FRONTPAGE

«Im Wilden Westen: Too tough to die»

Von Ingrid Schindler

 

Der Südosten Arizonas liegt abseits der grossen Attraktionen des Grand Canyon States und ist Wilder Westen pur.

 

Steine dreht man auf dem Friedhof von Tombstone besser nicht um. Womöglich landet man sonst selbst im Grab. Es könnte sich eine Klapperschlange, giftige Echse oder ein Skorpion darunter verbergen.  Der Süden Arizonas ist kein besonders freundliches Terrain. Nichts für unbedarfte Spaziergänger zwischen  Teddybär-, Kandelaber- und Kugelkakteen unter sengender Sonne.
Doch so friedlich wie heute war Tombstone noch nie. Immerhin wurde der Ort wegen seiner Brutalität berühmt und wäre ohne Mord und Totschlag so mausetot wie die Revolverhelden auf dem Friedhof. Aber Tombstone hatte mehr Glück als andere aus dem Wüstensand gestampfte Boomtowns im Old West, die ihre Existenz den Edelmetallen in den roten Bergen verdankten.
Als 1877 Ed Schieffelin nahe den Dragoon Mountains nach Silber suchte, hatte er den Spott der Soldaten von Fort Bowie in den Ohren. «Alles, was du dort finden wirst, ist dein Grabstein», sollen sie ihm nachgerufen haben. Der Glücksritter wurde fündig und taufte den Ort Grabstein. Ein Jahr später versuchten 6000 Abenteurer und Outlaws in Tombstone  ihr Glück, keine zehn Jahre darauf war die Stadt eine der grössten zwischen San Francisco und New Orleans.
Wenn es nichts mehr zu holen gab, zog die Meute weiter. So erging es etwa 50 um 1880 entstandenen Städten in Arizona, die zu gottverlassenen Ghosttowns wurden. Tombstone blieb dieses Schicksal dank des Gunfights am O.K. Corall erspart; die Schiesserei am Pferdepferch wurde von Hollywood entdeckt, wurde immer wieder neu verfilmt und die «town to tough to die» selbst zum Star. Heute schlagen keine leibhaftigen oder von Hollywood gemachten Helden à la Wyatt Earp, John Ringo und Doc Holiday die Tür zu Big Nose Kate’s Saloon auf, sondern Touristen aus aller Welt. Denn auch das Spektakel des nachgestellten Revolverkampfs macht Lust auf Margaritas und Tequilas.
Who the hell is Winnetou?
Jerry Sanders Grossvater wurde in Tombstone erschossen.  Lässig lehnt der Rancher unter einer Weisseiche und schiebt seinen Cowboyhut in den Nacken.  «Mein Grossvater hat Johnny Ringos Leiche hier gefunden», erzählt der Rancher, der wie seine Vorfahren im Südosten Arizonas Rinder züchtet. Sein schwarzer Prachtbulle grast ein paar Meter neben Ringos Grab, getrennt durch einen Weidezaun. Manchmal findet Sander Münzen auf dem Grabstein, hingelegt  von Leuten, die die Gesetzeslosen verehren. Der alte Viehzüchter sammelt die Quarters ein: «Geld kann man immer brauchen. Rindfleisch ist ja heute nichts mehr wert.»
Bei Sanders Nachbarn auf der Sunglow Ranch an den Ausläufern der Chiricahua Mountains kann man in Casitas im mexikanischen Stil übernachten. Die Bungalows gehen auf eine Feuerstelle hinaus, wo man nach Sonnenuntergang in Ruhe sein Bier am Feuer trinken kann. Die Zikaden zirpen, der Sternenhimmel ist zum Greifen nah, die Luft extrem sauber. Die Ranch ist ein guter Ausgangspunkt für Erkundungen im Apachenland.
In den Chiricahuas waren grosse Häuptlinge wie Cochise, Bonito und Geronimo, der letzte Guerillero der Apachen, zuhause. Heute sind die Berge mit den senkrecht aufragenden Felsnadeln und bizarr balancierenden Felskolossen ein National Monument, in dem man wandern kann. Aber  Winnetou und die Apachen sucht man vergebens. Karl Mays Superindianer kennt hier sowieso niemand.
«Who, the hell, is Winnetou?» fragt Parkrangerin Suzanne Moody. Und die echten  Apachen leben längst nicht mehr im  «Land der Wilden Truthähne», was Chiricahua in ihrer Sprache bedeutet, sondern in Reservaten.
«Die Flora und Fauna ist ähnlich wie in Mexiko», sagt die Rangerin. Die Grenze ist nah, es gibt hier wie dort Wildkatzen, Berglöwen, Kojoten, Klapperschlangen, Bären oder Adler. Eigentlich gefährlich seien die Klapperschlangen nicht. «Meistens beissen sie junge Männer, wenn sie die Schlangen reizen. Mehr Menschen sterben in Arizona aber an Bienenstichen.»
Bevor Arizona  1848 an die USA fiel, gehörte es zu Mexiko. Als im Süden der Chiricahuas die Queen Mine in Bisbee, die grösste Kupfermine der Welt, in Betrieb ging, war Arizona noch US- Territorium; es wurde erst  1912 zum 48. US-Bundesstaat. Bisbee machte den jungen «Copperstate» reich; heute nennt sich Arizona «Grand-Canyon-State».
Alte Hüte, alter Glanz 
Als der Kupferpreis in den Keller ging, schloss die Mine.  Seitdem setzt Bisbee mit Galerien mit Hippieflair, Kunsthandwerk und Antiquitäten auf Tourismus. Pensionierte Minenarbeiter führen Besucher  ins Innere der Berge und zeigen, wie man Gänge in den Felsen sprengt. Gegenüber dem Eingang zur Queen Mine glänzen silbrige Airstream-Trailer von Shady Dell in der Sonne. Die Vintage-Wohnwägen kann man mieten, vom winzigen «home made Trailer» bis zum «Royal Mansion», in dem von der Schallplatte bis zur Kaffeekanne alles  aus den 50ern stammt.
Eine weitere Attraktion in Bisbee stellt ein kleiner Hutsalon dar. Hüte werden dort wie eh und je von Hand gefertigt. Mit einem metallenen Messhut nimmt Grant Sergot Mass, um Panama- oder Cowboy-Hüte der Kopfform anzupassen. Hier ist ein Künstler am Werk, bei dem der Hutkauf zum Erlebnis wird und das Aufsetzen, Ablegen und Leben mit dem Hut gelernt sein will.

 

Stilvoll „behütet“  und frisch geschult kann man im Gadsden Hotel in Douglas wie Faye Dunaway die marmorne Freitreppe unter Tiffany-Glasfenstern und vergoldeten Säulen herunter schweben. Das «letzte der Grand Hotels des Old West» wurde, wie Besitzerin Robin Brekhus erzählt,  «von einer Cattle- und Copper-Company mit allem  Pomp» errichtet. Es zog Stars in Massen an: Paul Newman, Robert Redford, Harrison Ford, die Monroe … Die lange Reihe der Dagewesenen endet bei Johnny Depp, der 1993 bei den Dreharbeiten von «Arizona Dream» ein Schwein als Haustier mitbrachte, es da liess und später wieder besuchen kam. Der Wilde Westen ist in dem verstaubten Grandhotel und seinem Ableger samt Saloons, Spielhölle, Bars und Barbershop heute noch sehr präsent. Menschenleere Strassen flirren in der Mittagshitze, Mexiko liegt nur ein Blocks entfernt, High Noon lässt grüssen.
In glänzender Verfassung zeigt sich das Arizona Biltmore in Phoenix. Die Mutter aller Luxusressorts,  1929 eröffnet, präsentiert sich als ewig junges Meisterwerk der modernen Architektur im Stil Frank Lloyd Wrights, das Luxus mit Avantgarde-Design und mexikanisch-folkloristischen Einflüssen vereint. Das «Juwel der Wüste» gehört heute zur Waldorf Astoria Collection. Mit einem Panamahut aus Bisbee darf man sich ein bisschen wie Marilyn Monroe fühlen, die an den Pools des Biltmore ihre Reize spielen liess. Und unter der Golddecke der Halle, der grössten der Welt nach dem Taj Mahal, die Weltstars wie Präsidenten unter sich sah, kommt auch ein schöner Cowboyhut gut zur Geltung.

Arizonas wilder Südosten

 

Anreise: Flug mit British Airways von London Heathrow direkt nach Phoenix, der Hauptstadt Arizonas, oder mit Continental Airlines ab Zürich via Newark/ NY nach Phoenix. Von Phoenix sind es ca. 380 km bis nach Douglas, die südöstlichste Grenzstadt Arizonas.

 

Info: Arizona Office of Tourism, c/o Kaus Media Services, Tel. +49 (0)511 – 899 890 0, www.kaus.net bzw. www.arizonaguide.com;  der beste und umfassendste Reiseführer: Fodor’s Arizona & the Grand Canyon 2010, jährlich aktualisert, in englischer Sprache, www.fodors.com.

 

Reisezeit: Frühjahr und Herbst; Südarizona hat trockenes, heisses Wüsten- und Halbwüstenklima.

 

Übernachten: Das Arizona Biltmore in Phoenix ist die Grand Dame der Spitzenhotellerie in Arizona, vernünftige Preise, stilvolle Zimmer, Concierge Service, 8 Pools, Golfplatz, Flughafen 15 Minuten entfernt, idealer Standort für Hauptstadterkundungen, www.ArizonaBiltmore.com. Die beste  Adresse in Bisbee ist das Letsons Loft Hotel mit grosszügigen, edel ausgestatteten, eleganten Zimmern, www.letsonlofthotel.com. 50er Jahre-Freaks kommen im hippen, günstigen Shady Dells Trailer Home in Bisbee auf ihre Kosten,www.theshadydell.com. Wer lieber nochmal die Schulbank drückt, kann in den Klassenzimmern des Schoolhouse Inn in Bisbee von guten Noten träumen,www.schoolhouseinnbb.com. Nostalgie pur verströmt das Gadsden Hotel in Douglas, www.hotelgadsden.com. Für Naturliebhaber und Birdwatcher ist die einsame Sunglow  Ranch zu empfehlen, ausgezeichnete Vollpension, weit und breit keine Alternativen. www.sunglowranch.com. Cowboysehnsüchte lassen sich auf arbeitenden Dude Ranches befriedigen, wo man mit echten Cowboys reiten, Lasso werfen, Vieh treiben und am Lagerfeuer riesige Steaks braten kann. Ranchleben mit allem Luxus und Komfort bietet die White Stallion Ranch am Fuss der Tuscon Mountains in der Nähe des Saguaro National Parks, www.wsranch.com.

 

Essen: Arizona verbindet mit Mexiko nicht nur Klima, Flora, Fauna und Architektur, sondern vor allem die Küche. Mexikanisches Essen ist allgegenwärtig und läuft Burger & Chips den Rang ab. Besonders die Restaurants des Salsatrails,www.salsatrail.com, haben sich auf Chilisaucen in allen Variationen, Burritos, Tortillas, Enchiladas, Green Chili Beef oder Red Chilies spezialisiert. Als Topadressen gelten das Salsa Fiesta in Willcox und das Manor House in Safford. Wer Burger und Hot Dog nicht lassen kann, bei Jimmy’s Burger in Bisbee gibt es angeblich die besten. Kulinarischen Glanz in die Provinznach Bisbee bringt Café Roka, dessen italo-kalifornische Fusion-Cuisine landesweit gerühmt wird.  Zwei Häuser weiter befindet sich Grant Sergots Hutladen Optimo, Gute amerikanische Küche serviert Coronado Vineyard,  hervorragende Apfelkuchen bäkt Apple Annies Apfelfarm ebenso wie sowie Stouts Cider Press, alle drei bei Willcox. Saftige Bisonsteaks gibt es im O.K. Cafe in Tomstone und im neuen Restaurant Albert & Frank im Arizona Biltmore sollte man weder Waldorfsalat noch Burger versäumen.

 

Grand Canyon: Wer den Grand Canyon noch nicht kennt, muss ihn sehen. Verschiedene gut geführte Mehrtagestouren bietet Detours an,www.detoursplatinum.com. Und den ultimativen Hut für die Reise bekommt man bei Optimo neben dem Café Roka in Bisbee, www.newoptimohatworks.com.

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