FRONTPAGE

«Hans Bernoulli – der bekannte Unbekannte in einer neuen Monografie»

Von Fabrizio Brentini

«Städtebau als politische Kultur» – der Titel der neuen Monografie über den Basler Architekten Hans Bernoulli betont weniger dessen architektonisches Werk als vielmehr seine Auseinandersetzung mit urbanistischen Fragen. Rund 450 Texte in Zeitschriften und Büchern entstammen aus seiner Feder. Es dürfte schwierig sein, einen Baumeister des 20. Jahrhunderts zu nennen, der auch nur annähernd soviele Zeilen verfasst und veröffentlicht hat.

Hans Bernoulli kam 1876 in Basel zur Welt. Durch das Studium in München konnte er entscheidende Kontakte zu deutschen Architekten knüpfen, dank denen er zunächst in Darmstadt, dann in Berlin an zahlreichen Projekten beteiligt war. 1912 zog er nach Basel und wurde leitender Architekt der Basler Baugesellschaft, in deren Namen er bedeutende Bebauungspläne erarbeitete. Es würde diesen Rahmen sprengen, würde man Bernoullis Aufgaben und Ämter, die er bis zu seinem Tode übernahm, aufzählen. Er war Redaktor verschiedener Zeitschriften, er kuratierte Ausstellungen, hielt Vorträge, wirkte in Jurierungen mit und war Dozent an der ETH Zürich und an der Allgemeinen Gewerbeschule Basel.
Die soeben vom gta-Verlag herausgegebene Monografie führt im Werkverzeichnis nicht weniger als 253 Arbeiten auf, von denen 52 detaillierter dokumentiert werden. Der Baustil von Bernoulli ist alles andere als Aufsehen erregend. Nur einmal, bei seinen Musterhäusern für die Wohnkolonie Eglisee anlässlich der 1929 eröffneten Wohnungsausstellung Basel, passte er sich der Sprache des Neuen Bauens an. Die Hauseinheiten der übrigen Siedlungen zeigen mit ihren behäbigen Satteldächern und den Fenstern mit Flügeln keine Auffälligkeiten. Doch nicht damit blieb er im Gespräch, sondern mit der Art und Weise, wie er die grossen, für die Überbauung frei gegebenen Grundstücke bespielte. Zentral war der Rhythmus von Gartenflächen und Reihenhäusern, die – so es möglich war – um ein Zentrum mit Piazza und öffentlichen Gebäuden gruppiert wurden. Die Zugangsstrassen wurden an den Rändern angelegt. Die wohl grösste Planarbeit galt den Grundrissen, welche das Endprodukt des Ringens um die besten Lösungen für die Wohnbedürfnisse sind. Schon fast idealtypisch zeigen die so genannten Bernoulli-Häuser in Zürich, was der Architekt unter einem menschenfreundlichen Wohnen verstand. Heutigen Ansprüchen genügen diese Wohnungen nicht mehr, aber in Anbetracht der Wohnungsnot der Zwischenkriegszeit und den teilweise miserablen Wohnverhältnissen bedeuteten diese Häuser einen Quantensprung, und sie wa-ren im Gegensatz zu den Musterhäusern der Werkbundsiedlung Neubühl in Zürich für Arbeiterfamilien erschwinglich.
Obwohl Bernoulli häufig Gelegenheit erhielt, Repräsentationsgebäude zu realisieren, fal-len diese gegenüber den Quartierbebauungen – ich denke da an die 1916 eingeweihte Frauenarbeiterschule in Basel – ab. Bernoulli konnte bis ins hohe Alter nicht über seinen Schatten springen. Die wuchtigen Flügel des heutigen Gymnasiums Kirschgarten, die erst 1960, ein Jahr nach seinem Tode, vollendet wurden, sind mit ihren Rasterfassaden der Ästhetik der Landi 39 verpflichtet.
Die von verschiedenen Fachleuten verfassten Texte besprechen denn auch kaum stilistische Fragen, sondern beleuchten Bernoullis gesellschaftspolitisches Engagement, seine Überlegungen zur Wohnungsfrage, seine Kritik an der Bodenpolitik und im Speziellen seine Vorschläge für die Erneuerung der Basler Altstadt sowie seinen Beitrag zur Sepulkralarchitektur. Erschwerend bei der Beurteilung seines Gesamtwerkes ist der Umstand, dass etliche seiner Bauten nicht mehr existieren oder einschneidend verändert wurden. Was sich erhalten hat, wird in der Publikation in zwei Bildessays dokumentiert. Ansonsten wählten die Auto-ren historisches Bild- und Planmaterial aus.
Die Publikation setzt die vorbildliche Reihe «Dokumente zur modernen Schweizer Architektur» fort. Die Gestaltung ist wie üblich sorgfältig und dezent. Die zahlreichen Pläne sind ideal ausgeleuchtet und bis ins letzte Detail lesbar. Schlicht meisterhaft, was hier die Lithografen und Bildbearbeiter zustande gebracht haben. Einen klitzekleinen Einwand wage ich am Schluss zu formulieren. Ich habe keine Ahnung, was sich die Gestalter gedacht haben, als sie einen nichtssagenden Ausschnitt der Bernoulli-Häuser für den Einband ausgesucht haben. Autos verstellen den Blick auf die Fassaden und die Dachlandschaft wird vom überaus hässlich überbauten Hang im Hintergrund geradezu erdrückt. Auf den ersten Blick meint man eine amateurhaft gestaltete Provinzfestschrift vor sich zu haben. Das wird dem Gesamtschaffen von Bernoulli leider nicht gerecht.

 

 

Sylvia Claus/Lukas Zurfluh (Hrsg.)

Städtebau als politische Kultur.

Der Architekt und Theoretiker Hans Bernoulli

384 S., gta-Verlag Zürich 2018

CHF 89.

ISBN 978-3-85676-353-4,

 

 

 

L&K-Architektur-Buchtipp

 

 

«Baukunst im Archiv – Die Sammlung der Akademie der Künste»

 

I.I. Seit ihrem Gründungsjahr 1696 waren Baumeister Mitglieder der Akademie der Künste, Berlin. Die frühesten Zeugnisse der Baukunst im Archiv gehen auf das Ende des 18. Jahrhunderts zurück und dokumentieren die Tätigkeiten der Lehrer und Schüler an der Akademie.

 

Erst unter dem Nachkriegspräsidenten der West-Berliner Akademie, dem Architekten Hans Scharoun, wurden Ende der 1950er Jahre Architektennachlässe in das Archiv aufgenommen.
Zum ersten Mal wird mit diesem Buch ein Gesamtüberblick über die Archive von Architekten, Ingenieuren, Landschaftsarchitekten, Architekturfotografen und -kritikern vorgelegt, die im Baukunstarchiv der Akademie der Künste überliefert sind. Alle 71 Archive und 80 Sammlungen werden mit Kurzbiografien der Urheber und Beschreibungen von Art und Umfang der Bestände vorgestellt. Aus der Preußischen Akademie der Künste ist unter anderen Friedrich Gilly mit Zeichnungen vertreten. Besonders reich ist die Zeit des Expressionismus nach dem Ersten Weltkrieg mit Werken von Hugo Häring, Hans Scharoun, Bruno Taut, Hans und Wassili Luckhardt, mit Alfons Anker, Paul Goesch, Adolf Behne und Heinrich Lauterbach dokumentiert. Bis in die 1920er Jahre gehen die Archive von Richard Ermisch, Paul Baumgarten und Thilo Schoder zurück. Ein Schwerpunkt liegt bei jenen Architekten, die nach 1933 emigrieren mussten, unter ihnen Gabriel Epstein, Julius Posener, Adolf Rading, Harry Rosenthal und Konrad Wachsmann. Die Nachkriegszeit und die 1960er Jahre sind mit Archiven von Max Taut, Walter Rossow, Dieter Oesterlen, Bernhard Hermkes, Helmut Hentrich, Werner Hebebrand, Bernhard Pfau, Hermann Henselmann, Werner Düttmann, Friedrich Spengelin, Heinz Graffunder und Ludwig Leo vertreten. Archive und Sammlungen, die bis ins 21. Jahrhundert reichen, kommen von Kurt Ackermann, Hans-Busso von Busse, Peter von Seidlein, Manfred Sack, Jörg Schlaich, Szyszkowitz + Kowalski, Valentien + Valentien, Haus Rucker und Arno Brandlhuber.
Die Publikation gibt zudem einen Überblick über die Geschichte des Baukunstarchivs und präsentiert mit 906 Abbildungen eine Auswahl aus rund 350.000 Zeichnungen und Plänen, 100.000 Fotografien, 450 Modellen und dem sehr umfangreichen schriftlichen Archivgut.

 

 

Baukunst im Archiv
Die Sammlung der Akademie der Künste
Herausgegeben von Eva-Maria Barkhofen
im Auftrag der Akademie der Künste, Berlin
DOM publishers, 2019
235 × 275 mm
560 Seiten 
906 Abbildungen
Hardcover mit Schutzumschlag
€ 68.
ISBN 978-3-86922-492-3

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