© Verlag rüffer & rub, Zürich 2011
Andrea Sailer, © Peter Würmli
Bettina Oberli, © Peter Würmli
Andrea Staka, © Peter Würmli
Michael Steiner, © Peter Würmli
Denis Rabaglia, © Peter Würmli
«Die Faszination des Filmemachens»
Von Andrea Sailer
Das Schweizer Filmschaffen ist vielfältig, tiefgründig, humorvoll und feiert immer wieder grosse Erfolge, angefangen bei «Die Schweizermacher» über «Ernstfall in Havanna» bis zu «Vitus» und «Sennentuntschi».
Doch wer sind die Menschen, die uns durch ihre Filme neue Welten eröffnen? Andrea Sailer hat 40 Schweizer Regisseure aus drei Regie- Generationen getroffen und mit ihnen über Werdegang, Erfolge, Flops und Wünsche gesprochen.
Ein reich bebildertes Buch mit spannenden Porträts, die einen guten Überblick über die aktuelle Filmszene bieten.
Angefangen hat alles in einem kleinen Landkino in einer ehemaligen Spinnerei im Zürcher Unterland. Schweizer Filmschaffende sind dort öfters zu Gast, stellen ihre Filme vor und erzählen, wie und warum ihre Geschichten entstanden sind. Eine gute Freundin von mir führt das Kino und schafft in dieser cineastischen Oase einen Ort der Begegnung.
Der Reichtum an künstlerischer Energie und Schaffenskraft von Regisseurinnen und Regisseure hat mich immer wieder berührt; als Journalistin habe ich einige davon porträtiert und die Artikel erschienen jeweils in der Zeitung der Region. Ich habe bekannte, gelobte und manchmal auch »versteckte« Filme gesehen, die nur ein kleines Publikum gefunden haben. Viele haben mich beeindruckt, zum Lachen gebracht, bewegt, sodass ich mich immer wieder mit großer Begeisterung in neue Treffen stürzte – bis mich ein Journalist und Filmemacher ermunterte, doch ein Buch über Filmschaffende zu schreiben. Die Idee nistete sich immer konkreter ein. Zu Hause schaute ich mich durch einen großen Teil der Schweizer Filmgeschichte, entdeckte immer wieder Neues, las Bücher, recherchierte.
Eines Tages, als ich auf Reportage mit dem Fotografen Peter Würmli war, tauschten wir uns über den Frust aus, dass Zeitungspapier, und damit auch unsere Reportage, in zwei Tagen schon wieder zum Altpapier gehören würde. Wir sinnierten darüber, wie wir unseren Texten und Fotos ein längeres Leben bescheren könnten, und trafen uns bei der Wahl des Mediums Buch, allerdings: Peter wollte in die Welt erfolgreicher Unternehmer abtauchen, ich machte ihm die Filmwelt schmackhaft.
Wir entschieden uns für das Filmbuch, und ich fragte die ersten Regisseure an, die prompt zusagten. Der Auftakt war in Zürich, dann reisten wir nach Bern, Solothurn, Lausanne, Genf, ins Wallis, einmal sogar bis nach Mailand und nach Berlin; im Speisewagen tranken wir Unmengen von Kaffee und Tee und auf dem Weissenstock kleine Mengen Weißwein.
Für die Mitarbeit im Team konnten wir die Grafikerin Cornelia Studer vom Designatelier cmzwei GmbH begeistern, die peu à peu die Buchidee mit Text und Bild konkretisierte und in ein Layout brachte, das dem Filmbuch bereits jenen professionellen Anstrich gab, den es für die Verlagssuche brauchte. Als Dreier-Team setzten wir uns fortan für das Buch ein, entwickelten, schrieben und schrieben um, gestalteten und gestalteten um – bis es nun jene Form, jenes Gewicht und jene persönliche Note hat, die es so besonders macht, wie es unsere Absicht war.
Nun denn, liebe Leserinnen und Leser, was erwartet Sie auf den über 400 Seiten «Schweizer Filmregisseure in Nahaufnahme – von ‚Höhenfeuer bis Herbstzeitlosen’»?
Porträts von Filmschaffenden, die das Kulturleben in der Schweiz mit ihren Werken bereichern und prägen. Verschiedene Regiegenerationen aus allen Landesteilen der Schweiz sind vertreten, von Fredi M. Murer bis Bettina Oberli – »ältere« und »jüngere« Filme natürlich eingeschlossen.
Die Filmemacherinnen und Filmemacher erzählen davon, warum sie wurden, was sie sind, welche Hürden es zu überwinden galt und wovon sie vielleicht noch träumen. Das Filmbuch ist aber nicht nur ein Lese-, sondern auch ein »Bilderbuch«. Peter Würmli hat die Cineasten an ihrem Ort der Wahl oder in einer Umgebung, in der sie sich wohl fühlten, in Szene gesetzt.
Meinen Fokus habe ich auf Spielfilm-Regisseure gelegt, aber einzelne bekannte Dokumentarfilmer dazugenommen, der Übergang zwischen fiktiv und dokumentarisch ist ohnehin fließend. Sicher gibt es auch Regisseurinnen und Regisseure, deren Stimmen im Buch fehlen; vierzig haben Eingang ins Buch gefunden, die bisher rund 670 Filme realisiert haben. Die vierzig Regisseurinnen und Regisseure stehen stellvertretend für ein wunderbares und reiches Filmschaffen in der Schweiz, das mit Kinostarts in aller Herren Ländern, einem Oscar-Preisträger (Xavier Koller) und einigen Nominationen bis in alle Welt ausstrahlt. Werfen Sie mit mir einen Blick hinter die Kulissen und tauchen Sie ein in die Welt des Films.
Bettina Oberli
Welches war Ihr erstes Filmerlebnis?
»Bernhard und Bianca« (1977) in Bern im Kino. Ich musste schon beim Vorfilm jämmerlich weinen, weil ein kleiner Esel seine Eltern verloren hatte. Meine Mutter verließ mit mir deshalb kurz den Saal. An den Hauptfilm kann ich mich ebenfalls gut erinnern, vor allem an das Gefühl, in einer Sardinenbüchse zu fliegen, ich muss also sehr beeindruckt gewesen sein.
Welche Filme haben Sie geprägt?
Viele, jeder auf seine Weise: als Geschichte, als einzelne
Bilder, als Stimmung – etwas davon ist in mir geblieben und zeigt sich bestimmt in meiner Arbeit, das ist ein unbewusster Prozess. Es gibt sehr wenige Filme, denen ich gar nichts abgewinnen kann, und sei es nur die Frisur einer Schauspielerin. Genau so prägend und inspirierend empfinde ich Musik, Fotografie, Theater, Kunst allgemein.
Welches war Ihr lustigstes Dreherlebnis?
Bei »Herbstzeitlosen« (2006) den wunderbaren und sehr ernsthaften Jodelchor dazu zu bringen, falsch zu singen.
Gibt es einen Film, den Sie selbst gerne gemacht hätten?
»Todo sobre mi madre« (1999), »Breaking the Waves« (1996), »Whisky« (2004).
Mussten Sie gegen Widerstände kämpfen oder war Ihr Umfeld immer begeistert von Ihrer Arbeit?
Mein Umfeld verhält sich meiner Arbeit gegenüberziemlich unaufgeregt.
Wer ist Ihr härtester Kritiker oder Ihre härteste Kritikerin?
Kritiker leisten gute Dienste, meistens jedoch sich selbst.
Welchen Schauspieler und welche Schauspielerin hätten Sie gerne einmal in einem Ihrer Filme?
Kate Winslet, Mads Mikkelsen, Ralph Fiennes, Gaël Garcia Bernal, Charlotte Gainsbourg, Charlotte Rampling
Bettina Oberli wurde 1972 in Interlaken geboren. Von 1995 bis 2000 studierte sie Film an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich (heute: Zürcher Hochschule der Künste). Seit 2000 ist sie freischaffende Autorin und Regisseurin. Sie realisierte mehrere Kurzfilme während und nach der Ausbildung, die mehrfach preisgekrönt wurden. 2004 folgte ihr erster Kinospielfilm »Im Nordwind«, der an viele internationale Festivals eingeladen und mehrfach ausgezeichnet wurde, darunter mit dem Zürcher Filmpreis 2004. Mit der Komödie »Die Herbstzeitlosen« landete sie einen Publikumsrenner, rund 600‘000 Zuschauer strömten ins Kino. 2009 folgte der Kinospielfilm »Tannöd«, der ebenfalls den Zürcher Filmpreis gewann und den Spezialpreis der Jury beim Schweizer Filmpreis erhielt. Bettina Oberli wohnt zusammen mit ihrem Mann, dem Kameramann Stéphane Kuthy, und den zwei Söhnen in Zürich.
Porträts von vierzig Schweizer Regisseurinnen und Regisseuren aus drei Regie-Generationen:
Jean-François Amiguet
Lionel Baier
Fulvio Bernasconi
Sabine Boss
Jean-Stéphane Bron
Reto Caffi
Séverine Cornamusaz
Dominique de Rivaz
Richard Dindo
Markus Fischer
Christian Frei
Alain Gsponer
Stefan Haupt
Thomas Imbach
Markus Imboden
Markus Imhoof
Nino Jacusso
Friedrich Kappeler
Clemens Klopfenstein
Xavier Koller
Erich Langjahr
Dani Levy
Micha Lewinsky
Peter Liechti
Rolf Lyssy
Ursula Meier
Frédéric Mermoud
Fredi M. Murer
Bettina Oberli
Oliver Paulus
Léa Pool
Denis Rabaglia
Samir
Christoph Schaub
Hans-Ulrich Schlumpf
Silvio Soldini
Andrea Štaka
Michael Steiner
Alain Tanner
Stina Werenfels
Andrea Sailer
Schweizer Film-Regisseure in Nahaufnahme
432 S., Hardcover, rüffer & rub, Zürich 2011
ISBN 978-3-907625-51- 4
CHF 68.00 | EUR 58.00
Andrea Sailer, 1969, ist ausgebildete Übersetzerin, hat sich später dem Journalismus zugewendet und als Redaktorin der Tageszeitung Zürcher Unterländer gearbeitet. Heute ist sie freie Journalistin und Autorin sowie Mitglied der Geschäftsleitung der Stiftung Märtplatz. Sie wohnt in Eglisau.