FRONTPAGE

Chantal Michel: «Ich spreche in Bildern»

Von Rolf Breiner

Kunst leben, Kunst erfahren. Kunst erkunden und erspüren. Die Berner Künstlerin Chantal Michel macht’s möglich. Sie hat sich seit einem Jahr in der historischen Villa Gerber, Thun, eingenistet.

Eine Bauwüste auf dem ehemaligen Gelände der Gerber-Käseproduktion. Baugruben, Bagger, Baulärm. Und mittendrin in dieser modernen Wüste trotzt ein historisches Gebäude, die Villa Gerber, den umtriebigen Bauarbeiten und Immissionen. Wer es nicht weiss, würde es nie vermuten, dass hier eine Künstlerin lebt und arbeitet und ein interessiertes Publikum daran teilnehmen lässt.

 

Die 44-jährige «Löwin» Chantal Michel arbeitet mit verschiedenen Medien – Fotografie, Video und Performance. Die Villa Gerber hat sie mit skurrilen Installationen, Jagdtrophäen und geheimnisvollen Lichtstimmungen in ein Gesamtkunstwerk verwandelt.

 

Gewöhnungsbedürftig sollte man sein oder besser Biegsamkeit ist gefragt, wenn man das Reich ihrer Fantasie betritt. Betritt ist denn auch nicht der richtige Ausdruck: Man muss sich durch eine Luke in der Tür zwängen, als wolle man wie Alice ins Wunderland gelangen. In zwei Dutzend Zimmern, Räumen und Nischen hat Michel ihre Kunst drapiert, installiert, laufen Bilder und erzählen Gegenstände stumm ihre Geschichten.

 

 

Fantasie-Freiraum und Spiegelungen
Sie sei schon mit der Villa mitten Thun heimisch geworden, versicherte Chantal Michel bei unserer Visite. Bis Ende nächsten Jahres könne sie bleiben, bleiben dürfen.
Bei einem Rundgang durch ihr Reich wird man immer wieder überrascht von Gestalten an einem Tisch, flauschigen Kostümen an der Stange, Schoggihäusern, Lichtinstallationen, Endlosvideos vom Strand oder Bildern mit einer Frau im Kühlschrank. Kitsch und Kunst verbrüdern, verschwistern sich. Privates vermischt sich mit Visionärem, Alltäglichkeiten mit Träumereien.

«Dies Haus ist meine Welt. Ich will den Menschen, die Besucher in eine andere Welt entführen», erklärt Michel ihre künstlerische Anliegen. «Ich spreche in Bildern, thematisiere auch das Wohnen, spiele mit inszenierten Wohnsituationen, Klischees und Rollenzwängen. Damit möchte ich der Gesellschaft auch einen Spiegel vorhalten.»

 

Die grazile Bernerin lebt allein in diesen rund 25 Zimmern der ehemaligen Direktorenvilla. Bei Betrachtung ihrer Videoprojektionen fällt die Körperlichkeit auf, zumeist verdoppelt durch eine Art Spiegelfigur, die wie eine Zwillingsschwester wirkt. «Mein Körper ist mein Material», unterstreicht die Künstlerin.

 

 

Performance zwischen Möbeln und Bildern
Sie wird eins mit Räumen, Wiesen Idyllen, Gegenständen. Ihre Performance zwischen Möbeln und Bildern, Skulpturen und Figuren hat etwas Intimes, Eingeschlossenes, Abgeschiedenes, auch Abgründiges. Ihr gelingt es, die Grenzen zwischen Kunst und Privatem zu verwischen, aufzulösen und sie wieder zu vereinen.

Sie hat 2007 bis 2011 Schloss Kiesen mit einer Gesamtinstallation in 20 Schlossgemächern ausgestattet, ja belebt. Nun scheint Chantal Michel in der Villa Gerber eine ideale Heimstätte gefunden zu haben. Hier wird ihre Kunst gegenwärtig, fassbar, fühlbar. Da distanzieren keine Vitrinen, hemmen keine Berührungsverbote, ist die Künstlerin leibhaftig präsent. Vorerst bis Abschluss der Bauarbeiten auf dem Gerber-Baugelände in Thun. Sie wird die Räume künstlerisch erweitern, beleben, bewegen, bebildern.
Sie lebt einfach, fast eremitisch mitten in Thun, das sich sichtbar im Wandel befindet. Grosse Industriebrache werden platt gemacht, umgewandelt, erneuert. Allein die Villa unter Denkmalschutz wird so zum historischen Mal, Mahn- oder Denkmal. Was könnte der Stadt Thun besser passieren, als dass hier der Fantasie Freiraum gewährt wird – zum Gewinn aller!

 

Samstags lädt Chantal Michel zum Flohmarkt (bei akzeptablem Wetter) 10 bis 15 Uhr und abends auf Anmeldung zur Ausstellung und einem einfachen, aber liebevoll von ihr selbst arrangierten Diner im Kellergeschoss (Anmeldung obligatorisch: Tel 031 311 21 90). Sie stellt auch ein Gästezimmer mit Frühstück zur Verfügung. www.chantalmichel.ch

 

 

 

Ausstellungs-Tipps:
 


 
Kunstmuseum Bern. Merets Funken. Surrealismen in der zeitgenössischen Schweizer Kunst.  19.10.2012 – 10.02.2013

 

Die grosse Herbstausstellung im Kunstmuseum Bern ist Auftakt zum Hommage-Reigen für Meret Oppenheim, die 2013 ihren 100. Geburtstag feiern würde und 2013 mit Ausstellungen in Wien und Berlin geehrt wird.

Die Ausstellung spürt den Funkenschlägen von Meret Oppenheims Kunst und Gedanken nach, indem rund 50 Werke der herausragenden Surrealistin im Dialog mit Gemälden und Skulpturen der jungen Schweizer Künstler Maya Bringolf, Vidya Gastaldon, Tatjana Gerhard, Elisabeth Llach, und Francisco Sierra gezeigt werden.
Die Ausstellung im Kunstmuseum Bern stellt die Frage nach der internationalen Position der grossen Schweizer Künstlerin Meret Oppenheim und ihrem Einfluss auf die junge Schweizer Kunst. Die Ausstellung belegt die Lebendigkeit, Aktualität und Ausdruckskraft von Meret Oppenheims Werk.

In Erinnerung an die Künstlerin vergibt das Bundesamt für Kultur jährlich den renommierten Kunstpreis Prix Meret Oppenheim. Die Preisträger 2012 sind die Kuratorin Bice Curiger, der Schweizer Konzeptkünstler Niele Toroni und der Landschaftsarchitekt Günther Vogt.

 www.kunstmuseumbern.ch

 


 


 
Museum Bellerive Zürich – Vorhang auf für CH-Designpreise
26. Oktober 2012 – 27. Januar 2013

 

Die Ausstellung Designpreise der Schweizerischen Eidgenossenschaft 2012 präsentiert die Arbeiten der Preisträgerinnen und Preisträger der Eidgenössischen Designpreise und der diesjährigen drei Grands Prix Design. Es werden Arbeiten aus den Bereichen Modedesign, Grafik, Fotografie, Produkte und Objekte sowie Designvermittlung von jungen und bereits etablierten Designschaffenden gezeigt.
Der wichtigste nationale Wettbewerb zur Förderung des Schweizer Designs, den das Bundesamt für Kultur (BAK) seit 1918 jährlich organisiert, soll Plattformen schaffen und den GewinnerInnen ermöglichen, in ihrem Schaffen weiterzukommen und ihre Werke einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen. www.swissdesignawards.ch

 

Die PreisträgerInnen:

Grand Prix Design 2012

Franco Clivio, 1942, Zürich (Produktdesigner, Lehrer)

Gavillet & Rust. Gilles Gavillet, 1973 und David Rust, 1969, Genf/Lausanne

(Grafiker)

Karl Gerstner, 1930, Basel

(Grafiker, Werber, Typograf)

 

Designpreise der Schweizerischen Eidgenossenschaft 2012

Jan Abellan, Grafik; Lena Amuat/Zoë Meyer, Fotografie; Ludovic Balland, Grafik; David Bielander, Produkte & Objekte; Natalie Bringolf/Kristin Irion, Grafik; Laurenz Brunner, Grafik; dorade: Emmanuel Crivelli, Sylvain Menétrey, Philippe Jarrigeon, Desginvermittlung; Glashaus: Gregor Huber, Ivan Sterzinger, Grafik; Thai Hua, produkte & Objekte; Sophie Huguenot, Fotografie; Dominic Knecht, Mode & Textildesign; Nicolas Le Moigne, Produkte & Objekte; David Mamie/Nicola Todeschini, Grafik; Mariel Manuel, Mode & Textildesign; Noha Mokhtar, Fotografie; Neo Neo: Xavier Erni, Thuy-An Hoang, Designvermittlung; Cyril Porchet, Fotografie; Sabine Portenier, Evelyne Roth, Mode & Textildesign; Esther Rieser, Grafik; Julian Zigerli, Mode & Textildesign. (I.I.)

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