FRONTPAGE

«Ich entwerfe Behausungen für Nomaden der Gegenwart»

Von Ingrid Isermann

 

Christa de Carouge – diese wechselvollen Anfänge, diese spannungsreichen Auf- und Umbrüche, dieses Leben, das sich wie ein Roman liest… immer aber war sie auf der Suche nach der Verbindung von Geist und Materie, dem Material. Ihre Prämisse «Grundlage ist es, mitten im Leben zu stehen und neugierig zu bleiben» verlieh ihr eine vehemente Lebendigkeit, sich dabei am Pragmatischen orientierend, wie auch am Unkonventionellen, nicht zuletzt an der Freiheit, der Bewegungsfreiheit…

In Basel am 5. August 1936 geboren, besuchte Christa Furrer die Kunstgewerbeschule Zürich, heute Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK), absolvierte eine Ausbildung als Grafikerin und war anschliessend in Werbeagenturen tätig. 1965 eröffnete sie eine erste Boutique in Genf, ihre eigenen Entwürfe fanden schon bald grossen Anklang. Ab 1978 nannte sie sich als Modeschöpferin «Christa de Carouge» nach dem Genfer Vorort und eine eigentliche Erfolgsstory nahm ihren Anfang. Nach einer Japanreise entwarf sie Kostüme «Yoga» für das Westschweizer Fernsehen TSR und eröffnete ein Zweiggeschäft in der Mühle Tiefenbrunnen im Zürcher Seefeld. Vertretungen in Wien, Berlin, Düsseldorf und Stuttgart folgten.

 

 

Die Biografie von Georg Weber ist flüssig geschrieben, erzählt von der Aufbruchstimmung der Nachkriegsjahre, den wilden Sechzigern und dem lebensfreudigen Nihilismus der Punks, aber auch von der Rückbesinnung auf Essentielles zu Beginn des neuen Jahrhunderts. Erkennbar wird eine Frau, die mit Mut zu Neuem, mit Verve, wachem Geist und Inspiration die Schweizer Modeszene prägte und sich im In- und Ausland einen Namen machte. Ihr Stil des Minimalismus setzte sich durch. Mode zu gestalten, die damit ihr Leben und auch das Leben anderer gestaltete, wie Christa de Carouge im Gespräch sagt, wurde zu ihrem Credo.

 

Lady in Black

 

Neben den geografischen Stationen und ihrem privaten bewegtem Lebensweg, wird in der detailreichen Biografie Christa de Carouges künstlerisches Schaffen von über 50 Jahren als Modemacherin beleuchtet. Mit ihrem Mann Rudi Hegetschweiler, den sie 1963 heiratete, eröffnete sie 1965 in Genf die erfolgreiche «Boutique pour Monsieur», die später in «Monsieur Rudi» in neuen Geschäftsräumen umbenannt wurde. Nach der Scheidung und einer kurzen zweiten Ehe startete Christa 1983 mit ihrem Künstlernamen de Carouge durch. Ihre spektakulären Modeschauen ausschliesslich aus schwarzen Gewändern erregten Aufsehen und wurden zu ihrem Markenzeichen.

Die Vielfalt stilistischer Möglichkeiten immer wieder neu zu erproben, Urtümliches mit Hochentwickeltem, Robustes mit Raffiniertem zu mixen, zeugte von ihrer starken Handschrift. Überraschend sind dabei auch die Parallelen zwischen Bekleidung und Behausung.

Ihre Entwürfe sollen, den eigenen vier Wänden gleich, Wind und Wetter abhalten, Schutz und Schönheit bieten und das Auge erfreuen. Die weit geschnittenen Jacken und Mäntel von Christa de Carouge in Schwarz fallen im Strassenbild unverwechselbar auf.

1999 kreierte Christa das spezielle «Fatima-Set» für Frauen, die in islamischen Ländern unterwegs sind, eine Anregung der Reisejournalistin Charlotte Peter. In einer wattierten Umhängetasche finden ein Kleid, eine Kapuze und eine Hose Platz, dazu kam ein Schal. Von der Kombination, die erst aus Crêpe de Chine und später aus Mikrofaser bestand, wurden mehrere Dutzend Exemplare verkauft: «Es war der Beweis dafür, dass eine Frau in jeder Situation gut gekleidet sein kann».

 

 

Qualität aus der Schweiz

 

Sämtliche Modelle werden in der Schweiz gefertigt: «Ich will all jene persönlich kennen, die für mich tätig sind, schon um der Qualität willen. Es würde meiner Überzeugung zuwiderlaufen, bei der Verarbeitung Kompromisse zu machen», wie den Kundinnen schiefe Nähte zuzumuten oder schlecht verarbeitete Knopflöcher, für die ausschliesslich solider Stickereifaden verwendet wurde. «Ich besuchte meine Schneiderinnen häufig und anerkenne fachgerechte Arbeit», dies im Bewusstsein, dass eine gute Entschädigung allein nicht genügt, um ein hohes Niveau zu halten». Die strengen Kriterien bedingten eine obere Preislage, bereits die Stoffe waren hochwertig und teuer: «Meine Kleider sind nicht saisonabhängig und können jahrelang getragen werden», begründet die Modemacherin.

 

 

Ausstellungen und Auszeichnungen

 

Ihre erste Einzelausstellung fand 1993 im Musée des arts décoratifs de la Ville de Lausanne statt, wo sie den Prix Bolero des gleichnamigen Modemagazins erhielt.

Das Landesmuseum Zürich kaufte 1994 einen Abendmantel von Christa de Carouge aus Metall- und Seidenstoff an; es folgten der Prix de l’artisanat de Genève, Kostümseminare an der Theaterakademie Utrecht, Niederlande sowie Kostümentwürfe für «King Lear» im Théâtre du Jorat in Mézières (Kanton Waadt).

Im Jahre 2000 veröffentlichte Christa de Carouge das Buch «Habit Habitat» im Verlag Lars Müller Publishers zusammen mit dem Basler Architekten und Publizisten Werner Blaser, das von ihrer Affinität zu Tibet kündet.
Im Genfer Musée d’arts et d’histoire wurde 2010/11 die Arbeit der Modeschöpferin in der Ausstellung «Décor, Design et Industrie» ebenfalls gewürdigt. Last but not least wurde 2011 ein Exemplar ihres Fatima-Sets vom Schweizer Bundesamt für Kultur als Dauerleihgabe für das Museum Bellerive Zürich angekauft.

 

Auch in Zukunft wird sich Christa de Carouge ihrer Leidenschaft, der Mode, widmen, ab 2014 nicht mehr in ihrem Ladenlokal in der Mühle Tiefenbrunnen, sondern in ihrem Wohnatelier im Zürcher Seefeld. Man wird auch dann von Christa de Carouge hören.

 

 

4. September 2013: Buchvernissage mit Modeschau, 19 Uhr, Miller’s Studio, Mühle Tiefenbrunnen, Zürich

 

25. Oktober 2013: Buchpräsentation in der Brasserie Lipp (im Rahmen des Literaturfestivals «Zürich liest») 

 

 

Der Autor Georg Weber, *1950, studierte Volkswirtschaft an der Universität Bern und Politische Wissenschaften an der Columbia Universität New York. Er lebt in Zürich und war lange Jahre als Amerikakorrespondent für Schweizer Medien tätig. 2010 erschien sein Buch «Aus Eigenem – Zehn Lebensentwürfe in der Rückschau», Ex Proprio Verlag, Zürich.

 

 

Georg Weber
Christa de Carouge – Schwarz auf Weiss

Biografie

Römerhof Verlag Zürich 2013

252 S., zahlreiche s/w-Abb., Hardcover
CHF 44.00. € 34.80
ISBN 978-3-905894-21-9

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