Cingle de Montfort, Dordogne
Die Dordogne zwischen Argentat und Beaulieu
Penne d Agenais
Autor Martin Walker mit Trüffel: «Schwarze Diamanten» © Fotos Ingrid Schindle
«Mit dem Kanu und einem guten Krimi durchs Gourmetparadies Périgord»
Von Ingrid Schindler
Die Dordogne ist ein idealer Einsteigerfluss für Paddler. Sie fliesst durch das Schlaraffenland des Périgord im Südwesten Frankreichs, das der Autor Martin Walker zum Thema seiner Krimis gemacht hat. Eine liebens- und lesenswerte Reise in die «France profonde».
Das Rauschen hört man von weitem. Gerade noch sah der Fluss harmlos aus und auf einmal schäumt und kräuselt sich die Wasserlinie. «La Douce», die eben noch gemächlich dahingleitende Dordogne, zeigt sich an Stromschnellen gar nicht sanftmütig und zieht alle Aufmerksamkeit auf sich. Die Kanuten im Heck steuern die Kanadier mit dem Ruderblatt in die Strömung hinein, während die Vordermänner und Frontfrauen volle Kraft voraus paddeln, damit die Boote schneller sind als der reissende Fluss. Eine kleine Unaufmerksamkeit, ein kurzer Aussetzer oder Wellen, die ins Boot schlagen: blitzschnell kippt das Kanu um und beschert den Insassen ein kühles Bad.
Zusammenflüsse, Brückenpfeiler, Flachwasser, Felsbrocken, alte Wehre, Engstellen, Kiesbänke, Bootsrutschen oder Treibholz – es gibt so vieles, was Kanufahrer auf der Dordogne in Atem hält. Dabei gibt es am Ufer von Frankreichs malerischstem Fluss so viel mehr zu entdecken. Vor allem an seinem mittleren Lauf im Périgord zwischen Vayrac und Lalinde, wo die dunkelgrüne Dordogne spektakuläre Schlaufen wie die Cingles de Montfort, Limeuil und Trémolat und Höhlensysteme in den ockerfarbenen Kalksandstein gefräst hat, erheben sich hoch über dem Ufer zauberhafte Felsendörfer, Schlösser, Burgen und Bastiden.
Die bizarren, steil abfallenden, überhängenden Kalksteinfelsen wechseln sich mit dicht bewachsenen, wild- und pilzreichen Auwäldern ab, in denen Steineichen, Kastanien und Nussbäume dominieren. Während sich in Lascaux und anderen prähiostorischen Höhlen die Besucher drängen, stören weder Strassen, noch Bettenburgen und Badeanstalten die Ruhe der Wasserwanderer auf der Dordogne – abgesehen von anderen Kanus und Kajaks, die sich an ein paar Zugängen zum Fluss, v.a. im Felsenort La Roque-Gageac und in Limeuil, wo die Vézère in die Dordogne mündet, auf dem Wasser tummeln. Meist hat man ab der nächsten Stromschnelle den Fluss wieder für sich und teilt ihn mit Reihern und Ringelnattern. Dann und wann weisen Schilder auf einen hinter Weiden verborgenen, idyllisch gelegenen Campingplatz, ein Café oder eine Bar hin.
Mit fast 500 Kilometern ist die im Zentralmassiv entspringende Dordogne einer der längsten Flüsse Frankreichs. Für Wasserwanderer ist sie so attraktiv, weil sie durchgehend paddelbar, sehr abwechslungsreich, naturbelassen und weitgehend einfach zu meistern ist. Im Oberlauf zwischen Argentat und Carennac zeigt sie sich weniger sanft und weist einige tückische Stellen auf. Doch nach ein paar Tagen Übung lässt sich das gut bewältigen, und wer trotzdem in den berüchtigten Stromschnellen von Argentat kentert, den fischt die Feuerwehr aus den Fluten unversehens wieder heraus. Für diesen Fall stehen im Sommer die Rettungsschwimmer der Sapeurs Pompier an der Stromschnelle beim Zeltplatz von Argentat parat.
Nach ganzen Tagen auf oder neben dem Wasser – die Dordogne lässt sich ebenso gut mit dem Velo, Pferd oder zu Fuss erkunden – schmecken die Genüsse des Périgords nochmal so gut. Allein schon der Bummel über einen der zahlreichen Bauernmärkte macht Appetit. Foie gras, Stopfleber, heisst die Spezialität der Region. Sie stammt zu 95 Prozent aus Entenleber, nur fünf Prozent basieren auf Gans. Dies erklärt die Allgegenwart von Entengerichten, die in den Restaurants auf der Karte stehen: von frisch gebratener und konservierter Stopfleber über Cassoulet, Confit und Magret de Canard bis zum Salat mit Gésiers, Entenmägen. Entenprodukte gibt es überall zu kaufen, Enten- und Gänsefett ersetzen in der Küche des Périgords, die als Herz der Cuisine française gilt, die Butter. Schwarze Trüffel, Steinpilze und die hervorragenden Weine von Bergerac, Pécharmant und Montravel machen das Schlemmerparadies perfekt.
Die Hälfte der französischen Foie-gras-Produktion kommt aus dem Südwesten des Landes, wo man auch am meisten davon verspeist. Damit bildet das Périgord das Herz des grössten Foie-gras-Produzenten und -konsumenten der Welt. Dass es sich hier nicht um Tierquälerei, sondern um Liebe zu einem Naturprodukt handele, erklären Entenmäster und Gastronomen nur zu gern. Man gebe den Tieren nicht mehr als das, was diese selbst für ihren Flug von Nordafrika nach Europa täten, nämlich sich zwei Wochen lang vollfressen. Wichtig sei, dass die Tiere ‚massvoll’ von Hand, d.h. artisanal, und nicht industriell gestopft würden.
Zum Apéro und zu Foie gras trinkt man einen likörartigen Vin de noix aus Périgord-Nüssen oder vorzugsweise den goldenen Süsswein aus den Kellereien von Monbazillac im südlichen Bergerac. Mit Foie gras, Entenrillettes, Baumnuss-Salami, Cabécou, einem lokalen Ziegenkäse, und den hocharomatischen Erdbeeren der Region wird selbst das Paddler-Zvieri auf dem Campingplatz zum Gourmetpicknick.
Dass trotz des hohen Fett- und Weinkonsums die Infarktrate im Périgord niedriger ist als im restlichen Frankreich, ist für Anglophile «the real French paradox».
Der schottische Autor und Journalist Martin Walker und seine Frau Julia haben sich längst an die regionalen Essgewohnheiten gewöhnt und wissen, wo man gute lokale Erzeugnisse bekommt. Sie leben seit über zehn Jahren einige Monate im Jahr im Périgord und sind nicht die einzigen Briten vor Ort. Viele Makler schreiben ihre Immobilienangebote in Englisch aus, Bergerac, Périgueux und Bordeaux werden täglich von britischen Billigfliegern angeflogen und die «rosbifs», wie die Einheimischen die Briten nennen, sind aus dieser Ecke Frankreichs nicht mehr wegzudenken. «Die Briten lieben die Region, weil es ebenso charmante, alte Dörfer und Anwesen wie in England gibt und die Landschaft genauso grün und ländlich ist, die Temperaturen sind jedoch wärmer, das Essen ist besser und das Leben günstiger», erklärt Walker die Faszination seiner Landsleute für die Dordogne. Ausserdem würde man sich mit den Südwestfranzosen die Begeisterung für Rugby teilen.
Die Liebe zu den Menschen und Erzeugnissen der Region spielt in Martin Walkers Kriminalromanen eine grosse Rolle. Als Vermittler der perigourdinischen Lebensart fungiert der Ermittler Bruno, der das Zeug zu einem neuen Typus von Krimihelden hat, weil er als sympathischer Dorfpolizist mit Manieren, Herz und Verstand spannende, lebensnahe Fälle quasi von unten aus tiefster Volkesseele löst. Der Polizist geht auf die Jagd, renoviert alte Häuser, trainiert den Rugbynachwuchs, schützt die lokalen Käse- und Foie-gras-Produzenten vor den Inspektoren der EU und kocht zu all dem gern und gut. Man möchte sich sofort mit ihm und seinen Freunden an den Tisch setzen, wenn er Trüffelomelette, Schnepfe oder Steak mit Rotweinjus serviert. Kein Wunder, ist der ledige Dorfpolizist bei Frauen begehrt.
«Das ist der einzige Unterschied zum echten Bruno, der im richtigen Leben Pierrot heisst», sagt Walker. Sein Freund ist nämlich längst vergeben. Nun ja, ein paar Jahre und Kilos mehr hat er auch auf den Rippen. Der Autor lacht und klopft seinem Freund auf die Schulter. Pierrot-Bruno nimmts gelassen. Ihm ists recht, solange es keine Morde im richtigen Polizistenleben im Périgord gibt. Als Einstimmung auf die Dordogne sind die beiden auf Deutsch erschienenen Fälle «Bruno Chef de Police» und «Grand Cru» jedenfalls bestens geeignet. Am schönsten lesen sie sich an einem lauschigen Plätzchen am Fluss. Und nicht ohne gut gefüllten Picknickkorb natürlich.
Kanus, Foie gras und der gute Dorfpolizist
Die Region Périgord bildet das Herzstück des südwestfranzösischen Departements Dordogne, ein grünes Bauernland, in dem Tabak, Wein, Getreide, Obst und Nüsse gedeihen.
Die grössten Städte sind Périgueux, Bergerac und Sarlat. Die Region ist für ihre prähistorischen Felsmalereien an der Vézère, romantischen Dörfer, unzähligen Schlösser und Delikatessen berühmt.
Info: www.dordogne-perigord-tourisme.fr,www.franceguide.com.
Anreise Auto: 750 km Basel-Sarlat-la-Canéda (via Besançon, Châlon- sur-Saône, Clermont-Ferrand, Brive-La-Gaillarde).
Zug: via Paris, 4 Std. Paris-Périgueux.
Flug: ganzjährig Easy Jet Basel–Bordeaux ab CHF 27 one way, weiter mit dem Leihwagen oder Regionalzug Bordeaux-Bergerac-Sarlat.
Dordogne mit dem Kanu: Eurotrek (www.eurotrek.ch) bietet 8-tägige Kanuwanderungen in Gruppen an, davon je 4 Tage am Mittel- und am Oberlauf (inkl. Kanu, -ausstattung, Zelt, Campingplatz, Guide, Kochausrüstung, Zwischentransfer).
Bei Kanuverleihern vor Ort kann man tage- bzw. stundenweise Kanus inkl. Rücktransport buchen.
Unterkünfte: siehe www.dordogne-perigord-tourisme.fr,www.gites-de-france.fr,
Camping: www.campings-dordogne.com; luxuriöse Hotels: www.relaischâteaux.com, insbesondere das Vieux Logis in Trémolat mit seiner hervorragenden Küche und das Château de la Treyne in Lacave wegen seiner grandiosen Aussicht über die Dordogne.
Literatur: Martin Walker, «Bruno, Chef de Police», Diogenes Verlag 2009, neu auch als TB für CHF 17.90, «Grand Cru», Diogenes Verlag 2010, CHF 38.90, beide auch als Hörbücher. Der dritte Fall, «Schwarze Diamanten», ist gerade bei Diogenes erschienen und kostet ebenfalls CHF 38.90.