburg, in dem er Freuds Gespenster in Animationen und Filmen, in der Mathematik und in den Neurowissenschaften aufspürt.

Die Erscheinung des technoiden Hominiden
Das Erscheinen des Menschen auf diesem Planeten wird von zwei interessanten Phänomenen begleitet: Zum einen überschreitet die Entwicklung der organischen Materie die Grenzen der darwinschen Evolution. Setzt man das Aufkommen des Menschen zeitgleich mit der Verwendung von Werkzeugen an, ist festzustellen, dass diese Werkzeuge grundlegend den Verlauf und den Charakter der Entwicklung der Materie/
der Energie verändern. Die Anthropogenese ist mit der Evolution der anorganischen Materie verbunden. Die Anthropogenese ist immer schon auch Technogenese.
Zum anderen ist das Erscheinen des Menschen zugleich auch seine Verdoppelung. Der Mensch verdoppelt sich in Abstrahierungen, Reflexionen, in Projektionen seiner selbst auf den Anderen. Die Geburt des Menschen ist die Geburt des Doppelgängers, die Geburt von ka, des Schattens. Die Geburt des Menschen ist nicht bloss die eigene Verdoppelung, sondern auch die (in Lacan’s Terminologie) symbolische
Verdoppelung der Umwelt in einer Projektion.

 

 

Viktor Mazin, geboren 1958 in Murmansk/UdSSR. Philosoph, Filmwissenschaftler und Psychoanalytiker. Gründer und Leiter des »Museums der Träume Freuds« in St. Petersburg. Zahlreiche Publikationen zur Geschichte und Theorie der Psychoanalyse. Lebt und arbeitet in St. Petersburg.

 

 

 

Viktor Mazin
Freuds Gespenster
Matthes & Seitz Berlin, 2015
195 Seiten, Klappenbroschur
21 Abbildungen
Herausgegeben und mit einem Nachwort
von Wladimir Velminski.
Aus dem Russischen von Peter Deutschmann,
Brigitte Obermayr und Maria Rajer.
Mit Illustrationen von Ivan Razumov
CHF 21,90. € 14,80.
ISBN: 978-3-95757-028-4

 

 

«Giorgio Agamben: Das Geheimnis des Bösen»

Mit seinem Amtsverzicht Ende Februar 2013 bewies Benedikt XVI. nicht Schwäche, sondern beispielhaften Mut. Indem der zurückgetretene Papst auf die Ausübung der Stellvertretung Christi verzichtete, stellte er die Kirche als mächtigste Bastion der Legitimität infrage.

 

Der italienische Philosoph Giorgio Agamben rekonstruiert den politisch-theologischen Kontext des Rückzugs und unterstreicht, dass die Revolution Benedikts als markantes Zeichen christlicher Endzeitpolitik verstanden werden muss. Ob seine Kirche und die weltlichen Institutionen auf den so angezeigten Zusammenbruch ihrer Legitimität zu reagieren wissen, bleibt abzuwarten.

Hat die Aufklärung auch die Idee der Gerechtigkeit beseitigt und besetzt die Selbstregulierung des Marktes die Leerstelle der Religion, beherrscht nun sinnfreies Effzienzdenken die Welt?

 

«Giorgio Agamben entdeckt das Revolutionäre im Rücktritt von Benedikt XVI». Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung.

 

Giorgio Agamben, geboren 1942, lehrte als Professor an der Universität Venedig und am Collège international de philosophie in Paris.

 

Giorgio Agamben
Das Geheimnis des Bösen
Benedikt XVI. und das Ende der Zeiten
80 Seiten, Klappenbroschur

Aus dem Italienischen von Andreas Hiepko
ISBN: 978-3-95757-097-0
Preis: 10,00 € / 14,50 CHF

 

 

«Necla Kelek: Hurriya heisst Freiheit»
Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat kürzlich pauschale Kopftuchverbote für Lehrpersonen in öffentlichen Schulen für verfassungswidrig erklärt. Für die Soziologin Necla Kelek ist dieser Entscheid «ein Schlag ins Gesicht aller muslimischen Mädchen, die ein selbstbestimmtes Leben führen wollen».
  

Die Entscheidung des Verfassungsgerichtes sei lebensfremd, so Kelek, weil sie vorgäbe, tolerant gegenüber Religionen zu sein und dabei den Schutz von Frauen und Kindern vernachlässige sowie die konservativen und reaktionären Kräfte im Islam bestärke, die das Kopftuch für die muslimische Frau als die angemessene oder vorgeschriebene Kleidung bezeichnen.

Die arabische Revolte und die Frauenfrage hat Necla Kelek auf einer Reise durch Ägypten, Tunesien und Marokko in ihrem Buch «Hurriya heisst Freiheit» beleuchtet, das 2012 erschienen ist. Inzwischen sind die Verhältnisse noch undurchsichtiger und verworrener geworden, die Salafisten und Islamisten in Tunesien haben 2015 im Bardo-Museum in Tunis ein Blutbad angerichtet, das dem Tourismus des Landes erheblichen Schaden zufügt. Auch in Ägypten hat sich die Lage nicht wesentlich normalisiert, alte Kräfte gelangen wieder ans Ruder, der Aufbruch der Jugend ist gebremst, und die Stellung der Frau nach wie vor fragil und bedroht. Die Sehnsucht nach einem freien Leben ist dennoch die Hoffnung, die bleibt.
Necla Kelek ist nach Ägypten, Tunesien und Marokko, ins Herz der arabischen Revolte, gereist und hat Frauen getroffen, die bereit sind, für »Hurriya«, die Freiheit, ihr Leben zu riskieren. Sie hat erfahren, welche Hoffnungen sie hegen und wovor sie sich fürchten, und fand eine – von allen Seiten bedrohte – Sehnsucht nach einem freien Leben.
Da ist Meryem, die junge Bloggerin, die auf dem Tahrir-Platz die Freiheit gegen Mubaraks Militär, gegen Willkür und Korruption verteidigt und in Angst lebt, weil täglich Menschen erschossen und verschleppt werden. Oder Niha, die Rechtsanwältin, die sich seit Jahren für Frauenrechte einsetzt und jetzt fürchtet, dass Islamisten genauso wie der Militärrat den Frauen die letzten Rechte nehmen. Für sie ist eine gerechte Gesellschaft ohne freie Frauen undenkbar. Marijam hingegen demonstriert in Tunis dafür, dass sie mit dem Schleier studieren darf. Sie und ihre Freunde verstehen unter Hurriya, die Universitäten von westlicher Dekadenz zu befreien. Sie meinen die Freiheit, Allah dienen zu dürfen, und die Freiheit der Männer, über die Frauen zu bestimmen. Für Fatima aus Casablanca ist Hurriya die Chance, Arbeit zu finden und den Lohn behalten zu dürfen.
Necla Kelek erzählt vom Nil, vom Weihnachtsoratorium in Kairo und von Silvester mit Fundamentalisten in Kairouan. Sie analysiert, warum der Aufstand scheitern und trotz alledem weitergehen wird. Das arabisch-islamische System von Macht und Religion ist nicht besiegt. Aber es sind die Frauen, die Hoffnung machen und die wir nicht im Stich lassen dürfen.

Das Buch ist in Zusammenarbeit mit dem Autoren Peter Mathews entstanden, der Necla Kelek auf der Reise begleitet hat.

 
Necla Kelek, 1957 in Istanbul geboren, lebt in Berlin. Die promovierte Soziologin war von 1999 bis 2004 Lehrbeauftragte für Migrationssoziologie an der Evangelischen Fachhochschule für Sozialpädagogik in Hamburg und Mitglied der Deutschen Islamkonferenz sowie Mitglied im Senat der Deutschen Nationalstiftung.
Necla Kelek gilt als profilierte Islamkritikerin und versteht sich als Frauenrechtlerin. Ihre Bücher »Die fremde Braut«, »Die verlorenen Söhne«, »Bittersüße Heimat« und »Himmelsreise« sind Best- und Longseller und haben die Debatte um Integration und den Islam in Deutschland nachhaltig geprägt. Necla Kelek wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Geschwister-Scholl-Preis 2005, dem Hildegard-von-Bingen-Preis 2009 und dem Freiheitspreis 2011.

 
Necla Kelek
Hurriya heisst Freiheit
Kienpenheuer & Witsch Köln, 2012
Geb. 240 S., CHF 26.90. € 18.99 (D). 19.60 (A)
ISBN: 978-3-462-04484-3


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