März/April 2021
Jubiläums-Ausgabe: 10 Jahre Literatur & Kunst 2011-2021
Liebe Kulturinteressierte, Freundinnen und Freunde,
herzlich willkommen auf Literatur & Kunst!
Feiern Sie mit uns, wir stossen an auf Literatur & Kunst. Wir danken Ihnen für Ihr Interesse und Ihre Treue! Seit März 2011 gibt es nun schon das Kultur-Webmagazin Literatur & Kunst, das Sie auf dem laufenden hält, was in Sachen Literatur, Lyrik, Kunst, Photo/Film, Architektur nebst Carte Blanche für Reisetipps, Essays, Ausstellungstipps u.v.a. in der Kulturszene passiert. Die Schweizer Nationalbibliothek hat übrigens www.literaturundkunst.net in ihre Sammlung aufgenommen.
Im Archiv finden Sie auch alle Beiträge der letzten Jahre von namhaften Autorinnen und Autoren. Und es wird genutzt, pro Ausgabe 300.000 internationale User aus der Schweiz, Österreich, Deutschland und GB/USA: pro Doppelausgabe sind es etwa 600.000 Klicks. Aktuell Januar 2021: 335.528 Klicks. Erfreulich ist zudem, dass viele Artikel aus den vergangenen Jahren häufig frequentiert werden. Spitzenreiter sind die Lyriker Bert Brecht und Mascha Kaléko! Lyrik hat eben doch einen langen Atem des Überlebens, auch wenn sie sonst in den Medien keine grosse Rolle spielt. Lyrik ist so bunt und vielfältig wie das Leben! In Russland oder Asien kamen und kommen Lyriker wegen ihrer Texte hinter Gitter, harmlos ist Lyrik keinesfalls. Gute Unterhaltung beim Schmökern durch alle Zeiten…
Bücher sind die guten Geister im Hause
Thomas Hürlimann, «Abendspaziergang mit dem Kater», S. Fischer Verlag, Frankfurt a.M., 2020. Hürlimann, 70, schildert seine Krebserkrankung «Reise ins Innere der Krankheit». Was er in Spitälern in der Schweiz und in Berlin erlebte, fasst er in einem Ranking über Ärzte und Pflegepersonal zusammen, über die differierende Kompetenz der Ärzte und die persönliche Hilfsbereitschaft der Fachpflegenden, oft aus deutschen Landen, ohne die Spitäler zumachen könnten. Die Textsammlung enthält auch wunderbar poetische Essays über die Bergwelt der Rigi, Spurensuche in Galizien, Familienalbum und über seinen Kater, mit dem er durch die Wiesen streunte und der dem schönen Buch den Titel verlieh.
Immer noch aktuell ist Susan Sontag: «Wie wir jetzt leben», Erzählungen, Hanser Verlag, München 2020. Die Kurzgeschichten, zuerst 1984 erschienen, sind in ihrem Furor lebendig geblieben. Die Titelgeschichte über ein unheimliches Virus, das Freunde hinwegrafft und sich rasend schnell ausbreitet, erinnert an Corona. Damals war es Aids, in der Geschichte aber nicht benannt, es dauerte lange bis es eingedämmt wurde und seinen tödlichen Schrecken aufgrund neuer Medikationen verlor. Auch die Kurzgeschichte «Wallfahrt» über ihre Begegnung mit Thomas Mann als Schülerin frappiert mit weitsichtiger, selbstironischer Larmoyanz, die die Texte Sontags so unvergleichlich faszinierend machen.
Lyrikpreis
Die Lyrikerin Liona Happel (*1957) erhielt den Alice-Salomon-Preis. Lyrikband «100 Gedichte» pudelundpinscher Verlag 2017.
Dies ist eine Jubiläums-Ausgabe und deshalb sind auch die Kommentare etwas länger…
Frühling in Sicht
In den USA weht ein anderer Wind seit Joe Bidens Antritt als gewählter 46. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Und er bringt die USA an den Verhandlungstisch zurück, Klimaschutz und Gesundheit stehen zuoberst auf seiner Rangliste. Präsident Biden steht auch hinter der Nato und will die transatlantischen Verbindungen stärken.
Mr. Trump werden die Republikaner wohl nur los, wenn er aufgrund hängiger Steuerdelikte gerichtlich verurteilt würde, die Lüge vom Wahlbetrug widerlegt und sein Angriff aufs Capitol strafbar wird, der zurzeit untersucht wird. Nicht Trump wurde um die Wahl betrogen, sondern er betrog das Volk mit seiner Lüge über den angeblichen Wahlsieg. Das müssen seine Wählerinnen und Wähler zunächst einmal verkraften. Umso schwerer tut sich die republikanische Partei, sich von Trump zu distanzieren, zu gross ist die Identitätsverschiebung geworden. Trump sei immer für «Law & Order» eingetreten. Hier erleben wir die tatsächliche Umkehr der Worte, die eine Umkehr der Dinge bewirkte. Der grosse Fake-Manipulator, vielleicht demnächst einmal gut für eine Netflix-Serie «The assassination of the american constitution»?
SRF kürzt das Kulturprogramm
SRF setzt auf Digitalität, Instagram & Co. und nimmt eine Kürzung der bewährten Kultursendungen in Kauf, um jüngere Zielgruppen zu erreichen. Das beflügelt den digitalen Zeitgeist. Doch haben die vom Steuerzahler unterstützten Institutionen vom Bundesrat auch einen Kulturauftrag zu erfüllen. Die SRG ist nicht von der Quote abhängig, wie private TV- und Radiostationen und verspielt viel Goodwill in der Bevölkerung, die die No-Billag-Initiative der SVP für die SRG ablehnte. Die Kultur ist der Fels in der Brandung, der Garant für Diversität, der uns beschützt und den wir schützen und schätzen sollten. Wie es der Philosoph Alexander Grau im «Spiegel» («In der Angstspirale», Nr. 5/30.1.2021) ausdrückt: «Mit dem Niedergang der Kultur als verbindlichem und überzeitlichem Normierungssystem kehrt jedoch die Angst zurück, die mit der Kultivierung der menschlichen Lebenswelt gebannt wurde, (…) nun durch immer umfangreichere und immer schnellere Modernisierungsfantasien und der entfesselten Lust, auch noch die letzten Restbestände überlieferter Traditionen zu tilgen». Das hat, wie wir wissen, politische Auswirkungen und ruft extreme Gruppierungen auf den Plan.
Rahmenvertrag mit der EU
Einen zweiseitigen Auftritt und Schützenhilfe gegen das Rahmenabkommen gewährte die Neue Zürcher Zeitung am 3. Februar 2021 einer Gruppe namens Allianz «Kompass/Europa», die nun aus der Deckung kommt, in die Lücke des zaudernden Bundesrats springt und agitatorisch Stimmung gegen den Rahmenvertrag mit der EU macht. Dahinter stehen die Gründer des Milliardenkonzerns Partners Group, Baar/ZG (Eldorado für Briefkastenfirmen). Kompass/Europa tritt urban, ohne den Stallgeruch der staatsfeindlich opponierenden SVP auf, betätigt sich aber politisch im Fahrwasser Blochers und sammelt eifrig Gönnerbeiträge von EU-Gegnern, die den von verschiedenen Medien bequem nachgeplappert schon für tot erklärten Rahmenvertrag vollends vom Tisch wischen möchten. Ein Kompass, der im Widersinn keine Navigationshilfe für Europa ist. Doch wie sehr nicht nur Unternehmen einen funktionierenden Rechtsstaat in Coronazeiten schätzen, zeigt sich jetzt in der Krise.
Die Souveränität der Schweiz sei plötzlich infrage gestellt durch den Europäischen Gerichtshof ? Am EuGH sollen etwaige Handelsstreitfälle, die in der Praxis bisher kaum vorkamen, mit neu auch Schweizer Richtern geklärt werden. Doch schon manche Schweizer waren erleichtert, dass ihre Interessen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Gehör fanden, nicht aber bei den Richtern in der Schweiz. Es gilt EU-Recht, wenn wir Normierungen der Gurken, der Schrauben oder der Fensterläden importieren oder exportieren.
Es wird ein vordergründiger Popanz mit der Souveränität aufgebaut, der nichts ausser Angst produziert. Oder geht es nicht eher darum, dass die Finanzjongleure mit ihren Hedgefunds bei Regelübertretungen nicht von der EU überprüft werden und sich alle Freiheiten sichern wollen? In den USA werden die Grossbanken mit Milliardenbussen für ihre Verfehlungen bestraft, darüber wird hier nicht gemuckst… Auch hier ist die Souveränität der Schweiz ein Mythos.
Der Rahmenvertrag ist bis auf wenige strittige Punkte wie Lohnschutz und Unionsbürgerrichtlinie verhandelt. Doch wie sieht es mit dem Lohnschutz in der Schweiz aus? Solange Frauen nicht den gleichen Lohn für gleiche Arbeit erhalten, existiert in der Schweiz kein Lohnschutz. Doch darüber wird nicht in diesem Rahmen gesprochen…
Zum Diskurs: es handelt sich nicht um einen EU-Beitritt, es geht um ein Update der bilateralen Handelsabkommen mit der EU, wie es auf unserem Computer und Smartphone auch die Regel ist. Das ist der Minimalkonsens, zusammen ein Abkommen abzuschliessen, das einen Handelsrahmen des Binnenmarktes umfasst und beiden Seiten gleichermassen dient. Nicht mehr und nicht weniger. Die Schweiz ist massgeblich selbst an guten Handelsbeziehungen für ihre Wirtschaft mit dem grössten Handelspartner, dem europäischen Binnenmarkt, interessiert. Es geht nicht darum, politisch teilzunehmen oder Geld in die EU zu verteilen, weshalb sich die Schweiz ausser des Kohäsionsbeitrags nicht an einer solidarischen finanziellen Mitverantwortung beteiligt, politisch ohnehin nicht.
Die Welt braucht ein neues globales Wirtschaftssystem, sagt der renommierte 92-jährige Linguist und Schriftsteller Noam Chomsky in seinem neuen Buch «Rebellion oder Untergang. Aufruf zum zivilen Ungehorsam zur Rettung der Welt».
Doch in der Schweiz steht alles still. Warum schafft es der (uneinige?) Bundesrat (ist Ueli Maurer/SVP der ambivalente Bremser hinter den Kulissen?) nicht, klar Stellung zu beziehen? Es ist längst an der Zeit, der Bevölkerung, dem Souverän, mitzuteilen, was uns der EU-Handel nützt und einbringt und welche Verluste die Schweizer Wirtschaft ohne Verträge einfahren würde. Alles andere sind billige Spekulationen. Kennen Sie das Bonmot: „Wenn Gott Schweizer wäre, wäre die Schweiz gar nicht erst zur Welt gekommen“. Darum: Hopp Schwiiz, nur Mut!
Wir erleben alle in Coronazeiten, was passiert, wenn die Wirtschaft zusammenbricht und wie sehr wir auf gute Handelsbeziehungen mit unseren Nachbarländern angewiesen sind.
Herzlich Ihre Ingrid Isermann
Was können Sie in der Jubiläums-Ausgabe März/April entdecken?
Maria Popova: «Findungen», Diogenes, 2020. Eine poetische Lektüre, die Visionäre und ihre Erkenntnisse transparent macht und spannende Querverbindungen schafft, vom Astronomen Johannes Kepler bis zur imponierenden Dichterin Emily Dickinson, die 1877 ein Gedicht über die Sonnenfinsternis schrieb und nicht weltfremd war.
Joachim Bessing: «Hamburg. Sex City», Matthes & Seitz, Berlin 2021. Die freizügigen 90er Jahre und Hamburgs Szeneviertel werden lebendig: wie eine junge schwäbische Clique die Hafenstadt mit ihren verruchten Vierteln entdeckt. Foto-Essay von Christian Werner. Ein Must für alle Hamburg-Lover!
Kurt Marti: «Hannis Äpfel», Wallstein-Verlag, Göttingen 2021. Die Gedichte aus dem Nachlass des 2017 verstorbenen Dichterpfarrers Kurt Marti sprechen von Liebe und Tod, zeitlos existenziell berührend,
Anne Carson: «Irdischer Durst», Matthes & Seitz, Berlin 2021. Die kanadische Dichterin ist längst eine Anwärterin auf den Literaturnobelpreis. Hier gibt sie preis, was sie unter dem irdischen Durst versteht, dem Wissenshunger nach Erkenntnis und Liebe.
Post-Surrealist-Künstlerin Eveline Axell. Im Muzeum Susch im Unterengadin findet gegenwärtig eine Ausstellung mit den Werken Eveline Axells statt. Julieta Schildknecht stellt die früh verstorbene und zu entdeckende Künstlerin in ihrem Beitrag vor.
Die vielbeschäftigte Schweizer Schauspielerin Regula Grauwiller musste wegen Corona einige Projekte aufs Eis legen. Wie ihre nächsten Pläne aussehen, erfahren Sie im Gespräch mit Rolf Breiner. Aktuelle Filmtipps.
Architekturtipps: «Barockstadt Zürich», Scheidegger & Spiess, 2021; «Situated Objects», Park Books, 2021; «Das neue Kunsthaus», Scheidegger & Spiess, 2021; «Deutsches Architektur-Jahrbuch», DOM publishers, Berlin 2020. «ANGELO CANDALEPAS – Buildings and Projects», Park Books 2021.
widescreen: Yayoi Kusama, «Infinity Mirror Room – Phalli’s Field», 1965. Ausstellung Gropius Bau, Berlin vom 19. März-1. August 2021. Grosse Retrospektive der weltberühmten Künstlerin, die in der New Yorker Avantgarde-Szene der 60er-Jahre Karriere machte. In Tokio hat die 91-jährige seit 2017 ein eigenes, fünfstöckiges Museum.
Alfons Kaiser: «Karl Lagerfeld. Ein Deutscher in Paris», Beck-Verlag, München 2021. Marion Löhndorf hat den schillernden Modezar in ihrem eloquenten Beitrag unter die Lupe genommen.
Eveline Braun: «Die Interiewerin», Xanthippe-Verlag, Zürich 2021. Die begnadete Interviewerin und ihre brillanten Freigeister sind die Protagonisten in der köstlichen Rezension von Ingrid Schindler. Lesen!
Martin Suter/Benjamin von Stuckrad-Barre: «Alle sind so ernst geworden», Diogenes 2021. Das Buch stand schon kurz nach Erscheinen auf der Bestsellerliste, kein Wunder bei der Plauderei der beiden bekannten Schriftsteller, denen man gerne zuhören wollte. Das tat auch unsere Rezensentin Ingrid Schindler und schenkte der Plauderei mit Ironie und Satire gerne Gehör.
«Lockdown in Paris», ein Tag in der französischen Metropole im Lockdown! Ein spritziger, aber auch etwas wehmütiger Erfahrungsbericht von Ingrid Schindler, die wohl den Zug, nicht aber die Zugkraft von Paris verpasste.
George Orwell: «1984», Manesse Verlag, München 2021. Die totale Überwachung machte George Orwell 1948 zum Thema mit dem Titel «1984», wo vieles vom digitalen Szenario schon Wirklichkeit geworden ist. Der Text ist unglaublich spannend und aktuell!
Ray Bradbury: «Fahrenheit 451», Diogenes 2020. Bradbury schrieb seinen Text in wenigen Wochen im Jahre 1953, das Buch wurde von Truffaut verfilmt. Die autoritäre Überwachungsmacht ist auch heute ein brennendes Thema.
Wir wünschen Ihnen einen wunderbaren Frühling, bleiben Sie zuversichtlich, sich selbst und uns treu mit Literatur & Kunst!
Herzlich
Ihre Ingrid Isermann, Herausgeberin