FRONTPAGE

«Dana Ranga: COSMOS – eine Reise ins All»

Von Ingrid Isermann

 

Ein Blick aus dem Weltraum auf den blauen Planeten: «Die Reise ins All / ist eine Reise des Geistes / warum fliegen wir in den Weltraum / wenn nicht um etwas / über uns zu erfahren / und über das, was es mit diesem Universum / auf sich hat? / Über unseren Platz in dieser Ordnung / und darüber, was es bedeutet / ein Mensch zu sein».

Mit diesen Zeilen eines Astronauten beginnt Dana Ranga ihre poetische Reise zu den Sternen in der Hoffnung, Antwort auf die Fragen zu finden, die Astronaut Musgrave stellt. In über 80 Gedichten, die in der jahrelangen Auseinandersetzung mit der Raumfahrt und einer Vielzahl von Interviews mit Astronauten und Kosmonauten entstanden sind, geht sie der Frage nach, was Menschen in den Weltraum treibt, was sie dort erleben und was sie vor, während und nach der Reise empfinden.

 

Mit ihrer ungewöhnlichen und packenden poetischen Recherche über die Sehnsüchte und Träume der meist völlig unbekannten Pioniere, wie der Internationalen Raumstation ISS, die in unbekannte Welten vorstossen, nimmt sie den Leser selbst mit auf die Reise in den Kosmos.

 

Nachdem der letzte Astronaut der insgesamt zwölf Astronauten der US-Raumfahrtsbehörde NASA am 14. Dezember 1972 den Mond betreten hatte, herrschte Funkstille. Nun ist plötzlich wieder ein Wettrennen auf den Mond im Gange. Japanische Wissenschaftler entwickeln Ideen zur Nahrungsmittelproduktion auf dem Erdtrabanten, der schon bald Langzeitaufenthalte im All möglich machen soll. Sowohl die USA, wie auch Russland und China planen Weltraumflüge zum Mond, auch der Mars steht in näherer Zukunft zur Diskussion.
Und nicht zuletzt auch seit Elon Musk den Weltraum-Tourismus eröffnete, ist der Outer Space erneut in den Fokus des Interesses getreten.
Hier ist eine hautnahe Reise ins All, begleitet von jenen, die die unendlichen Räume des Universums auf einer Raumstation bereits betreten haben.

 

 

Man muss Raum-Mensch
werden

 

Man begreift
dass man neue Symbole
neue Metaphern braucht

eine neuartige Sprache

 

Für mich
ist das All

eine Erweiterung
kein Wandel

 

Um das All zu verstehen
muss man sich hingeben
und nicht versuchen
es zu beherrschen

 

Die Mentalität des Eroberns
bedeute dass man seinen
erdverhafteten Standpunkt

mit hinaufnimmt
so bleibt man

ein Erden-Mensch

 

Das All
wird einen dann nicht berühren

und man wird es auch
nicht verstehen

Eine Erfahrung zu durchleben
bedeutet immer
sich ihr hinzugeben

 

 

Astronaut Story Musgrave (2)

 

 

Und dann haben wir
tatsächlich

 

eine komplette Erdumkreisung
lang
ungestört
aus dem Fenster geschaut
und im Hintergrund lief
auch noch
Beethovens Neunte
Also die ganze Neunte
die anderthalb Stunden lang war
ein sehr überwältigender
Moment
wenn man in dieser Situation
auf die Erde blickt
dann gehen
einem viele Gedanken
durch den Kopf …
(Er und sie
gestern haben sie getanzt
Janice und Gerhart
Jazz im Weltall)

 

Astronaut Gerhart Thiele

 

Dana Ranga, 1964 in Bukarest geboren, studierte in Rumänien Medizin, bevor sie an die Freie Universität Berlin wechselte, wo sie Publizistik, Kunstgeschichte und Filmtheorie studierte. Für ihre Filme wie East Side Story (1997), Story (2003), einen Dokumentarfilm über den Astronauten Story Musgrave oder Cosmonaut Polyakov (2007), erhielt sie zahlreiche Preise. 2011 erschien ihr erster Lyrikband Wasserbuch und 2016 der Erzählungsband Hauthaus (Suhrkamp). Ranga lebt als freie Schriftstellerin in Berlin.

 

 

Dana Ranga
COSMOS
Gedichte
Matthes & Seitz, Berlin 2021
Abbildungen ©NASA / ESA
CHF 34.90
ISBN 978-3-95757-916-4

 

 

«Leo Pinke: Lyrikdebüt der Erforschung des Erlebten»

 

 

Leben in den Wörtern zu erfinden, definiert die Lyrik von Leo Pinke. Jemand hört sein Herz, das Pumpen eingeflösster, unpersönlicher Sprachformen. Worte werden angeschrägt, bis jemand aus ihnen aufschaut, als wollten sie einer Welt widersprechen, in der alles und jeder gezwungen ist, sich unmittelbar selbst zu gleichen. Sie erforschen zitierbare Gesten des Erlebten, transformieren Gefundenes und kommentieren verschiedenste Versuche, das Leben auf den Lippen zu führen.

 

 

Sie für einen Augenblick vergessen,
die Flügel,
und uns entsetzen
zu fallen,
bis sie sich erneut
öffnen.

 

Die Flügel,
die nunmehr der Zweifel
an ihnen öffnet,
mit elektrischen Schlägen,
über sich hinaus.

 

 

Himmel, Herbst

 

In Nachts Schatten
Nichts gewaht:
das Papiergaloppieren
der keinen Schwingen.

Ihr Heim im Verneinten,
wo die Seite bar der Handhabe
hörbarer Hufe.

 

Über dort oben,
wo kein Ohr oder Ort,
weist es zurück
ins Medusenhaupt.

 

 

Augurenlächeln

 

Im utopischen Gebiet der Liebe,
im Sagbaren,
das zwischen Projektion und Präsenz,
die entfernte Rotation zweier beschreibt,
die neben sich stehen,
mit der unzureichenden Signatur
im Freien endenden Seiten,
sind die Liebenden zwei Worte,
hoch in die Luft geworfen wie
Steine, die zu Vögeln werden,
mit Federn, die sie liessen.

 

 

Leo Pinke, 1992 bei Marburg geboren, lebt in Rennes und Leipzig. Er promoviert zur deutschsprachigen Rezeption moderner französischer Poesie und übersetzt aus dem Französischen, zuletzt gemeinsam mit Tim Trzaskalik: Syvie Kandés Die unendliche Suche nach dem anderen Ufer. Schräg am Federbug ist sein dichterisches Debüt.

 

 

Leo Pinke
Schräg am Federbug
Gedichte
Matthes & Seitz, Berlin 2021
CHF 28.90
ISBN 978-3-7518-0049-5

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