«Dieter Meier Works 1969 – 2011 And The Yello Years, 24. Juni – 11. September 2011 Sammlung Falckenberg, Hamburg-Harburg in Kooperation mit dem ZKM, Karlsruhe»
Von Ingrid Isermann
Erstmalig zeigen die Deichtorhallen Hamburg das vielfältige Werk des Zürcher Künstlers und Multitalents Dieter Meier in einer umfassenden Museumsausstellung vom 25. Juni bis 11. September 2011 in der Sammlung Falckenberg (Phoenix-Werke, Hamburg-Harburg). In den 80er Jahren wurde Meier einem grossen Publikum als Teil des Musikduos YELLO bekannt, das heute zu den einflussreichsten Elektro-Pop-Acts überhaupt zählt. Darüber hinaus war Dieter Meier als Film- und Videoclip- Regisseur tätig. Seine Musikvideos für die Gruppe YELLO haben das Genre nachhaltig geprägt und waren dauerhaft auf MTV zu sehen. Weit weniger bekannt ist das Werk Dieter Meiers als Konzept- und Performance-Künstler, dessen Ursprung bis in die späten 60er Jahre zurückreicht.
Mit seinem radikalen und absurd-humorvollen Situationismus, der ihn immer wieder zu Aktionen auf öffentlichen Plätzen und unmittelbaren Auseinandersetzungen mit Passanten inspirierte, begann Meier neue Freiräume zu erkunden. 1970 ging er für eine Ausstellung in München zwölf Stunden lang durch die Stadt und markierte mit gestempelten Uhren-Aufklebern jede Minute, wo er gegangen, gestanden oder ausgeruht hatte. Im Kunstmuseum Luzern stempelten Besucher an einer Stechuhr die Zeit ab, welche sie in einem leeren Raum verbracht hatten. Der Sinn sei gewesen, „(…) dass sie mir ein oder zwei Minuten ihres Lebens gewidmet haben“, sagt Meier. Im ICA London zeigte Meier einen Film mit der Anweisung, die Besucher mögen sich das weiße, große Blatt Papier, das sie an der Kasse bekommen hatten, jetzt bitte zehn Minuten lang vor die Augen halten. „Das war dann der Film“, sagt Meier. In München baute er in einem Hof einen großen Holzkubus auf, suchte aus dem Telefonbuch 30 Personen heraus, die er einlud, ihm zuzusehen, wie er sich eine Stunde lang im Kubus aufhalten würde – die Aktion fand statt, vor einem einzigen Besucher. Für ein Fotoprojekt formte Meier 1976 Figuren aus Puderzucker und Knete, um sie kurz darauf zu zerstören. Im selben Jahr stellte Meier 48 imaginäre Biografien im Kunsthaus Zürich aus.
Doch Meier hatte genug vom „Kunstrennen“ und gründete gemeinsam mit Boris Blank das Duo YELLO. Mit Stücken wie „The Race“ oder „Oh Yeah“ feierten YELLO Erfolge in den internationalen Charts; viele Stücke des Duos wurden in den 80er Jahren für TV-Sendungen und Spielfilme verwendet. In den Musikvideos von YELLO ist der Einfluß von Dieter Meiers frühen Arbeiten deutlich zu erkennen: So tauchen die Knetfiguren, von Meier „Lost sculptures“ genannt, im Video zu „Pinball Cha Cha“ (1982) wieder auf.
Vor einem Jahr öffnete Dieter Meier erstmals sein künstlerisches Archiv für die Ausstellung „En passant“ im Berliner Projektraum der Galerie Grieder Contemporary. Die teilweise verschollen geglaubten Fundstücke werden nun in der Ausstellung WORKS 1969 – 2011 AND THE YELLO YEARS umfangreich gezeigt. Auf drei Stockwerken sind frühe Experimentalfilme, Kunst-Konzept- Aktionen ab 1969 und Arbeiten von YELLO zu sehen.
Großzügige Prints von Aktionen, unbekannte Serien mit Bice Curiger, die rätselhafte Objekte präsentiert, ein exzentrischer Film von Peter Sempel mit Archivmaterial, ungehörte Tonaufnahmen von Dieter Meier aus der Zeit vor YELLO und Probeaufnahmen für Videos – die Sammlung Falckenberg bietet mit ihren Seh-Fluchten einen idealen Ort, um zu zeigen, wie vernetzt die scheinbar zufälligen Werkgruppen sind.
Dieter Meier beschäftigt das Phänomen der Zeit: seine Aktionen sind meist bürokratisch genau angekündigt und terminiert. Der scheinbaren Banalität und Unsinnigkeit vieler seiner Aktionen steht schließlich die gesteigerte Erwartungshaltung des Publikums gegenüber. Doch Meier erschafft bewusst Unbedeutendes, gibt der Sinnlosigkeit Raum. Der krampfhaften Suche nach Sinnhaftigkeit und künstlerischen Bedeutungsmustern setzt Dieter Meier eine rasende und radikale “Unbedeutung“ entgegen.
Dieter Meier wurde 1945 in Zürich geboren. Neben seiner Arbeit als Musiker und Künstler ist Dieter Meier Schriftsteller (Hermes Baby, Ammann Verlag, Zürich; Die Maske des Erzählers 2012, Kiepenheuer & Witsch), Kinderbuchautor (Windjo, Limmatverlag, Zürich; Oskar – wie ein Tiger, Kein & Aber, Zürich) und Filmemacher (81’000 Einheiten, Jetzt und Alles, Lightmaker). Er war professioneller Pokerspieler, entwarf Uhren und betreibt in Argentinien biologische Landwirtschaft, Rinderzucht und Weinbau. Seine Produkte verkauft er in Deutschland, USA, der Schweiz und in seinem Laden für argentinische Produkte „Ojo de Agua“ in Zürich.
KATALOG
Im Verlag Walther König wird der Katalog „Werke 1969 – 2011 und Yello Years“ mit Texten von Harald Falckenberg, Dirk Luckow, Max Dax und Peter Weibel sowie eine DVD mit Video- und Filmausschnitten erscheinen. 240 Seiten.
KURATOR
Stefan Zweifel
ERÖFFNUNG
am Freitag, 24. Juni 2011 um 19.00 Uhr in den Räumlichkeiten der Sammlung Falckenberg (Phoenix-Hallen, Hamburg-Harburg).
PERFORMANCE
Im Anschluss an die Eröffnung wird Dieter Meier eine Performance in den Räumlichkeiten der Sammlung Falckenberg geben.
ÖFFNUNGSZEITEN / FÜHRUNGEN
Ein Besuch der Sammlung Falckenberg ist nur innerhalb von Führungen möglich. Diese finden mittwochs und donnerstags um 18 Uhr, freitags um 17 Uhr sowie samstags und sonntags um 11 und 15 Uhr statt. Eine Anmeldung ist erforderlich und kann telefonisch oder über die Internetseite der Sammlung Falckenberg vorgenommen werden. Gruppen-Sonderführungen sind täglich nach Absprache möglich.
Anmeldung und Information unter
www.sammlung-falckenberg.de,
email: besuch@sammlung-falckenberg.de,
Telefon: 040-32506762
SONDERFÜHRUNGEN
Führungen mit Dieter Meier durch die Ausstellung sind geplant.
ADRESSE
Sammlung Falckenberg | Deichtorhallen Hamburg
Wilstorfer Straße 71, Tor 2
21073 Hamburg – Harburg
ANREISE
via Fernbahn / Nahverkehr: Bahnhof Harburg, S31 / S3
via Auto: A253 Abfahrt Hamburg-Wilstorf, A1 Abfahrt Hamburg-Harburg
WWW. DEICHTORHALLEN.DE
WWW.SAMMLUNG-FALCKENBERG.DE
Partner der Deichtorhallen Medienpartner
DIETER MEIER
1945 Geboren in Zürich, Schweiz Lebt in Kalifornien, Argentinien, auf Ibiza und in der Schweiz.
AUSSTELLUNGEN (AUSWAHL)
2011
Deichtorhallen / Sammlung Falckenberg
2010
En Passant 1969-2010, Grieder Contemporary Projects, Berlin
2009
Faces & Phrases, Jamileh Weber Gallery, Zürich
2008
Le Rien en Or, Manifestations 30 – 42, Inner City Zürich / Hamburg
2007
El Monte Dorado, Museum Tinguely, Basel
2006
As time goes by, Kirsten Roschlaub Gallery, Hamburg
2005
Save 86%, Galerie Baviera, Zürich, As time goes by, Galerie Baviera, Zürich
2002
Public Affairs, Kunsthaus Zürich
2001
In the Picture, Galerie Wohnkultur 66, Hamburg
1999
In the Picture, Galerie Baviera, Zürich
1998
Freie Sicht aufs Mittelmeer, Kunsthaus Zürich, Zürich
1985
The slow shark, Kunstmuseum Winterthur, CH Music Videos:The Industry and Its Fringes, Museum
of Modern Art, New York
1982
Der falsche Magier, Galerie Baviera, Zürich
1980
22 Artistas Suiços, Galerie Nacional de Arte Moderna, Lisboa, PT Ruinen, Kupferstichkabinett,
Berlin, 7. Schweizer Plastikausstellung, Biel, Saus&Braus, Strauhof Zürich, Zürich
1977
Dieter Meier – Werke 1974-1976, Kunsthaus Zürich, Artistes Zürichois, Musée Rath, Genf
1972
Datum, documenta 5, Kassel
1971
The Swiss Avantgarde, Cultural Center, New York, USA 1970
Visualisierte Denkprozesse, Kunstmuseum Luzern
EXPERIMENTALFILME UND PERFOMANCES (AUSWAHL)
1969-1971 Conceptual pieces in the streets of Zürich, München und New York
since 1967 Kurzfilme und Videos auf verschiedenen Festivals: Art Film Festival I.C.A.,London 1969; 23rd
Festival d’Avignon 1969; Aktionsraum 1, München 1969: Quinzaine des réalisateurs,Cannes 1969;
Short Film Festival Oberhausen 1970: Tokio Film Festival,Tokio 1971; Film Festival Cultural
Program of the Olympic Games,Munich 1972; Experimenta 5 (Competition),Knokke 1974; Cinema
sperimentale europeo,Genova 1979
SPIELFILME
2001 Lightmaker (with Zbigniew Zamachowski,Rod Steiger,Cornelia Grolimund,Dieter Meier,Johnny
Melville; Schweiz / Polen. Script and Direction.(Premiere Biennale Berlin 2001)
1981 Jetzt und Alles (Take it all),with Richy Müller and Jean-Pierre Kalfon; Germany 1981. Script and
Direction.(Film festivals Taormina 1982, Manila 1982)
BÜCHER UND KATALOGE (AUSWAHL)
2011
Werke 1969 – 2011 und Yello Years, Verlag Walther König, Köln
2010
En Passant, Newspaper No 1 & 2, Stefan Zweifel / Marie Lusa, Grieder Contemporary Berlin
2007
La conquête de l’inutile – Werke 1969-2007, Tinguely Museum Basel / Benteli Verlag Zürich
2006
Hermes Baby, Geschichten und Essays,Ammann-Verlag, Zürich, Audio book, Deutsche Grammophon Literatur
1994
Blick in die Welt – (NZZ Folio columns / Türler Medienpreis)
1983
Ursula Fürst & Dieter Meier „Windjo“ – Limmat-Verlag, Zürich
1979
Dieter Meier, Peter Baviera – Drei Daten, Galerie Baviera, Zürich
1977
Dieter Meier – Werke 1974-1976 – Kunsthaus Zürich
1976
Dieter Meier- Werke 1969-1974 – Edition H.R.Lutz, Zürich
DISKOGRAPHIE
YELLO (Boris Blank / Dieter Meier) (Auswahl):
Solid Pleasure, 1980
Claro que si, 1981
You gotta say yes to another excess, 1983
Stella, 1985
YELLO 1980-1985 The new mix in one go, 1986
One Second, 1987
Flag, 1988
Baby, 1991
Essential YELLO, 1992
Zebra, 1994
Hands on YELLO, 1995
Pocket Universe, 1997
Eccentrix, 1999
Motion Picture, 1999
The Eye, 2003
YELLO Remaster Series I-VI, 2005
Touch YELLO, 2009
The Anthology, CD/DVD-Box, 2010
MUSIKVIDEOS (AUSWAHL)
YELLO The Evening’s young, 1981
Pinball Cha Cha, 1982
I Love You, 1983
Lost Again, 1983
Bostich, 1984
Vicious Games, 1985
Desire, 1985
Goldrush, 1986
Oh Yeah, 1987
Call it love, 1987
The Rhythm Divine, 1987
The Race, 1988
Tied Up, 1988
Of course I’m lying, 1989
Blazing Saddles, 1989
Rubberbandman, 1991
Who’s gone, 1991
Jungle Bill, 1992
Drive Driven, 1993
Do it, 1994
How How, 1994
Tremendous Pain, 1995
Suite 904, 1995
Celsius / On Track / Pan Blue / Resistor, 1996
To the Sea, 1997 (Co-Director Paul Morgans)
Squeeze Please, 1999 (Co-Director Jason Glenister)
Planet Dada, 2003
Touch YELLO – the virtual concert, 2009 (Co-Directors Boris Blank, Kevin Blanc)
Für andere Künstler
TRIO Da da da, 1982
ALPHAVILLE Big in Japan, 1984
TRIO Ready for you, 1985
SOME SONG Am I right, 1987
GIANNA NANNINI Scandalo, 1990