FRONTPAGE

Editorial Nr. 102

Editorial

Mai/Juni 2024

 

Liebe Kunstinteressierte, Freundinnen und Freunde von Literatur&Kunst, herzlich willkommen!
 
Wir begrüssen Sie herzlich zu Literatur&Kunst. Der Frühling und die wunderbar blühende grüne Natur hat uns wie immer bezaubert, wir sollten sie schätzen und schützen auf unserem einzigartigen Planeten.  Auch wenn die Weltlage ernst ist, hoffnungslos ist sie nicht. Wir werden weiterhin mit Zuversicht an der Aufklärung und Information arbeiten und mit Literatur&Kunst Dinge und Zusammenhänge erhellen.

 

Despoten scheren sich nicht um den Frieden in der Welt, wie das Mullah-Regime im Iran, das im April 2024 erstmals direkt mit Hunderten von Raketen und Drohnen Israel angriff. Wie weiter in der verfahrenen Situation? Der israelische Schriftsteller Edgar Keret (*1967) erklärt, dass die «einzige mögliche Veränderung wäre, diese katastrophale Führung durch eine zu ersetzen, die der chaotischen Realität, in der wir gefangen sind, überdrüssig ist. Eine neue Führung, die sich nicht scheut, nach einer besseren Zukunft zu streben – auf beiden Seiten der Grenze». (NZZ, 24.4.2024). Und warum erhebt das palästinensische Volk nicht seine Stimme gegen die Hamas?
 
Und wie konnte es so weit kommen, dass Kriegstreiber Russland seit seinem Angriffskrieg im Februar 2022 Tag und Nacht Bomben auf die Ukraine regnen lassen kann? Nicht zuletzt hilft ein Blick in die Vergangenheit. Ein Artikel aus dem Magazin «Spiegel» Nr. 21, 21. Mai 2007, fiel mir wieder in die Hände:
 
«Die neue Eiszeit», titelte der «Spiegel» im Mai 2007: «Die Kanzlerin ist enttäuscht, der Aussenminister sagt: Die Dinge haben sich verkantet. Das aggressive Auftreten Wladimir Putins spaltet Europa – und die Grosse Koalition. Die von Frank-Walter Steinmeier propagierte Politik der «Annäherung durch Verflechtung» droht zu scheitern. Der Putin, der den Europäern in diesen Tagen gegenübertritt, ist aggressiver denn je. Es ist nicht mehr der Mann, der im September 2001 im Berliner Reichstag den «Geist der Freiheit und des Humanismus» beschwor und um die Freundschaft der Europäer und Deutschen warb. «Russland hegte gegenüber Deutschland immer besondere Gefühle», rief er damals. Der Putin des Mai 2007 verdichtet in seiner Person den geballten Machtanspruch des russischen Grossreichs, das allein schon wegen seines Atomwaffen-Arsenals und als Veto-Macht im Weltsicherheitsrat eine globale Führungsrolle einnehmen will. Dieser Putin hat das Milchglas der beruhigenden Worte und konzilianten Gesten bewusst zertrümmert und tritt unverstellt als rücksichtloser Vertreter russischer Grossmachtinteressen auf».

 

2014 folgte die Krim-Annektion sowie die Besetzung der ukrainischen Ostgebiete, seit Februar 2022 bombardiert Putin im völkerrechtswidrigen Angriffskrieg die Ukraine. Putin, zunehmend kafkaesker, hat, nachdem er von Den Haag wegen Kriegsverbrechen zur Fahndung ausgeschrieben wurde, nun seinerseits Selensky zur Fahndung ausgeschrieben sowie die angedrohten Atombomben ins Trainingsprogramm aufgenommen. 

Dazwischen liegt Nord Stream 2, die Pipeline, die nie zur Anwendung kam und Milliarden kostete. War man mit Blindheit geschlagen? Doch auch jetzt gibt es sie noch, die Putin-Versteher, die die USA und die Nato zu den Schuldigen für Putins Aggressionen machen wollen, die das Ziel haben, die Ukraine zu vernichten. Die Osteuropäer hatten in der damaligen Sowjetunion erlebt, was es heisst, unter Russland ohne Meinungsfreiheit und in einer Diktatur zu leben. Alle diese Staaten haben sich nach dem Zusammenbruch der UdSSR 1991 freiwillig der Nato angeschlossen, wie auch Finnland und Schweden nach Putins Angriffskrieg auf die Ukraine, um sich gegen russische Angriffe wappnen zu können.

 

Die tschechische Regierung gab Ende März 2024 bekannt, ihr Geheimdienst BIS habe die in Prag ansässige Nachrichtenwebsite «Voice of Europe» als Instrument russischer Propaganda enttarnt, deren Inhalt vollständig von Russland kontrolliert und finanziert sei. Politische Akteur:innen in Europa wären für prorussische Statements bezahlt worden, um die territoriale Integrität, Souveränität und Freiheit der Ukraine infrage zu stellen. Das passt zu den jüngsten Enthüllungen über die AfD, deren Politiker unter Verdacht stehen, Geld von Russland erhalten zu haben, um eine russlandfreundliche Politik sowie Spionage zu betreiben.  Im Namen der Freiheit, der Solidarität und des Friedens ist es unerlässlich, die Ukraine weiterhin zu unterstützen. Man wird sehen, wie sich die Ukraine-Friedensinitiative der Schweiz auf dem Bürgenstock im Juni 2024 entwickeln wird, an der verschiedene Staaten, jedoch nicht Russland, teilnehmen werden. Apropos: Nichts währt ewig, und das gilt auch für Autokraten und Despoten.

 
Grand Merci an die Schweiz für die Durchführung ihrer Friedeninitiative in der Zentralschweiz auf dem Bürgenstock am 15. und 16. Juni 2024, an der 92 Staaten und 8 internationale Organisationen teilnahmen und 80 Länder das feuerspeiende Russland Putins für den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine verurteilt haben bzw. «das Bekenntnis zum Verzicht auf die Androhung oder Anwendung von Gewalt gegen die territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit eines Staates» im Schlusscommuniqué festhielten. Das Engagement der Schweiz von den Bundesräten Viola Amherd und Ignazio Cassis fand grosse Anerkennung, nur der autokratenhörige Miesmacher SVP mäkelte, dass Putin nicht teilgenommen habe. Das hingegen war ein Vorteil, da man so weltweit dem Kriegstreiber, der mit Cyberattacken gegen die Konferenz auf dem Bürgenstock reagierte, die Realität vor Augen führte. Die Unterzeichner der Erklärung forderten auch, dass das von «russischen Truppen besetzte Atomkraftwerk Saporischja geschützt wird», und sie verurteilten «jede Androhung des Einsatzes von Atomwaffen». Darüber hinaus setzten sich die 80 Staaten für «ungehinderte Getreideexporte aus der Ukraine» ein. Ausserdem forderten sie den «Austausch von Kriegsgefangenen und die Rückkehr von nach Russland verschleppten Kindern». Es wäre schön, wenn dieser Auftakt einer Friedeninitiative der Beginn des Endes des Ukraine-Krieges wäre, mit «der Einbeziehung und dem Dialog zwischen allen Parteien, um Frieden zu schaffen», wie es im Bürgenstock-Communiqué von den Unterzeichnern heisst.
Ingrid Isermann, 17. Juni 2024

 

Forschen verboten. Das 2005 gegründete Deutsche Historische Institut in Moskau muss schliessen. Die Säuberungswelle in Russland trifft eine weitere wichtige unabhängige Organisation. Seit 17. Juni 2024  (sic!) ist die Arbeit des Instituts, die deutsche und russische Wissenschaftler vernetzte, faktisch «als unerwünschte ausländische Organisation» verboten, da die Forschungsprojekte über deutsch-russische Themen und der Austausch von Historikern aus Europa und Russland  «die politische Stabilität und Souveränität Russlands wie auch die öffentliche Ordnung, die Gesundheit und die Moral der Russen gefährden». Bereits zwölf Einrichtungen aus den USA wurden verboten, mittlerweile wird die Liste jede Woche länger an europäischen Stiftungen und Organisationen.  Das Auswärtige Amt in Berlin kritisierte die Entscheidung der russischen Behörden und schrieb auf X:«Dass Russland das Institut zur <unerwünschten Organisation> erklärt, zeigt erneut Putins Angst vor einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Geschichte». Der toxische Staat nimmt den Freidenkern im Land immer mehr Raum. Selbst den, den sie im Ausland für sich finden. (NZZ, 21.6.2024). Die Argumente erinnern an die DDR für den Mauerbau. 22. Juni 2024.

 

Währenddessen spielt die FDP die Opposition in der gemeinsamen Ampelregierung und setzt ihre Partner mit einer neuen Wirtschaftsstrategie unter Druck, die weder im Koalitionspapier steht noch wegen des geplanten Sozialabbaus Aussicht auf Erfolg hat; die Schuldenbremse trotz Innovationsproblemen lässt die FDP vornehm aussen vor. Eine Anbiederung an die CDU, die aber im Falle eines Auseinanderbrechens der Ampel ohnehin nur mit der SPD oder den Grünen regieren könnte, die wohl beide auch kaum mehr mit der FDP (4 Prozent Wähleranteil, April 2024) zusammengehen würden. Wie sagte Christian Lindner einst: „Lieber nicht regieren als schlecht regieren“. Ob er seinen eigenen Ratschlag befolgt? Und wie sagte Corinna Harfouch, Schauspielerin (Film «Sterben»): «Die Angstmacher sind die grössten Angsthasen». Die Angst vor dem Fremden bestimmt die europäische Migrationspolitik, die an die Überführung von Migranten in Drittländer wie Ruanda denkt. Warum nicht nach Russland, im grössten Land der Welt ist noch viel Platz.

 
Eine aktuelle globale Studie des amerikanischen Meinungsforschungsinstitutes Pew Research Center zeigt, dass die Demokratie weltweit an Anziehungskraft verliert. Der Rechtsnationalismus und Rechtsextremismus gewinnt an Einfluss. Warum? Die Demokratie ist der langsamere Weg der Meinungsbildung, mit ihren Bürokratien und fortwährendem Aushandeln, mit unzähligen Interessengruppen, die mitreden und blockieren können. So zeigte mir ein Taxifahrer in Dubai stolz die Errungenschaften der himmelsstürmenden Architektur, die ohne langwierige Einsprachen errichtet wurden, wo Demokratie nur hinderlich wäre, wie er sagte.  So erscheinen nicht die Anhänger des Autoritären überfordert von der Welt, sondern die liberalen Demokratien, die mit Selbstgewissheit vorgeben, nach wie vor das beste aller Systeme zu sein. Doch gilt es zu beweisen, dass die Demokratie dem autoritären System überlegen ist und somit eine Antwort auf den Rechtsruck zu finden ist, beispielsweise mit mehr Bildungsprogrammen, mehr Regulierung des Internets, Symbolpolitik auf den Strassen und das Ausschöpfen verfassungsrechtlicher Mittel. «Die autoritäre Versuchung», DIE ZEIT, Nr. 18, 25. April 2024.

 
Sind wir mehr als nur Atome?

Die Astrophysikerin Sabine Hossenfelder (*1976),  Research Fellow am Frankfurt Institute for Advanced Studies, betreibt auf YouTube einen beliebten eigenen Kanal mit Videos zu Themen der Wissenschaft. In ihrem Buch «Mehr als nur Atome» erklärt sie, was die moderne Physik über die grossen Fragen des Lebens sagen kann. Existiert die Vergangenheit noch oder die Zukunft schon? Wie ist das Universum entstanden? Wie hört es auf? Wieso sind die Naturgesetze so und nicht anders? Kann Information aufhören zu existieren? Was sagt die Physik über den freien Willen? Physiker, so meint die Wissenschaftstheoretikerin Sabine Hossenfelder, sind gut darin, schwierige Fragen zu beantworten, aber nicht gut darin, zu erklären, warum diese Bedeutung für uns alle haben. Die Grenze zwischen Wissen und Nichtwissenkönnen der existenziellen Fragen zur Quantenmechanik oder zum Multiversum zeichnet die Autorin lakonisch, unterhaltsam und kenntnisreich nach.
Sabine Hossenfelder. Mehr als nur Atome. Was die Physik über die Welt und das Leben verrät. Aus dem Englischen von Monika Niehaus-Osterloh und Bernd Schuh. Mit Abbildungen. Siedler Verlag, München, 2023. ISBN 978-3-8275-0166-0.

 

Wie sieht die Welt von morgen aus?
«In «Die Welt von Gestern» schildert Stefan Zweig das kosmopolitische Europa vor 1914. Als er seine Erinnerungen niederschreibt, existiert es nicht länger, «weggewaschen ohne Spur» von der faschistischen Barbarei. Zweig stirbt 1942. Europa bekommt nach 1945 eine zweite Chance. Visionäre gründen ein epochales Friedensprojekt, die Grenzen fallen und der Nationalismus weicht der Kooperation. Doch dieses Projekt ist bedroht durch demokratische Defizite. In einigen Mitgliedstaaten schüren Politiker einen neuen Nationalismus. Europa steht wieder am Scheideweg. Wie wird die Welt von morgen aussehen?»
Robert Menasse erklärt und verteidigt in seinem neuen Buch «Die Welt von morgen» die europäische Idee, lädt aber auch dazu ein, die systemischen Widersprüche der Europäischen Union zu kritisieren und zu überwinden. Entweder gelingt das historisch Einmalige, nämlich der Aufbau einer nachhaltigen Demokratie, oder es droht ein Rückfall in das Europa der Nationalstaaten. Es wäre eine weitere Niederlage der Vernunft mit den Gefahren und Konsequenzen, die aus der Geschichte bekannt sein sollten.
Robert Menasse. Die Welt von morgen. Ein souveränes demokratisches Europa – und seine Feinde. Suhrkamp Verlag, 2024. ISBN 978-3-518-43165-8.

 

 

«Das Gute – dieser Satz steht fest – ist stets das Böse, was man lässt!»

Dieser Vers steht in einem kleinen Büchlein, das Wilhelm Busch (1832-1908) verfasst hat. Er war einer der einflussreichsten, humoristischen Dichter und Zeichner Deutschlands. Die Sprüche des volkstümlichen Humoristen blieben bis heute populär.  Wer kennt nicht den Ausspruch «Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr» oder «Dieses war der erste Streich, doch der zweite folgt sogleich».  Der Insel Verlag hat just ein Büchlein mit seinen Versen und einer ausführlichen Biografie vom Dichter selbst herausgebracht:
Wilhelm Busch. «Wer Sorgen hat, hat auch Likör».  Insel Verlag, 2024. ISBN 978-3-458-20535-7
1. Mai 2024  Ihre Ingrid Isermann

 

La Biennale di Venezia 2024 – «Foreigners everywhere»

The 60th International Art Exhibition in Venice will take place from Saturday 20 April to Sunday 24 November, 2024, curated by Adriano Pedrosa. “I am honored and humbled by this prestigious appointment, especially as the first Latin American to curate the International Art Exhibition, and in fact the first one based in the Southern Hemisphere”, Pedrosa commented.

Adriano Pedrosa (Brazil) is currently the artistic director of the Museu de Arte de São Paulo Assis Chateaubriand – MASP, where he has curated many exhibitions, including Histories of Dance (2020) and Brazilian Histories (2022). He has recently been appointed the 2023 recipient of the Audrey Irmas Award for Curatorial Excellence, that was presented to him by the Center for Curatorial Studies at Bard College, New York.

 
ATONEMENT – Der Tanz der Choreografin: Ballett von Cathy Marston nach dem gleichnamigen Roman von Ian McEwan im Opernhaus Zürich.
 
Für die Ballettdirektorin Cathy Marston ist Literatur eine wichtige schöpferische Quelle ihrer choreografischen Arbeit, und mit Ian McEwans «Atonement» (Abbitte) hat sie einen Stoff übernommen, der reich an Figuren und Erzählebenen eine Herausforderung bedeutet. An der Uraufführung im Opernhaus Zürich am Sonntag, den 28. April 2024 gab es Standing Ovations für den persönlich anwesenden Autor und die gelungene Ballettaufführung. 

 

Ian McEwan, *1948, zählt zu den bedeutendsten Stimmen der zeitgenössischen englischen Literatur. In seinem Erfolgsroman «Atonement» (2001) erzählt er von der lebenslangen Sühne einer frühen Schuld. Durch eine bewusste Falschaussage bringt Briony Tallis (Inna Bilash), eine pubertierende Autorin im England der 1930er-Jahre, den anscheinend nicht standesgemässen Verehrer Robbie Turner (Brandon Lawrence) ihrer älteren Schwester Cecilia (Max Richter) ins Gefängnis und zerstört das Leben und die Liebe zweier Menschen. Obwohl sie den beiden Liebenden in einem Roman zu dem Glück verhilft, das ihnen im Leben nicht vergönnt war, gelingt es Briony Tallis nicht, selbst Vergebung für ihr Vergehen zu erlangen. McEwans Roman ist mehr als eine tragische Liebesgeschichte vor zeitgeschichtlichem (Kriegs)Hintergrund. In ihrer ersten Neukreation für das Ballett Zürich verlegt Ballettdirektorin Cathy Marston gemeinsam mit ihrem künstlerischen Partner Edward Kemp das Geschehen von «Atonement» in die Ballettwelt. In ihrer Adaption wird Briony Tallis zur gefeierten Choreografin, die die schicksalhaften Verfehlungen ihrer Jugend in ihren Tanzstücken zu verarbeiten sucht. Cathy Marston reflektiert in ihrem grossen Handlungsballett über die kleinen und grossen Selbsttäuschungen, die unsere Erinnerungen prägen, und über den schwierigen Umgang mit Schuld. Die Musik zu «Atonement» entstand als Auftragskomposition der namhaften englischen Komponistin Laura Rossi. Am Pult der Philharmonia Zürich steht Jonathan Lo, der Musikdirektor des Australian Ballet.
Vorstellungen 1,12, (14/20 Uhr), 14, 23, 30 Mai; 1, 2, 7 Juni 2024 opernhaus.ch

 

Neue Ausstellung im Pavillon Le Corbusier: «Lucien Hervé – Gebautes Licht»

2024 zeigt der Pavillon Le Corbusier von Anfang Mai bis Ende November am Zürcher Seebecken Fotografien von Lucien Hervé. Arbeiten, die auf das Werk des Architekten Le Corbusier zwischen 1948 und 1965 fokussieren und in einem Dialog mit den Bauten anderer Architekten stehen.

Für Le Corbusier war das Bild seines eigenen Werks von grosser Bedeutung. Die Fotografie stand hierbei im Mittelpunkt seines Interesses. Als Lucien Hervé den Architekten 1949 zum ersten Mal traf, fiel Corbusier die minimalistische Bildsprache des Fotografen als neue Dimension für die Verbreitung seiner Architektur ins Auge. Die Ausstellung «Gebautes Licht» zeigt sowohl bekannte wie auch bisher unveröffentlichte Fotografien aus dem Werk Hervés. Ergänzt werden sie durch Originaldokumente, wie Briefe zwischen Le Corbusier und Lucien Hervé, von dokumentarischen Fotografien sowie Publikationen.

Eine sehenswerte Ausstellung und historische Zeitreise und Beispiele einer meisterlichen Fotografie vom Zusammenspiel von Licht und Schatten, von Mustern und Strukturen, von Raum und Volumen und nicht zuletzt vom Platz des Menschen in der Architektur. Begleitpublikation erhältlich im Museumsshop.
Veranstaltungen pavillon-le-corbusier.ch
Pavillon Le Corbusier, Höschgasse 8, 8008 Zürich
 

 

Premiere Oper «Carmen» von George Bizet im Schiffbau mit einer überragenden Katia Ledoux.

Moved by the Motion in der unkonventionellen Inszenierung von Wu Tsang zeigt fliessend zwischen Sprache, Tanz, Bild und Gesang mit einem multidisziplinären Ensemble eine Ode an Carmen in all ihren rebellischen Formen. In Zusammenarbeit mit Autorin Sophia Al-Maria und Komponist Andrew Yee gräbt Moved by the Motion das vielschichtige Erbe von Carmen in einer genreübergreifenden Adaption aus, indem Dialoge aus Bizets ursprünglicher Opéra-Comique mit einer zeitgenössischen Nebenhandlung verwoben eine Geschichte erzählen, die Zeiten transzendiert zwischen einem fiktiven Sevilla des 19. Jahrhunderts und der Gegenwart. Mérimées Erzähler, ein Archäologe (Perle Palombe) wird zur Doktorandin der Universität von Sevilla, (Zuniga/Professor Alicia Aumüller), untergebracht in der ehemaligen Tabakfabrik aus dem 19. Jhd., die nach einer Grabstätte aus der Zeit des Spanischen Bürgerkriegs sucht. In der Titelrolle der Carmen brilliert Katia Ledoux während auch Ryan Capozzo als Don José und Gegenspieler des Stierkämpfers Escamillo (Steven Sowah) das Publikum begeisterten. PERFORMED by COLLEGIUM NOVUM orchestra, dirigiert von Jonathan Palmer Lakeland. 
Weitere Vorstellungen: Montag, 6. Mai 2024. www.schauspielhaus.ch/de/programmheft/carmen

 
Schauspielhaus Zürich Spielzeit 2024/2025:
Ulrich Khuon, Interimsintendant und Brückenbauer für eine Spielzeit voller einzigartiger Theateraugenblicke und eigener Akzente.

An einer Medienorientierung im Schiffbau stellte Intendant Ulrich Khuon seine Spielzeit 2024/25 als vielversprechendes Programm und als Brückenjahr zwischen der zukünftigen Intendanz von Pınar Karabulut und Rafael Sanchez vor.

Ein Jahr zwischen Kontinuität und Neubeginn, voller künstlerischer Wiederbegegnungen und spannenden Neuentdeckungen.
«Wir Menschen sind Augenblickswesen und Theater ist im besten Sinne Augenblickskunst», sagt Ulrich Khuon. Der Spielplan, den Ulrich Khuon in Zusammenarbeit mit den Leitenden Dramaturg:innen Anika Steinhoff und David Heiligers gestaltet hat, setzt dabei auf die Kraft grosser Erzählungen aus Gegenwart und Vergangenheit. Von Shakespeare, Kafka, Sartre, Sophokles, Hitchcock bis Robin Hood zur Roten Zora ist für alle Theaterfans etwas dabei, das wie Liebe einfach ausserirdisch von René Pollesch einfach anspricht.
21 Premieren im Schiffbau und im Pfauen sowie viele «Specials», u.a. mit Charlotte Schwab und Carol Schuler, mehrere Uraufführungen, allen voran Dea Lohers Frau Yamamoto ist noch da, ein Kaleidoskop einer sich nach Nähe sehnenden Gesellschaft, stehen für das Vertrauen in das Theater als Pulsmesser der Gegenwart. Allen Stücken von Doktor Spielrein, Dada Bohème und Also sprach Zarathustra bis hin zum Klassenzimmerstück #byebitch ist gemein, dass sie mehr Fragen als Antworten aufwerfen und zum gemeinsamen Erkunden verschiedener Debattenfelder einladen.
Die Matchbox wird als Bühne und als Labor für Stücke neuer Autor:innen wiederbelebt, die Pfauen-Kammer den jungen Menschen des Theaterjahrs und der Jugendclubs zum Proben, Experimentieren und Da-Sein überlassen. Theaterkunst wisse nie Bescheid, meint Ulrich Khuon. «Aber sie führt Menschen zusammen, die Fragen haben und neue Erfahrungen machen wollen». Wir freuen uns auf die neue Theatersaison.
7. Mai 2024 Ingrid Isermann

 
Bachmannpreis 2024 für Tijan Sila
Der Bachmannpreisträger 2024 ist Tijan Sila mit einem berührenden Text über das Trauma einer bosnischen Familie «Der Tag, an dem meine Mutter verrückt wurde». Den mit 7.500 Euro dotierten 3sat-Preis erhält Johanna Sebauer, der KELAG-Preis mit 10.000 Euro geht an Tamara Stajner. Den Deutschlandfunkpreis, dotiert mit 12.500 Euro, heimst Denis Pfabe ein. Sebauer ist auch Siegerin des Publikumspreises.

 

Den mit 25.000 Euro dotierten Bachmannpreis, gestiftet von der Stadt Klagenfurt, gewinnt 2024 Tijan Sila mit dem Text «Der Tag, an dem meine Mutter verrückt wurde», eingeladen von Juror Philipp Tingler. Sila habe ihn beeindruckt durch den Ton des Textes, man sehe das Verrutschen einer Alltäglichkeit, eine Mischung aus Pointiertheit, Tragikomik und Melancholie. Das Wort Trauma habe man oft genug gehört, er möchte von der Weitergabe einer Last in Familien sprechen.
Der mit 7.000 Euro dotierte Publikumspreis, der von der BKS-Bank gesponsert wird, geht an Johanna Sebauers «Gurkel», der nicht nur die Jury, sondern auch das Publikum gut unterhalten hatte. Der Preis wurde vom Publikum via Onlinevoting am Samstagnachmittag ermittelt.
Der deutsche Autor Denis Pfabe las auf Einladung von Philipp Tingler den Text «Die Möglichkeit einer Ordnung». Die Jury vergab dafür den mit 12.500 Euro dotieren Deutschlandfunkpreis. Im Zentrum stehe das Haus als Metapher, so Tingler. Der Baumarkt werde zu einem metaphysischen Ort.
Tamara Stajner erhält den mit 10.000 Euro dotieren KELAG-Preis für ihren Text «Luft nach unten», eingeladen von Brigitte Schwens-Harrant. Von Generation zu Generation werden Gewalt und Schmerz in Familien weiter gereicht, der Körper zeige eine Geschichte von Verlust und Zersplitterung. «Wir hörten eine Rede an die Mutter, die diese nicht hört». Mit Wut und Zärtlichkeit, mit Wut und Liebe lasse sie teilhaben.
BKS-Preis für «Das Gurkerl» von Johanna Sebauer, die Österreicherin, die in Hamburg lebt, erhält neben dem Publikumspreis auch den mit 7.500 Euro dotieren 3sat-Preis. Die Laudatio hielt Klaus Kastberger, der Sebauer eingeladen hatte, sie zeige, dass Literatur unterhaltsam, lustig und trotzdem bedeutsam sein könne.
Die erfolgreichsten Juroren 2024 sind Philipp Tingler, dessen Autoren Denis Pfabe und Tijan Sila Preise einheimsten, sowie Klaus Kastberger, dessen eingeladener Text zwei Preise gewann.
30. Juni 2024

 
 
Dame, As und Spion –  Oder: Wie dem Rechtsextremismus begegnen?
 
Von Ingrid Isermann
 
Warum geht vom Nationalismus heute wieder eine grosse Faszination aus, dass soviele Menschen rechtsextreme Parteien an der Europawahl vom 6.-9.Juni 2024 bevorzugten, nicht nur in Deutschland, auch in Frankreich, wo das Rassemblement National (RN) die meisten Stimmen holte.
Präsident Macron löste daraufhin das französische Parlament auf und schrieb Neuwahlen aus, ein gewagter Schachzug. Am 30. Juni 2024 siegte der RN, was das Land aufrüttelte, denn am Stichtag 7. Juli 2024 wurde überraschend das neugegründete Linksbündnis verschiedener Parteien sowie die Regierungspartei Ensemble noch vor dem RN gewählt. Frankreich war sich der Entscheidung des Rechtsruckes und der europafeindlichen Konsequenzen bewusst und stoppte den Rechtsextremismus.

 

Die Landtagswahlen im September in Deutschland, in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, stehen vor der Tür. Die etablierten Parteien CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP fürchten einen erneuten Zuwachs der rechtsextremen Parteien über 30 Prozent, sodass die Brandmauer fällt, die, wie der Name sagt, eine verbrannte Mauer ist. Warum der Osten Deutschlands Russland gegenüber weniger kritisch eingestellt ist, schildert die ostdeutsche TV-Journalistin Jessy Wellmer in ihrem lesenswerten Sachbuch «Die neue Entfremdung. Warum Ost- und Westdeutschland auseinanderdriften und was wir dagegen tun können». Wer früher auf der Seite Russlands in der DDR mit Anti-Amerikanismus imprägniert wurde, steht dem Aggressor auch heute noch näher, und sei es nur dem Trotz zuzuschreiben, wieder auf der falschen Seite zu stehen.

 

Die Alternative für Deutschland (AfD) und das Bündnis (BSW), eine neugegründete Partei der wie aus der Zeit gefallen scheinenden Sarah Wagenknecht, die beide eine russlandfreundliche Politik betreiben, haben ihre Wurzeln im Osten Deutschlands, in der ehemals sowjetisch besetzten Zone bzw. der DDR, wo in Dresden von 1985 bis 1990 auch Wladimir Putin lebte. Dass der unauffällige Spion des KGB einmal Staatspräsident von Russland werden würde, hätte damals niemand geahnt. Der KGB existierte bis 1991 und ging dann über in die heutigen weitreichenden Geheimdienstnetze Russlands. Nicht zuletzt erinnert die KGB-Story an den verfilmten Thriller «Dame, König, As, Spion» über einen Maulwurf des britischen Geheimdienstes während des Kalten Krieges des britischen Schriftsteller John le Carré, der selbst einst für den Geheimdienst MI5 und MI6 tätig war.
Den Zusammenbruch der Sowjetunion 1990 bezeichnete Putin als die «grösste geopolitische Katastrophe». Boris Jelzin machte ihn im Dezember 1999 zu seinem Nachfolger, 2000 wurde Putin nach Jelzin der zweite Präsident Russlands.
In seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag in Berlin 2001 sagte Putin auf deutsch: «Der Kalte Krieg ist vorbei» und sprach vom Haus Europa, das man gemeinsam bauen wolle. Stattdessen kam 2007 Putins drohende Rede vor dem Sicherheitsrat in München, 2008 der Krieg mit Georgien, 2014 die Annektion der Krim und der vorher besetzten ukrainischen Ostgebiete.
 
Der «Wandel durch Handel» war definitiv gescheitert. Die ostdeutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die von 2005 bis 2021 die Geschicke Deutschlands lenkte, übrigens die einzige Politikerin, die mit Putin russisch sprechen konnte, versuchte den Kremlchef mit Öl und Nordstream 2 zu besänftigen. Das As, die Attacke auf die Ukraine, zog nicht mehr, denn der Stop der Pipeline erfolgte in letzter Minute, Milliarden verpufften.
Es wäre zu einfach, Angela Merkel allein dafür verantwortlich zu machen, alle wollten das billige Öl, das Deutschland Wohlstand und Russland Milliarden einbrachte. Putins plötzlicher Angriffskrieg im Februar 2022 auf die Ukraine, das zweitgrösste Land Europas, zieht jedoch immer weitere Kreise, neue Verbündete wie China und Nord-Korea liefern Waffen an Russland gegen die Ukraine. Der Ruf nach Frieden wurde immer lauter.

 

Schweizer Friedensinitiative auf dem Bürgenstock Juni 2024 für die Ukraine

Die Friedensinitiative der Schweiz auf dem Bürgenstock am 15. und 16. Juni 2024 mit weltweit 92 Staaten, von denen 80 das Schlusscommunique unterzeichneten, welches unter anderen die «territoriale Unversehrtheit eines souveränen Staates» bekräftigte, könnte der Beginn des Anfangs des Endes des Ukraine-Krieges sein. Putin reagierte mit Drohgebärden und Cyberattacken auf die Schweiz, während AfD und BSW in der Eskalationsskala des bewunderten Autokraten verharrten und von ihnen kein Laut zum sonst heftig verlangten Frieden zu hören war. Ist die Horrorgeschichte der Nazis in Europa vergessen? Nicht vergessen hat man in der Schweiz im Zweiten Weltkrieg: «Die Schweiz, das kleine Stachelschwein, das nehmen wir auf dem Rückzug ein».
Wie fühlen sich Lettland, Estland und Polen, die im Falle eines russischen Angriffs militärischen Schutz von der Nato erwarten?
«Über Russland wird noch lange ein Fluch liegen», sagt der russische Musik-Kritiker Artemi Troizki, der seit 2014 mit seiner Familie in Estland lebt, da die staatlichen Hetztiraden auf die Kultur- und Musikszene brutaler seien als in der Sowjetunion. Kreative Köpfe verlassen das Land in Scharen (NZZ am Sonntag, 23.Juni 2024).
 
Doch das Wissen um das Leiden führt noch zu keiner Änderung von Verhaltensweisen. Dafür kämpft auch die 102-jährige deutsche Holocaust-Überlebende Margot Friedländer, die sich unermüdlich für Menschlichkeit einsetzt, dass sich die Ungeheuerlichkeiten der Nationalsozialisten niemals wiederholen: «Schaut nicht auf das Trennende, sondern auf das, was Euch verbindet. Ihr jungen Menschen habt eine Zukunft, die andere nicht hatten. Seid ein Mensch!». Die deutsche Modezeitschrift Vogue ehrte sie in der Juli/August-Ausgabe 2024 mit dem Cover und einer Titelgeschichte.

 

Extremer Nationalismus als Lohn der Angst

Die Paradoxie des Nationalismus bestätigt das Grundprinzip der Angst vor dem Fremden, vor Verunsicherung und Schwäche, die sich als Stärke maskiert. Rollenbilder, die wir glaubten, überwunden zu haben. Der Autokrat brüstet sich als starker Mann, mit krassen dreisten Lügen wird jedes Argument ins Gegenteil verkehrt und schamlos okkupiert. Sprachlosigkeit ist ein Euphemismus angesichts der Verlogenheit, sich als Aggressor als Opfer darzustellen. Statt Frieden hat Putin Russland auf Kriegswirtschaft umgestellt, Schulkinder werden an Waffen trainiert und darauf vorbereitet, fürs Vaterland zu sterben. Dem Westen bleibt offenbar nichts anderes übrig, als in der Aufrüstung nachzuziehen. Atombomben sind seit Putins Drohungen erneut ein Thema. Man erinnert sich an die furchterregenden Bilder vom Atomabwurf auf Hiroshima. Im März 2016 entdeckte ich die erschütternden Original-Bilder im Friedensmuseum von Hiroshima; im April 2016 legte der damalige US-Präsident Barack Obama einen Friedenkranz vor dem Mahnmal in Hiroshima nieder. Frieden, tempi passati?
 
Stichwort Migration und Nationalismus: Was könnte man der Angst entgegensetzen? Was kann man sagen, was darf man sagen, was muss man sagen? Gehört zu werden, gehört zum Grundprinzip einer Demokratie, sonst hört sie auf, zu existieren. Miteinander mit jungen und alten Menschen zu reden und die Probleme anzupacken, ist Aufgabe der Politik. Kreativität ist gefragt, und warum nicht auch bei Schriftstellerinnen und Schriftstellern nachfragen und sich in der Literatur und Kunst umschauen? «Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit», sagte Schiller. Und was wäre die Welt ohne Kunst? Ohne Freiheit? Ohne Meinungsfreiheit? Ohne Freiheit des Wortes?
«Das Gute ist das Böse, das man lässt», sagte der Volksdichter Wilhelm Busch. «Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es», sagte altbekannt Erich Kästner, der noch nichts von KI und Cyberangriffen wusste und sicher die menschliche Intelligenz der künstlichen Intelligenz, die nur aus Algorithmen besteht, vorgezogen hätte.
 
Frieden schafft, wer die Freiheit für sich persönlich verteidigt und Nein sagt zu Rechtsextremismus und der Kontrolle der Autokraten. Frieden und Freiheit sind das Selbstverständnis der Liebe. Und der Gerechtigkeit. Als gutes Beispiel geht die BASF-Erbin Marlene Engelhorn voran, die ihr stolzes Erbe von 25 Millionen verteilte, weil sie es ungerecht fand, Geld zu erhalten, wofür sie keinen Finger gerührt hat. Gerechtigkeit für Bürgerinnen und Bürger schliesst auch die politische Mitsprache mit ein, sie an demokratischen Entscheiden auch ausserhalb von Wahlen direkt an Meinungsbildungsprozessen zu beteiligen. Darüber nachzudenken, würde allen europäischen Parteien und der Meinungsvielfalt insgesamt nicht schaden. Ahoi!
7. Juli 2024

 

 
US-Päsidentschaftsanwärter mit No-Political-Correctness
Nach dem Attentat am 13. Juli 2024 auf Donald Trump ist der Ex-Präsident mit frenetischem Jubel am Parteitag der Republikaner am 18. Juli 2024 zum Kandidaten für die nächste Präsidentschaft und Wahl am 5. November gewählt worden. Trump nutzte die Gunst der Stunde, das Attentat überlebt zu haben und rief zur Einigung in Amerika auf. Doch Trump bleibt Trump und so waren am Ende der Rede die gleichen Attacken auf die Demokraten zu hören wie eh und je, untermalt mit dem neuen Schlachtruf «fight, fight, fight». Eine Überraschung bot lediglich der ebenfalls als Kandidat gewählte D.J. Vance aus Ohio als Vize-Präsident der Republikaner, der 2017 mit seinem verfilmten Buch «Hillbilly Elegy» über die abgehängten Amerikaner im Rost Belt Furore machte, das von seinem Aufstieg aus ärmlichen Verhältnissen zum Juristen mit Yale-Abschluss handelte. Vance hatte Trump früher scharf kritisiert und vor ihm gewarnt, jetzt ist er ein loyaler Klon Trumps, wie es Joe Biden bezeichnete. Mehr noch, der erst 39jährige Vance kennzeichnet die künftige Richtung der Republikaner des Isolationalismus, gegen die Nato, gegen Unterstützung der Ukraine und amerikanischen Protektionismus gegenüber Europa in Sachen Einfuhrzöllen.
Keine rosigen Aussichten also für die Europäer und auch nicht für die Amerikaner, die einen Abbau der Demokratie unter Trump zu befürchten hätten. Hinzu kommt, dass die Lage der Demokraten alles andere als erwartungsvoll genannt werden kann, da Joe Biden auf seinen Auftritten greisenhaft erscheint und nun noch an Covid erkrankt ist. Namhafte Demokraten haben Biden zu einem Rücktritt der Kandidatur geraten, der Kamala Harris in den Vordergrund rücken würde. Die Vize-Präsidentin hat sich bisher im Fight gegen Trump noch nicht beweisen können, doch könnte man von ihr durchaus überrascht werden.
Ingrid Isermann, 20. Juli 2024

 
PS. Biden tritt ab, Kamala Harris kommt
Der Druck auf Präsident Biden von seiner demokratischen Partei, die Fackel weiterzugeben, wurde zu gross. Am Sonntag, 21. Juli 2024 gab Biden bekannt, dass er von einer erneuten Präsidentschaft absieht und seine Vize-Präsidentin Kamala Harris zur Wahl empfiehlt. Bis zur Wahl am 5. November dürfte sich ein spannender Wahlkampf mit dem Herausforderer Donald Trump ergeben, der nun seinerseits der älteste Anwärter aller Zeiten in den amerikanischen Wahlen ist, eine Rolle, die er gegenüber Joe Biden genüsslich ausschlachtete. Und sollte Trump tatsächlich gewählt werden, was keineswegs sicher ist, wäre er bei Antritt mit 79 Jahren noch ein Jahr älter als Joe Biden bei Beginn seiner Präsidentschaft. Ironie des Schicksals und so schnell können sich Dinge ändern. Die Demokraten haben nun alle Hände voll zu tun, ihre Kandidatin und/oder weitere Kandidaten aufzubauen und ins Feld zu schicken.
22. Juli 2024

 

Kamela Harris und Tim Walz gewählt
Nach einem mehrtätigen Parteitag der Demokraten in Chicago sind die Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris und als Vize-Präsidentschaftskandidat der 60-jährige Tim Walz, Gouverneur von Minnesota, für die Wahlen am 5. November 2024 mit tosendem Applaus gewählt worden. Die Demokraten befinden sich in ekstatischer Aufbruchstimmung unter dem Motto: Toleranz, Respekt, Solidarität und Freiheit. Ein Gegenprogramm zu Trump, das offensichtlich die Menschen beflügelt.
23. August 2024

 

Die letzte Bastion der Anti-Fraktion

Seit die SVP die traditionelle Bauern- und Gewerbepartei (BGB) gekapert hat und mit ihrem Anführer Christoph Blocher, mittlerweile Milliardär, mit Heuwagen und Mistgabeln auf der Bühne vor Wahlen posierte, blieb kein Stein auf dem anderen. Renitente SVPler wie Somm, Aeschi, Matter, Dettling probieren, den Alt-Leader mit unsinnigen Parolen noch zu übertrumpfen. Opposition um jeden Preis! Ob in oder ausserhalb der Regierung, oder des Parlaments, spielt keine Rolle. Opportunismus heisst die Devise und verschafft die begehrte Aufmerksamkeit. Und auf die kommt’s bei den Wählenden an. So sah sich Alt-Bundesrat Maurer genötigt, kürzlich in der NZZ gegen SP-Justizminister Jans anzutreten, der die Bilateralen III verteidigte und für Handelsbeziehungen mit der EU wirbt, die die Schweiz sicherer und souveräner machen. Eine Wortwahl, die den SVP-Adlatus in Harnisch brachte. Sicherheit hat doch die SVP als Präjudiz für sich gepachtet, neben Freiheit sprich Souveränität! Wie kann es jemand wagen, dieses Vorrecht in Frage zu stellen, hat es diese Partei doch mittels dieser Projektionen geschafft, zur stärksten Partei der Schweiz aufzusteigen und auch die FDP erfolgreich zu verdrängen. Wehret den Anfängen! Das rief als Sekundanten auch den Historiker Oliver Zimmer, der lange an der University of Oxford lehrte, als vehementen Gegner der EU auf den Plan, der auf ein Ständemehr bei einer Volksabstimmung drängt, welches Juristen ablehnen. Zimmer behauptete in der heutigen NZZ am Sonntag, «die SVP betreibt über weite Strecken einen guten Populismus, den wir aushalten müssen». Wirklich? Ein weites Feld…

PS. Warum übernimmt eigentlich nicht die SVP das stets so heftig von ihr kritisierte Justizdepartement und übernimmt nicht selbst das Zepter über die Asylzahlen in der Schweiz? Mit ständigem Meckern macht man es sich doch sehr einfach…

Ingrid Isermann, 28. Juli 2024
 

Olympiade Paris 2024

Nun ist sie zu Ende gegangen, die vielgefeierte wunderbare Olympiade Paris 2024. Die Medaillen sind verteilt und wie immer ist die sportliche Olympiade auch eine politische. Wie im realen Leben kämpften die USA und China um den ersten Platz, den die USA knapp für sich entschieden. Japan, Australien und die europäischen Sportsathleten folgten ihnen nach. Glück gehört auch dazu und manche, von denen man eine Medaille erwartet hatte, fielen aus, während andere, deren Namen man noch nicht kannte, überraschend Medaillen holten.
Und nicht zuletzt waren es oft diejenigen Sportler:innen, die als Flüchtlinge oder aus anderen Ländern zugewandert waren und die Nationen mit Medaillen beschenkten. Wenn es um Zuwanderung geht, sollten fremdenfeindliche Parteien dies endlich einmal berücksichtigen, wie sehr die zugewanderten Menschen auch eine Bereicherung sind.
Und es wäre schön, wenn Paris Standort für die Olympischen Spiele bleiben könnte. So schön wie hier, war es noch nirgends, angefangen mit der Ankunft der Boote mit den Sportskanonen auf der Seine, die auch für Schwimmwettbewerbe diente bis zu den wunderbaren Orten Versailles für die Reitwettbewerbe und Grand Palais für die Fechtkunst. 2028 finden die nächsten 34. Olympischen Spiele in Los Angeles statt. Zur Ankündigung sprintete Tom Cruise vom Dach des Stade de France und holte die olympische Fahne auf seinem Motorrad ab. In einem Video sah man, wie sie ins Frachtflugzeug verladen und in LA am Pazifik in Empfang genommen wurde mit einem Open Air-Konzert mit Stars am Pazifik.
12. August 2024

 

Was können Sie im Mai/Juni auf Literatur&Kunst entdecken?

 

Wie Frauen aus der Literaturgeschichte herausgeschrieben wurden, beschreibt die Literaturwissenchaftlerin Nicole Seifert in ihrer erhellenden Gesellschaftsstudie über die Gruppe 47: «Einige Herren sagten etwas dazu», Kiepenheuer & Witsch.

 

«Marseille 1940», der Schriftsteller Uwe Wittstock beleuchtet die Flüchtlingsgeschichte vieler Literaten und Intellektuellen, die vor den Nazis nach Marseille flohen und vom jungen amerikanischen Fluchthelfer Varian Fry gerettet wurden. C.H. Beck, 2024.

 

Lyrische Musen auf dem Smartphone: «amoretten in netzen», Gedichte voller Fabulierlust und sprachexperimenteller Ausflüge im Debütband von Lara Rüter. Wunderhorn, 2024.

 

Sie war ihrer Zeit voraus, die vielseitige österreichische Künstlerin Kiki Kogelnik, jetzt ist die Pop-Expressionistin im Kunsthaus Zürich zu sehen: «Now is The Time».

 

Sarah Morris zeigt in ihrer Ausstellung im Zentrum Paul Klee «All systems fail» die ganze Bandbreite ihres Könnens.

 

Kunst-Buchtipps: «Aargauer Kunsthaus. Wie mit Gegenwartskunst umgehen»; In verschiedenen Essays wird der Wandel im Umgang mit zeitgenössischer Kunst thematisiert. Scheidegger & Spiess, 2024.

 

«Kreis!Quadrat!Progress» über die Avantgarde der Zürcher Konkreten Max Bill, Camille Graeser, Verena Loewensberg, Richard Paul Lohse und ihr Umfeld. Scheidegger & Spiess, 2024.

 

Oliviero Toscani – Fotografie & Provokation». Im Museum für Gestaltung, Zürich, sind die aufsehenerregenden Fotos zu sehen, die der italienische Fotograf Toscani für Benetton in den Fokus rückte. Aktuelle Filmtipps.

 

Eine im Mai neu erscheinende Monografie Arata Isozaki stellt Ihnen den japanischen Architekten und Pritzker-Preisträger 2019 vor. Park Books, 2024.

 

Rainer Haubrich: «Champs-Elysées – Eine kurze Geschichte des berühmtesten Boulevards der Welt» mit Fotos, Stadtplänen, vielen Details und viel Prominenz. Der Boulevard steht für Luxus und Eleganz und ist ein Spiegel der französischen und europäischen Geschichte. Insel Verlag, Taschenbuch, 2024.

 

Widescreen: «Mehr als Gold. Glanz und Weltbild im indigenen Kolumbien».
Das vorspanische Kolumbien wurde im Westen vor allem mit dem Mythos des «El Dorado» in Verbindung gebracht. Dabei wurde der Blick auf den wahren Reichtum der Kunst der dort lebenden indigenen Menschen verstellt. Die Ausstellung «Mehr als Gold – Glanz und Weltbild im indigenen Kolumbien» eröffnet eine neue Sicht auf die Kunst und Kultur dieser Region. Erstmals widmet sie sich der Vielfalt des meisterhaften künstlerischen Schaffens im vorspanischen Kolumbien und beleuchtet die Werke aus indigener Perspektive.
Museum Rietberg, Zürich Ausstellung 22.3.-21.7.2024.

 

Carte Blanche:

Inger-Maria Mahlke «Unsereins» über die Gesellschaft in Lübeck zu Zeiten Thomas Manns, Rowohlt Verlag, rezensiert von Ingrid Schindler.

«Die neue Entfremdung» von Jessy Wellmer, die ostdeutsche ARD-Moderatorin ruft in ihrem Plädoyer für mehr gegenseitiges Verständnis auf und begeistert damit auch die Rezensentin Ingrid Schindler.

 

Julieta Schildknecht hat für Literatur&Kunst den renommierten japanischen Architekten Sou Fujimoto interviewt.

 

Lust auf eine Flussschiffahrt? Dann los nach Amsterdam: «Holland wie aus dem Bilderbuch» lautet die spritzige, frische
Reportage von Ingrid Schindler.

 

Wir danken Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünschen Ihnen einen wunderschönen Sommer mit Literatur&Kunst. 

 

Herzlich
Ihre Ingrid Isermann, Herausgeberin

Editorial