Leonardo Hotel am Brechtplatz (Berliner Ensemble)
Leonardo Hotel am Brechtplatz (Berliner Ensemble)
Ausstellung Magnum im Amerikahaus
Monkey Bar Berlin Bikini, Fotos: © Rolf Breiner
«Berliner Streifzüge – von der «Schönen Helena» bis zu den Wikingern»
Von Rolf Breiner
Berlin – die Hauptstadt boomt: Die Zahl der Hotelzimmer wächst proportional fast so schnell wie die der Besucher. Und kulturell ist eh immer etwas zu entdecken. Unser Streifzug führt vom alten neuen «Hotel Zoo» über die «Monkey Bar» bis zu den Wikingern und Magnum-Fotografen.
Möchten Sie wissen, wie sündig Berlin ist (oder war), dann schauen Sie ins Hotel Zoo (vormals Hotel am Zoo). Im November wurde es neu eröffnet und belebt – nach langer Sanierungszeit. Direkt vom Ku’damm – links vom Eingang eine Apple-Halle mit neusten Produkten, rechts Modeboutiquen – gelangt man ins erhabene Hotelfoyer, in dem eine sechs Meter hohe Holztür beeindruckt. Die führt freilich nirgendwohin. Ein potemkinsches Tor sozusagen. Vom Empfang vorbei an einem flackernden Kaminfeuer streift man die Bibliothek. Keine zur Schau, sondern zum Gebrauch. Und hier finden Sie «Das sündige Berlin. Die Zwanziger Jahre – Sex, Rausch, Untergang», einen Bildband. Aber auch Bücher über Marlene oder Grace. Man legt Wert auf Glamour-Zeiten, als Filmstars wie Grace Kelly, Romy Schneider oder Elizabeth Taylor in den Fünfziger- und Sechzigerjahren während des Filmfestivals hier wandelten oder nächtigten. Später ging‘s bergab mit der hehren Herberge.
Zwei Jahre hat man am Umbau und der Sanierung des Hauses gearbeitet, das 1881 ursprünglich als Wohnhaus erbaut und dann 1911 in ein Hotel umgewandelt wurde. Heute präsentiert sich das Hotel Zoo – «gefühlte fünf Sterne», so Sale-Director Tobias Graf – als Designer Hotel, konzipiert von Dayna Lee aus Hollywood. Angeboten werden 145 stilvolle Zimmer und Suiten mit hohen Räumen auf sechs Stockwerken – im gehobenen Luxusstandard mit Niveau (DeLuxe-Zimmer um 230 Euro). Ab Mitte Januar offeriert das edle Hotel Zoo abends ein Fine Dining Konzept.
Nachbar Bert Brecht
Viel Stil und Luxus hat sich auch das Hotel Leonardo auf seine Fahnen geschrieben. Vor den Türen des Brecht-Theaters ist das Design-Hotels im neuen Wohn- und Bürokomplex «yoo berlin» integriert. Erfolgreicher Entwickler und Investor ist die Zürcher Peach Property Group. Der namhafte Designer aus Paris, Philipp Starck, wurde an Bord geholt. Er entwarf diverse Wohnausstattungen unter Begriffen wie «Nature», «Classic» oder «Culture», wohlfeile extravagante Stilmischungen von pompös bis schlicht. Anschauungsmaterial und Wohnideen für potenzielle Käufer der 95 Wohnungen «Am Zirkus 1». In der Mitte Berlin – die Spree lässt grüssen – erhebt sich der Komplex «yoo berlin, inspired by Starck». Jetzt ist der Bau, der sich massig, gleichwohl luftig über acht Etagen erhebt, belebt. Die Preise der Eigentumswohnungen bewegen sich zwischen 950 000 Euro und 3,75 Millionen Euro. Peach Property hat die Gewerbe- und Büroflächen indes an den Spezial-Immobilienfonds KanAm Grund verkauft. Das Viersterne-Designhotel «Leonardo» mit 309 Zimmern wurde im August 2014 teileröffnet und ist jetzt in Vollbetrieb. Leonardo da Vinci und der Zirkus, der hier mal vor einem Jahrhundert stand, lesen sich an verschiedenen Wandausschmückungen ab. Bei guter Zimmerwahl hat man einen weitschweifenden Ausblick über die Dächern des Theater BE bis zum Alex. Es ist wohl ein Jahrhundert her, dass an diesem Platz ein Zirkus seinen Standort hatte. Dann hatte Bert Brecht im Theater am Schiffbauerdamm ein Theater-Domizil zu DDR-Zeiten gefunden. Natürlich treibt hier weiter Mackie Messer (gespielt vom Berner Stefan Kurt) in der «Dreigroschenoper» sein Unwesen. Aber auch Peter Pan schwirrt herum, lockt Wendy in sein Fantasyreich und kämpfte gegen Captain Hook (ebenfalls Stefan Kurt in Aktion) im Stück von James Matthew Barrie, musikalisch und inszeniert angereichert von Robert Wilson/Coco Rosie. Ein fulminanter theatralischer Spass um den Jungen, der nicht älter werden will. Diese Inszenierung wird nicht älter, obwohl sie bereits seit April 2013 im BE-Programm fungiert.
Antiker Spass um Gehörnten
Und wenn wir schon beim BE-Theater sind, sollte man sich Katharina Thalbachs tragikomischen Mix «Amphitryon» nicht entgehen lassen. Die Vollblut-Theaterfrau Thalbach (sie selbst spielt nicht mit) hat die Stücke der Dramatiker Kleist, Moliere und Plautus zu einem vergnüglichen Ehe-und Liebesdrama um den geilen Göttervater Zeus/Juppiter, der verführten Alkmene und um ihren gehörnten Gatten Amphitryon verwurstet. Da spielt die Band auch mal einen Sirtaki, wird ein Lied von Milva gesungen und kräftig betrogen. Unterhaltung volle Pulle zwischen Tiefsinn und Klamotte.
Um einen antiken Stoff geht’s auch in der «Schönen Helena», einer Opera bouffe von Jacques Offenbach. Fast drei Stunden dauert das Spektakel um Paris, Menelaus, Agamemnon, Orest und Helena. Die Helden sind allmählich müde und Helena tanzt ihnen auf der Nase rum und erliegt dem Ruf des schönen Paris auf eine griechische Insel. Kein Fall für Altphilologen und Puritaner. Die Männer in Lederhosen zeigen ihren Allerwertesten, es werden wilde Runden auf Rollschuhen gedreht, gespasst, gezetert, getanzt und gestemmt. «Zu einem Gesamtkunstwerk in harmonischesten Geiste vermögen Aktion und Gesang in der Operette zu verschmelzen, welche eine Welt als gegeben nimmt, in der sich der Unsinn von selbst versteht», schreibt der grosse Karl Kraus. Hier bei der «Schönen Helena» hat er nur zu recht.
Wer’s gern einheimisch hat, wird in Berlin natürlich auch fündig, beispielsweise im Swissôtel, nahe Ku’damm an der Augsburgerstrasse. Hier wird dem geneigten Gast donnerstags und freitags Hüttenzauber in der Schweizer Gondel (für 4 Personen) offeriert, oder man kann im Restaurant 44 aus einer ganzen Fondue-Palette auswählen (22 Euro pro Fondue/Person).
Wilde Kerle und famose Fotografen
Dem Affengelände und Giraffenhaus des Berliner Zoos ganz nah ist man in der Monkey Bar (im Komplex Bikini Berlin). Man schlürft diverse Cocktails, hockt gemütlich in Lounge-Couchen oder auf Treppen und ist den Affen doch weit überlegen, zumindest in der Höhe, blickt auf Gedächtniskirche und Zoo und ist dem Himmel über Berlin ganz nah.
Wikinger liegen im Trend. Die Schweizer Filmproduktion «Northmen» mit Anatole Taubman als brutalem Krieger erobert die Welt. Der Abenteuerstreifen wurde in rund 50 Länder verkauft. Einen historisch genaueren Blick auf die wilden Kerle aus Skandinavien, auf ihre Eroberungszüge und Pionierfahrten ermöglicht die Ausstellung «Die Wikinger» im Martin-Gropius-Bau (bis 4. Januar 2015). Die Räuber, Händler und grossen Seefahrer machten vom späten 8. Jahrhundert bis ins späte 11. Jahrhundert Küsten und Länder unsicher, gründeten Stützpunkte, Siedlungen, Reiche und «verschwanden» wieder. Ihre Welt, vor allem ihre Schiffbaukunst zeigt die Ausstellung anschaulich und spannend.
Einen Stockwerk höher im Gropius-Bau kann man einem grossen italienischen Filmer begegnen: «Pasolini Roma» (bis 5. Januar 2015). Das Leben Pier Paolo Pasolinis (1922-1975) wird in Bildern und Dokumenten nacherzählt: Die Liebe zu seiner Mutter und sein römisches Schicksal, seine Filme, seine Prozesse, seine Ermordung. Ein Muss für jeden Filmfan.
Schonungslose Zeitdokumente
Ganz andere Einblicke bietet die Schau «Magnum Contact Sheets» in der C/O Galerie Berlin (im Amerika Haus beim Bahnhof Zoo). Hier sind 100 Kontaktbögen aus der legendären Fotoagentur Magnum zu sehen. Vertreten sind u.a. auch Frank Capra mit Bildern vom D-Day oder der Schweizer René Burri mit seinem Porträt Ernesto Che Guevaras. Die Augenblick vor und nach dem Schuss, sprich Bild, das dann veröffentlicht wurde, werden dokumentiert. Eine einmalige Gelegenheit, in die «Werkstatt» grosser Fotografen zu schauen, Weltereignissen und Momenten der Zeitgeschichte wieder zu begegnen, vor allem aber den entscheidenden Augenblick, eben «The Photographer’s Choice», nachzuvollziehen (bis 16. Januar 2015).
In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich das Museum für Fotografie, in dem der Fotoästhet Helmut Newton (1920-2004) eine «Heimstätte» fand. Seine geschönten, aber schonungslosen Frauenporträts faszinieren nach wie vor. Eine ganz andere Welt wird im selben Haus vor Augen geführt: «Fotografie im Ersten Weltkrieg» (bis 11. Februar 2015). Exemplarisch wird der Kriegsalltag, etwa in den Schützengräben, lebendig, aber auch die geschundenen Landschaften, Städte und Menschen. Gleichzeitig dokumentiert die Ausstellung ein wichtiges Kapitel der Fotografie, wie sie zum Erinnerungsstück wurde, aber auch der Aufklärung, Idealisierung und Propaganda diente. Sehenswert.
Berlin boomt und nervt – mit unendlichen Baustellen (Flughafen, Unter den Linden usw.) und lockt Millionen Besucher. Allein bis Ende September dieses Jahres waren es 8,8 Millionen. Wer shoppen will, sollte die piekfeine «Mall of Berlin» beim Potsdamer Platz besichtigen – modern, offen, elegant. Nur hat der Milliarden-Bau einen Schönheitsfehler. Migrantische Arbeiter/-innen aus dem EU-Ausland wurden zu niedrigen Löhnen beschäftigt und teilweise nur ausbezahlt. Die FAU (Freie ArbeiterInnen Union Berlin) protestieren vor dem Konsumtempel im November und Dezember. Da geht’s bei den diversen Weihnachtsmärkten vom Alex bis zum Schloss Charlottenburg fröhlicher und vor allem feuchter zu. Der schönste Markt? Aus eigener Anschauung: der am Gendarmenmarkt (Eintritt: 1 Euro), viel Kunsthandwerk und Konzerte nebst den üblichen Glühwein- und Fressständen, aber sehr stimmungsvoll.