Mai/Juni 2022
Liebe Literatur- und Kunstinteressierte, liebe Freundinnen und Freunde, herzlich willkommen auf Literatur & Kunst!
Macron stärkt die EU
Emmanuel Macron schaffte die Wiederwahl, was seinen Vorgängern Sarkozy und Hollande nicht gelang. 58,5 Prozent der Französinnen und Franzosen stimmten am 24. April 2022 für eine zweite Amtszeit von fünf Jahren des 44-jährigen Präsidenten Frankreichs. Die rechtspopulistische Marine Le Pen kam auf 41,2 Prozent der Wählerstimmen, ein deutliches Ergebnis für Macron, der sich für die Europäische Union stark macht, im Gegensatz zu Le Pen. Macron versprach, der Spaltung in der Gesellschaft entgegenzuwirken.
Wladimir Putin ist kein Judoka
Das sagt das japanische Kampfsport-Idol Yasuhito Yamashita. Das IJF hat Putins Ehrenpräsidentschaft aufgehoben, „der Geist des Judo hat Putin nicht erreicht“ betreffs Fairness gegenüber dem Gegner und dem „sanften Weg“ des Kampfes (NZZ am Sonntag, 17.4.2022). Denn Russland ist in die Ukraine einmarschiert und hat alle Regeln des Völkerrechts eines souveränen Staates und die Menschenrechte verletzt, bombardiert zivile Häuser, Spitäler und Schulen und tötet Zivilisten. Putin wollte Stärke demonstrieren und es kommt nur Schwäche des illegitimen Kriegs heraus. Die Kriegsverbrechen gegen die Menschlichkeit werden wie die Balkan-Kriegsverbrechen vor den Gerichtshof in Den Haag kommen.
Und es wirft die Frage auf, kann man mit einem Despoten, einem widerwärtigen Diktator wie Putin reden? Die Motive des 70-jährigen Putin sind klar, er will sich nach zwanzigjähriger Herrschaft die Ukraine in Russland einverleiben.
Millionen von Menschen sind seit Kriegsbeginn 24. Februar 2022 geflohen, nach Polen, Rumänien, in die umliegenden Länder, auch zu uns in die Schweiz.
Wenn 1944 die Alliierten nicht eingegriffen hätten, und der Diktator sich in ganz Europa durchgesetzt hätte, wäre eine Demokratie wie wir sie heute kennen, nicht möglich gewesen. Denn sie steht erneut auf dem Spiel: die Demokratie gegen die Autokratie. Demokratie und die Mitsprache des Volkes ist nicht selbstverständlich, und sie passt Autokraten nicht. Wer die Freiheit und Rechtsstaatlichkeit und seine Kinder und Enkel in Frieden aufwachsen sehen will, steht auf der Seite der Demokratie. Und sie müssen wir verteidigen, auch wenn wir selbst Verluste in Kauf nehmen müssen. Das Ölembargo muss kommen. Und die Ukraine verdient jede Unterstützung gegen den Aggressor Russland. Die UNO sollte Friedenstruppen in die Ukraine schicken. Die Welt wird nicht mehr dieselbe sein wie vorher.
Die Vorzeichen des Überfalls in die Ukraine waren der Separatistenkrieg im Donbass und die Annektion der Krim 2014 sowie die Georgien- und Tschetschenienkriege 2008. Putin gefällt es zudem, mit dem Einsatz von Atombomben zu drohen. Dass auch die russische Föderation bei einem Atomrückschlag akut bedroht wäre, wird zu wenig betont. Ein Atomkrieg ist für alle die grösstmögliche Vernichtung. Russland und die USA verfügen über je etwa 6.000 Atomköpfe. Eine Atombombe würde genügen, um Europa in Schutt und Asche zu legen. Wozu braucht es 12.000 Atombomben? Eine Abrüstung ist dringend nötig.
Ist die unbegrenzte Aufrüstung wirklich die einzige Antwort auf Kriegsaggressionen? Sollten wir nicht im 21. Jahrhundert darüber nachdenken, den Krieg, ein Anachronismus, generell zu verbieten und die Waffenproduktion einzustellen inkl. Atomwaffen? Wie sieht es damit aus? Oder will sich die Menschheit gegenseitig umbringen und als nächstes den Krieg in den Weltraum verlegen? Was für eine Welt! Wir dürfen unseren wunderbaren Planeten im schwarzen Weltall nicht den Autokraten überlassen. Wir müssen Schritt für Schritt mit wehrhafter Demokratie die Waffen strecken, eines hoffentlich nicht zu fernen Tages! Wieviel Energie für das Leben, nicht für den Tod, würde freiwerden und uns alle darin vereinen, unseren Erdtrabanten zu schützen, die einzige Heimat, die wir haben.
1. Mai 2022 Ihre Ingrid Isermann
Die Tyrannei des Bösen – welche Rolle spielen die Medien?
Der russische Präsident Wladimir Putin gratuliert Amerika nicht zum Unabhängigkeitstag
am 4. Juli 2022 wegen ‘feindlicher Bemerkungen zu Russland’. Das ist den Medien eine Meldung wert. Eine Meldung wäre es wert, wenn der russische Präsident den USA zur Unabhängigkeit gratulieren würde. Nicht umgekehrt.
Nach der massiven Desinformation in russischen Medien über den Ukraine-Krieg wirkt der Kreml-Chef von Mal zu Mal zufriedener, je mehr die Meldungen russische Landeroberungen bestätigen und die russischen Truppen vorrücken. Es scheint, sie spielen auf Zeit und richten sich auf eine lange Kriegsdauer ein. Die Rapporte des russischen Kommandanten kommentieren die Kriegsziele als harmlose Nachrichten, zum Beispiel wird der russische Rückzug von der Schlangeninsel als ‘noble Geste’ zelebriert, während gleichzeitig fortwährend zivile Ziele gnadenlos bombardiert werden. Die Auslöschung eines souveränen Staates und seiner Nation, die Ukraine, erinnert an die Zeit des Faschismus mit Rassengesetzen und Antisemitismus. Dass Kriegsnachrichten unkommentiert übernommen und die Medien als Durchlauferhitzer missbraucht werden und dies zulassen, ist ein Ärgernis sondergleichen. Dass auch die schlimmste Tyrannei nicht ewig währt, ist dabei ein schwacher Trost.
4. Juli 2022 Ihre Ingrid Isermann
«Das System, das Putins Männer erschufen, war ein hybrider KGB-Kapitalismus, der auf die Anhäufung von Vermögen ausgerichtet war, um damit Amtsträger im Westen zu kaufen und zu korrumpieren. Die westlichen Märkte begrüssten den neuen Reichtum, der aus Russland kam, und schenkten den kriminellen Vereinigungen und KGB-Kräften, die dahintersteckten, wenig Beachtung. Der KGB hatte sich schon vor langer Zeit mit dem organisierten Verbrechen in Russland verbündet, kurz vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion, als wertvolle Metalle, Öl und andere Rohstoffe im Wert von mehreren Milliarden Dollar vom Staat in Unternehmen verschoben wurden, die mit dem Geheimdienst in Verbindung standen. Unter Jelzin hielten sich die KGB-Kräfte eine Zeit lang im Hintergrund. Doch als Putin an die Macht kam, wagte sich die Allianz zwischen dem KGB und dem organisierten Verbrechen wieder hervor und zeigte ihre Zähne.
Die Schwäche des westlichen Kapitalismus, in dem Geld letztendlich alle Bedenken überwog, hat das System weit für die Manipulationen des Kreml geöffnet».
Catherine Belton
Catherine Belton berichtete von 2007 bis 2013 für die Financial Times aus Moskau und arbeitet für die Nachrichtenagentur Reuters. Ihr Buch «Putins Netz» (siehe Archiv Literatur&Kunst 03/2022) wurde als bestes Buch des Jahres u.a. von The Economist, Financial Times nominiert.
Wir empfehlen Ihnen zwei aktuelle politische Schweizer Neuerscheinungen:
Das «Handbuch der Schweizer Politik», ein aktualisierter Klassiker zur Schweizer Politik, behandelt in systematischer Form die direkte Demokratie, den Föderalismus, die Konkordanz, aber auch das weltweit einzigartige Regierungssystem der Schweiz mit einem Kollegialgemium. NZZ-Libro Verlag, 2022.
«Wer finanziert die Schweizer Politik?» Auf dem Weg zu mehr Transparenz und Demokratie. Die Politikfinanzierung in der Schweiz ist ein gut gehütetes Geheimnis. Peter Buomberger und Daniel Piazza leuchten mit ihrem Buch diese Blackbox aus. NZZ-Libro Verlag, Zürich 2022.
Die deutsche Journalistin, Buchautrin und Moderatorin des ZDF-heute journals, Marietta Slomka erklärt in ihrem Buch «Nachts im Kanzleramt. Alles, was man schon immer über Politik wissen wollte», Droemer-Verlag, 2022. Ob Klimawandel, Koalitionsverhandlungen oder Corona-Krise. Was sind die Voraussetzungen einer funktionierenden Demokratie? Welche Rolle spielen bei allem die Medien? Welchen Nutzen hat die Europäische Union? Themen, die auch Schweizer:innen interessieren dürften. Das Buch steht kurz nach Erscheinen bereits auf der „Spiegel“-Bestsellerliste.
Was können Sie im Mai/Juni auf Literatur & Kunst entdecken?
Sofia Oksanen: «Hundepark», Kiepenheuer & Witsch, 2022. Die finnische Starautorin beleuchtet die Leihmutterschaft in der Ukraine. Nach der Auflösung der Sowjetunion spielt die Ukraine mittlerweile in Europa eine führende Rolle für Leihmütter. Wie es begann und was für Machenschaften hinter den Kulissen der Kinderwunschindustrie stecken, erfahren Sie in diesem spannenden Thriller.
Entdecken Sie neue Lyrik! Tamara Štajner: «Schlupflöcher», Diogenes, 2022. Ein virtuoser Debütband mit Zugang per QR zu melodischen Gedichten.
Simone Lappert: «längst fällige verwilderung», Diogenes, 2022. Bekannt wurde die Schweizer Autorin mit ihrem Buch «Der Sprung», hier stellt sie sich Ihnen als Lyrikerin vor.
Bice Curiger: «C is for Curator». Verlagsbuchhandlung Walther König, Köln 2022. Eine fabelhafte Arbeitsbiografie der Basler Kunsthistorikerin Dora Imhof, die Curiger in all ihren Facetten spiegelt. Eine kulturgeschichtliche Trouvaille!
Photo/Film: Gespräch von Rolf Breiner mit der vielseitigen Zürcher Schauspielerin (Tatort & Netflix) Ruth Braunschweig.
Alice Schwarzer. Ein Film über ihr Leben. Aktuelle Filmtipps.
Architektur-Buchtipps: «Architektur als Werkstatt», Park Books, 2022.
Francis Kéré: «The Momentum of Light», Lars Müller publishers, 2021.
«DDR-Plattenbauten», DOM publishers, Berlin 2022.
widescreen: Xenia Hausner TRUE LIES, Blind Date, Museum Franz Gertsch, Burgdorf.
Ausstellung 19.03.-28.08.2022.
Krimi-Buchtipps: Seraina Kobler «Tiefes, dunkles Blau», ein Zürich-Krimi mit Tiefgang, über Genforschung und das Rotlichtmilieu. Diogenes, 2022.
Raymond Chandler: «Der grosse Schlaf», Diogenes, 2022. Der amerikanische Kult-Autor schuf die Figur des Privatdetektivs Philipp Marlowe, die mehrfach verfilmt immer noch fasziniert.
Donna Leon: «Milde Gaben», Diogenes, 2022. Commissario Brunettis 31. Fall wird schon sehnsüchtig von seinen Fans erwartet. Der brandneue Krimi kommt zur richtigen Zeit!
Jonathan Lee: «Der grosse Fehler», Diogenes, 2022. Über New York City, erfüllte Träume und verpasste Liebe. Eine fundierte Rezension von Ingrid Schindler.
Patricia Highsmith: «Ladies». Frühe Kurzgeschichten, tiefgründig, surreal und einzigartig, kompetent vorgestellt von Ingrid Schindler.
Ausstellungen: Latifa Echakhch vertritt die Schweiz an der 59. Biennale di Venezia im Schweizer Pavillon mit ihrem Projekt «The Concert».
Heidi Bucher: «Metamorphosen» im Kunstmuseum Bern. Eine Entdeckung!
Die Galerie Hauser & Wirth präsentiert die Ausstellung «Seventy Years of the Second Sex. A Conversation Between Works and Words», kuratiert von Dr. Sophie Berrebi, basierend auf dem Werk von Simone de Beauvoir «Das andere Geschlecht».
Im Kunsthaus Zürich erleben Sie «Kunst + Medizin. Take Care», Was Künstler:innen über Medizin wissen und was Sie wissen sollten.
Wir wünschen Ihnen einen schönen Sommer mit Literatur & Kunst. Im September sehen wir uns wieder! Bleiben Sie gesund und zuversichtlich!
Ihre Ingrid Isermann, Herausgeberin