August 2014
Liebe Leserinnen, liebe Leser, liebe Freunde und Kulturinteressierte, herzlich willkommen!
Krieg ist das fundamental Böse. Da gibt es nichts zu deuteln, auch wenn jede Konfliktpartei der anderen Seite die Schuld zuschiebt. Im Ersten Weltkrieg zogen die jungen Männer noch begeistert in den Krieg, die Ehre des Vaterlandes zu retten, war nicht die letzte ihrer Begründungen. Auch wenn der Krieg heute nicht mehr erklärt wird, findet er statt und verstösst nach der UN-Charta gegen das Völkerrecht. Ob es um die Eskalation in der Ukraine geht oder den Israel-Palästina-Konflikt, um den Irak oder Syrien, immer spielt geografische Machtpolitik eine Rolle. Umso deutlicher wird, wie anachronistisch diese Verhaltensweisen sind. Wie wäre es, wenn die UNO grundsätzlich die Staaten zur Entwaffnung aufruft? Kommt man da den Waffengeschäften und der Waffenlobby in die Quere? Was für eine widersprüchliche Welt, wo ein Einzelner nach allen Regeln der medizinischen Kunst gerettet wird und die Massen im Krieg vernichtet werden. Wer ist der Gute, wer ist der Böse? Solange diese Schattenkämpfe weiter bestehen, ist keine Besserung in Sicht.
Auch die Wochenzeitschrift DIE ZEIT (24.7.2014, Nr. 31) widmet sich diesem Thema: «Kann man Kriege verhindern?». Das Gesicht des Krieges hat sich über die Jahrhunderte verändert, die Kriegsmotive sind die gleichen geblieben: Furcht, Ehre und Nutzen. Die Hoffnung auf eine friedliche Welt, eine Illusion? Doch es gibt Gründe, nicht zu verzweifeln. Europa hat etwas anzubieten: Ein Modell des friedlichen Zusammenlebens. Friedensdiplomatie wird jetzt zur europäischen Daueraufgabe. Der Astronaut Frank Bormann, der mit Apollo 8 den Mond umrundete, drückte den Vernunftgrund vor über 40 Jahren so aus: «Wenn du von da oben auf die Erde zurückblickst, verschwimmen alle diese Unterschiede und Nationalcharaktere, und du denkst, dass das vielleicht wirklich eine Welt ist und warum wir, zum Teufel noch mal, nicht lernen können, wie anständige Leute zusammenzuleben».
Er ist nicht mehr im Bundesrat, aber er bestimmt die Schweizer Politik: Christoph Blocher. Nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative am 9. Februar 2014, einem Wahlerfolg der SVP, stehen die bilateralen Verträge auf dem Spiel, denn die EU hält als Voraussetzung die Freizügigkeit für unabdingbar. Das hat die EU mit 28 Mitgliedstaaten jetzt beschlossen und einen Brief an den Bundesrat geschickt. Sie will keine Neuverhandlungen. Blocher behauptet, das Volk hätte das gewusst, als es abstimmte, und die Schweiz brauche die Bilateralen nicht (NZZ, 25.7.2014). Was stimmt nun? Aufklärung tut not, doch da ist das Schweigen im Walde. Denn zu lange hat man sich daran gewöhnt, dass die Schweiz automatisch verwaltet wird und ist nicht gewohnt, aussenpolitische Entscheide zu treffen. Der dem Réduit-Denken verhaftete Blocher triumphiert, seine Politik der Abschottung funktioniert. Aber was ist mit den fehlenden Arbeitskräften, es wurde vom Seco eine Zahl von 450.000 Personen genannt, die schon bald nicht mehr ersetzt werden könnten, durch Pensionierungen etc. Beisst sich die Katze hier nicht in den Schwanz? Und wieso werden diese Zahlen nicht berücksichtigt? Könnte die ‚Masseneinwanderung’ der Arbeitskräfte bald eine politische Forderung werden? Eine kleine Schizophrenie wartet auf die Schweiz. Vielleicht gibt es doch noch ein Hintertürchen für die smarte Schweiz, nicht die Zahl der Freizügigkeit zu begrenzen, sondern die Aufenthaltsdauer bis 10 Jahre, bis 20 Jahre undsoweiter? Denn man hat den Eindruck, es wird hier nur kurzfristig, aber nicht langfristig gedacht und geplant.
Ich wünsche Ihnen einen schönen 1. August und uns eine offene, mutige und liebenswerte Schweiz.
Ingrid Isermann
Was können Sie im August auf Literatur & Kunst entdecken?
Eine Hommage zum 200. Geburtstag von Louise Aston (1814−1871):
Die Emanzipierte trug Hosen, rauchte, ging mit Männern in Debattierclubs und Gastwirtschaften, forderte das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und freie Liebeswahl, gründete den Club Emanzipierter Frauen.
Die Schriftstellerin veröffentlichte erotische und radikal-politische Gedichte, die Romane Lydia sowie Revolution und Conterrevolution und gab einige Nummern der politischen Zeitschrift Der Freischärler heraus.
Die Freischärlerin unterhielt enge Kontakte zu demokratischen Kreisen und engagierte sich in der 1848er Märzrevolution.
Die Ausgewiesene erregte mit ihrem erotischen Gedichtband Wilde Rosen öffentliches Ärgernis und wurde wegen ihrer politischen Aktivitäten als staatsgefährliche Person aus Berlin ausgewiesen.
Wir präsentieren Ihnen exklusiv einen Auszug aus dem spannenden Buch von Barbara Sichtermann, das ab 24. August im Handel erhältlich ist, Ebersbach Verlag, Berlin 2014.
Eine lyrische Entdeckung: Vom Tessiner Poeten und Künstler Franco Beltrametti (1937-1995) erscheint erstmals eine repräsentative Auswahl seiner Gedichte im Limmat Verlag «Zweiter Traum / Secondo sogno». Beltrametti ist bisher nur einem kleinen Kreis von Insidern bekannt, das könnte und sollte sich ändern.
Das Centre Le Corbusier-Heidi Weber-Haus steht vor einer neuen Epoche. Die Stadt Zürich hat das architektonische Juwel am 14. Mai 2014 formell übernommen. Heidi Weber äussert sich zu ihrem Lebenswerk.
In Locarno sind wieder die wilden Leoparden los: Filmfestival Locarno vom 6. bis 16. August 2014. Die Schweiz markiert mit Dokumentarfilmen eine starke Präsenz. Lesen Sie den Bericht von Rolf Breiner. Ferner aktuelle Filmtipps.
Die «Solothurner Schule» nach Max Schlup hat Fabrizio Bentini nochmals begutachtet. Wie in Zeiten des Klimawechsels gebaut werden kann, untersucht der «World Atlas of Sustainable Architecture». Ferner Architekturführer in nahe und ferne Welten von DOM publishers, Berlin 2014 nach Riga, St. Petersburg, Istanbul, Kairo und Venedig.
Wir stellen Ihnen neue Bücher vor: Angelika Overath schreibt über die «Autobiografie von George Tabori», Wagenbach Verlag, Berlin 2014.
Charles Linsmayer über den «Sommer in Brandenburg» von Urs Faes, Suhrkampf 2014. Die Biografie über Olga Picabia-Mohler «Für immer jung und schön» von Barbara Traber ist eine spannende Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts. Zytglogge Verlag, 2014. Dem «Leben im Quadrat» widmet sich die Schriftstellerin Dagmar Schifferli, Edition 8, Zürich 2014.
Peter Sloterdijks Essayband «Die schrecklichen Kinder der Neuzeit» hat Aufsehen erregt. Wie immer gelingen dem Autor unkonventionelle und erhellende Verknüpfungen der Zeitgeschichte, die zum Nachdenken anregen. Suhrkamp, 2014.
Wer sind die «Wegbereiterinnen der modernen Schweiz», die die Schweiz vränderten? Sie erfahren es in unserem Sachbuchtipp, NZZ Libro Verlag, 2014.
Die Reportage führt Sie diesmal nach Island, nehmen Sie teil an der Kreuzfahrt. Rolf Breiner berichtet.
Noch bis 17. August 2014 ist Carl Andre (*1935 in Quicy, MA, USA) mit «Poems 1958 – 1969» sowie Skulpturen im Museum zu Allerheiligen in Schaffhausen zu sehen. Empfehlenswert!
Carl Andre gehört zu den wichtigsten Bildhauern des 20. Jahrhunderts. Berühmt wurde Andre mit seinen linien- und rasterförmigen Skupturen, mit denen er den Begriff „sculpture as place“ prägte. In den Jahren 1958 – 1965 vor seinem Durchbruch als Bidlhauer widmete er sich intensiv der Poesie, die zur Keimzelle für sein gesamtes künstlerisches Werk werden sollte und integraler Bestandteil senes Schaffens blieb.
Eine Publikation zur Ausstellung ist im Verlag JRP|Rigier erschienen, 144 Seiten, englisch/deutsch. Mit Texten von Lynn Kost, Gavin Delahunty und Valérie Mavridorakis.
Sommerzeit – Lesezeit! Wir wünschen Ihnen anregende Inspirationen mit Literatur & Kunst!
Herzlich
Ihre Ingrid Isermann, Herausgeberin