«Henry James: Lady Barberina»
Von Ingrid Isermann
Der Arzt Jackson Lemon verliert in London sein Herz an Lady Barbarina. Aber sie zu heiraten ist nicht ganz einfach: Ein neureicher Amerikaner in der britischen Aristokratie? Und die englische Adlige im modernen New York?
Dann ist es so weit: Jackson kehrt mit Ehefrau und Schwägerin Agatha in seine Heimat zurück. Aber wohl fühlt sich Lady Barbarina dort nicht. Ganz anders ihre Schwester: Agatha verliebt sich in einen Landarbeiter aus Kalifornien.
Scharfzüngig erzählt Henry James von einer brisanten transatlantischen Eheschliessung, von unfreien Frauen und von Frauen, die sich die Freiheit nehmen. Eine zeitlose Gesellschaftssatire. Ein aktueller Klassiker!
Selbst Paola Brunetti, Gattin des beliebten venezianischen Commissario Guido Brunetti der Krimi-Autorin Donna Leon, erweist sich als glühender Fan von Henry James… Auch hier gibt es Korrelationen, denn Henry James war auch ein Italien-Fan, das er auf seinen verschiedenen Reisen nach Europa entdeckte.
Der Wahl-Londoner wurde im Juli 1915 britischer Staatsbürger. Sieben Monate später, am 28. Februar 1916, starb er in London. Er hinterliess der Nachwelt ein Gesamtwerk, das zwanzig veröffentlichte und zwei unvollendete Romane, mehr als hundert Erzählungen und mehrere Dramen umfasst, autobiografische Schriften und zahlreiche Reiseberichte sowie Essays und Kritiken zu Literatur und Kunst.
Nicht nur die zeitlos skizzierten Psychogramme der Protagonisten machen «Lady Barberina» von Henry James zu einem ausgesprochenen Lesevergnügen, sondern auch die sorgfältige Ausstattung der Dörlemann-Bücher, die alle einen bibliophilen Touch haben und eine wahre Augenweide sind. Ein Buch, das man geniessen kann und gerne in die Hand nimmt, das sich auch zum Wiederlesen eignet.
Leseprobe
Es ist wohlbekannt, dass es auf der Welt kaum einen prachtvolleren Anblick gibt als die Hauptalleen des Hyde Park an einem schönen Juninachmittag. Just dieser Meinung waren auch zwei Personen, die es sich an einem herrlichen Tag zu Beginn jenes Monats vor vier Jahren unter den gewaltigen Bäumen auf zwei Eisenstühlen bequem gemacht hatten – den großen mit den Armlehnen, für die man, wenn ich nicht irre, zwei Pence bezahlt – und dort mit der langsamen Prozession des Drive im Rücken saßen und mit dem Gesicht zu dem lebhafteren Treiben auf der Row. In der Menge der reinen Beobachter verschwindend, zählten sie, zumindest auf den ersten Blick, zu jener Klasse von Menschen, die, wo immer sie sich auch befinden, eher zu den Zuschauern gehören als zum Schauspiel. Es waren ruhige einfache ältere Leute, vom Äußeren her ziemlich neutral; Sie hätten sie höchst sympathisch gefunden, sie jedoch kaum bemerkt. Doch diesen beiden, in jenen glanzvollen Scharen versteckten, müssen wir unsere Aufmerksamkeit zuwenden. Worin ich den Leser bitte mir zu vertrauen; es wird von ihm nicht ohne Grund verlangt. In den Gesichtern unserer Freunde war auf anrührende Weise zu erkennen, dass sie zusammen alt wurden und an der Gesellschaft des anderen Gefallen genug fanden, um selbst dies – da nun einmal die Bedingung – klaglos hinzunehmen.
Auszug mit freundlicher Genehmigung des Dörlemann-Verlages.
Henry James, 1843 in New York geboren, lebte lange Jahre als Amerikaner in Europa. In seinen <internationalen Romanen> setzte er sich intensiv mit den Gegensätzen zwischen der Alten und der Neuen Welt auseinander und gilt heute als einer der einflussreichsten Schriftsteller der amerikanischen Literatur. Er starb 1916 in London.
Karen Lauer, geboren 1963, lebt als Übersetzerin, freie Lektorin und Herausgeberin in München und hat unter anderem Edith Wharton, Anne Carson und James Fenimore Coopers Der letzte Mohikaner übersetzt.
Henry James
Lady Barbarina
Erzählung
Aus dem Englischen und mit einem Nachwort
von Karen Lauer
Deutsche Erstausgabe
Originaltitel: Lady Barbarina
224 Seiten. Leinen.
CHF 29.00 [D] €21.00. € [A] 21.60
ISBN 9783038200468
Als eBook erhältlich
ISBN eBook 9783038209461
€ 15.99
«Subtil, satirisch: Transatlantische Amouren als Clash der Kulturen».
Jury der SWR Bestenliste Oktober 2017
«Barbara Köhler: 42 Ansichten zu Warten auf den Fluss»
«Warten auf den Fluss» heisst eine Skulptur der Rotterdamer Künstlergruppe «Observatorium». Sie entstand für die Emscherkunst-Triennale, die 2010 erstmals stattfand und eine Umgestaltung der Emscher vom offenen Abwassergerinne des nördlichen Ruhrgebiets zu einem einigermassen ’naturnahen‘ Fluss begleiten und deuten soll. Die Skulptur besteht aus einer Art Brücke, die überwölbt wird von drei Pavillons, in denen man Zimmer mieten kann.
Im Sommer 2016 folgte die Autorin einer Einladung von «Observatorium» und hatte gelegentlich auf der Brücke übernachtet und dort Zeit verbracht. Sie sprach mit Kurzbesuchern, mit Übernachtungsgästen, sah Schiffe auf dem Rhein-Herne-Kanal im Dunkeln vorbeiziehn und feierte einen Geburtstag, beobachtete die Bauarbeiter, Eisvögel und Nutrias. Die meisten Besuchenden kamen aus dem Ruhrgebiet und Umgebung, brachten aber auch Gäste mit aus München oder Berlin. Manchmal wurde auch Englisch gesprochen oder Französisch, Niederländisch sowieso, so die Autorin.
Wörter, die in zwei Sprachen gleich geschrieben oder gesprochen werden, aber Unterschiedlichkeiten bedeuten, nennt man fürgewöhnlich Falsche Freunde; zwischen Deutsch und Niederländisch gibt es durch die nahe Verwandtschaft angeblich besonders viele davon. Womöglich aber ist das Wort FALSCH das einzig Falsche an dieser Bezeichnung, weil es verstellt, was gerade solche Wörter eröffnen: ungewohnte Perspektiven auf das Fremde. Andere wie aufs Vertraute, Gewöhnliche – und mögliche, plötzlich wieder mögliche Bewegung dazwischen, eine Freundlichkeit.
WIR HABEN GEWARTET: wij hebben gewacht. Wakker en moe, milde und wach. Wir haben Zeit zusammen verbracht, wohin? Waarheen? Ob or where to? Auf einen Fluss, an einem Ort, in zwei, drei Sprachen haben wir das Waiting Game gespielt, een geduldspelletje, haben buchstabiert, was sein könnte, werden, was war. Was Warten ist, was es war. Wer wir war, wer wartete. Hat wer auf uns gewartet, hat uns bewirtet, hatte Geduld mit uns, hatte mit uns gemeinsam Geduld? Und wie haben wir Geduld verloren, an wen und wann? Was haben wir gewonnen beim Warten? – Und kam uns zu, was dann kam?
WARTEN
Das Wortfeld, auf dem WARTEN stattfindet, öffnet sich ins Wachsein, ins Gewahrwerden, Achtgeben und Bewahren, öffnet sich auf ein Kommendes hin, es erstreckt sich ins Mögliche, ins Künftige (kommen können mitunter auch Erinnerungen), streckt sich so auf ein anderes Ufer der Welt hin, von der manchmal ja gesagt wird, sie sei ein Fluss. Verfliessende Zeit, vergehende, sagen wir und bleiben am Ort, bei dem Wort WARTEN, zwischen Vergangenheit und Zukunft, an Land, am Ufer; wir bleiben dabei, tun als ginge die Zeit vorbei und es sei gar nicht unsre: WARTEN überbrückt Zeit.
Diese Passagen über das Vergehen der Zeit sind eine kleine Trouvaille, es lohnt sich, innezuhalten, darüber zu reflektieren, Entdeckungen zu machen und die Perspektiven zu wechseln. Das gelingt Barbara Köhler auf wundersame Weise.
Barbara Köhler
42 Ansichten zu Warten auf den Fluss
95 Seiten, Broschur
€ 16
ISBN 978-3-902951-28-1
Barbara Köhler, geboren 1959 in Burgstädt, lebt in Duisburg. Sie veröffentlichte mehrere Gedichtbände, Essays, Übersetzungen von Gertrud Stein, Samuel Beckett u.a. Zahlreiche Auszeichnungen, wie Clemens Brentano-Preis und Peter-Huchel-Preis.
«Orientreisen – Reportagen aus der Fremde»
Ihre Orientreisen waren legendär. Die Kosmopolitin Annemarie Schwarzenbach unternimmt unter anderen mit Ella Maillart eine spektakuläre Autotour nach Afghanistan, von der auch ein Film existiert. Die Reportagen faszinieren auch heute noch durch ihre atmosphärische Brillanz und Authentizität.
Es ist ein stetiges «Go East», das Annemarie Schwarzenbach, eine «unheilbar Reisende», durch Anatolien und den Vorderen Orient bis zu den Ruinen von Persepolis führt, in orientalische Metropolen wie Bagdad oder Teheran und schliesslich bis in die Wüsten Turkestans und die Höhen des Hindukusch. Eine Mischung aus historischen und aktuellen «facts» – vor dem Hintergrund des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges – mit erzählerischen, poetischen Passagen machen den Reiz und auch die Besonderheit dieser Reiseprosa aus.
Fotografien von Annemarie Schwarzenbach online
Zum 75. Todestag der Schriftstellerin, Reporterin und Fotografin Annemarie Schwarzenbach stellt das Schweizerische Literaturarchiv, wo sich ihr literarischer und fotografischer Nachlass befindet, über 3000 Fotografien frei verfügbar online. Erst Ende der achtziger Jahre wurde ihre fotografische Arbeit wiederentdeckt und Schwarzenbach zu der Kultfigur, die sie heute ist. Es handelt sich vorab um Reisebilder, die sie in den 1930er und 1940er Jahren in Europa, Afrika, Amerika und Asien aufgenommen hat.
Das Bildmaterial steht unentgeltlich zur Verfügung.
https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:CH-NB-Annemarie_Schwarzenbach
Annemarie Schwarzenbach (1908 in Zürich -1942 in Sils/Engadin), entstammte einer der angesehensten und reichsten Familien der Schweiz. Mit den erzkonservativen Werten ihres Elternhauses geriet sie früh in Konflikt. Die promovierte Historikerin bewegte sich in den antifaschistischen Kreisen um Erika und Klaus Mann und machte sich als Autorin, Fotografin und Reporterin einen Namen. Sie bereiste Europa, den Orient, die USA und zuletzt, bereits während des Zweiten Weltkrieges, Afrika. Die „unheilbar Reisende“ verarbeitete in ihren Romanen und Reportagen nicht nur die Eindrücke von fremden Ländern und Kulturen, sondern schrieb auch, um sich von Gefühlen der Einsamkeit und Verzweiflung freizukämpfen, in die sie ihr extremer Lebensstil häufig trieb. Auch von ihrer Drogenabhängigkeit kam sie zeitlebens nicht mehr frei und musste sich immer wieder in Kliniken davon erholen. Ihre Liebe zu Frauen drückte sie für die damalige Zeit ungewöhnlich offen auch in einigen ihrer Texte aus, die erst posthum veröffentlich wurden. Mit nur 34 Jahren starb sie nach einem Fahrradunfall an den Folgen einer schweren Kopfverletzung.
Annemarie Schwarzenbach
Orientreisen
Mit einem Nachwort von Walter Fähnders
ebersbach & simon, Berlin 2017
Halbleinen, Fadenheftung
144 S., 12×19 cm
CHF 23.90. € 16.80.
ISBN 978-3-86915-150-2
«Der literarische Frauenkalender 2018 – Büchernärrinnen»
Frauen, die lesen, sind gefährlich, Frauen, die ihre Leidenschaft für Bücher kompromisslos ausleben, umso mehr. Der literarische Frauenkalender 2018 stellt 52 Frauen vor, die verrückt nach Büchern sind, die Bücher lesen, Bücher schreiben, Bücher machen und verkaufen.
Jane Austen, Sylvia Beach, Simone de Beauvoir, Colette, Nancy Cunard, Audrey Hepburn, Madge Jenison, Françoise Sagan, Caroline Schlegel-Schelling, Virginia Woolf sind nur einige der Namen, die den glanzvollen literarischen Frauenkalender 2018 bevölkern. Ein spannender Streifzug durch die Literaturgeschichte und eine glühende Liebeserklärung an die Welt der Bücher.
Brigitte Ebersbach
Der literarische Frauenkalender – Büchernärrinnen
ebersbach & simon, Berlin 2017
€ 22, 56 S.
vierfarbig, Spiralbindung
24 x 32 cm
ISBN 978-3-86915-144-1