Fotos © Ingrid Schindler
«Mit Kölsch durch Köln»
Von Ingrid Schindler
Es zischt, das kühle, obergärige, süffige Bier der Kölner, das der Zappes aus dem Fass zapft und der Köbes im Kölschring mit Schmackes an den Tisch schwingt. An den blankgeputzten schmalen Ahorntisch, wie es sich in einem ordentlichen Kölner Brauhaus gehört. Was, Sie verstehen Bahnhof? Dann buchen Sie eine Kölschtour in Köln am Rhein. Dort lernt man das Bier geniessen und die Begriffe verstehen.
Einführung in die Kölner Brauhauskultur in zehn Lektionen.
Lektion 1 Ohne Köbes kein Kölsch. Der Köbes, Mehrzahl die Köbisse, ist der Blaumann der Kölner Kneipen. Der Kellner ist nicht blau im Sinne von betrunken, sondern blau gekleidet und trägt häufig Krawatte. Blau ist die Farbe der Arbeit. Doch rufen Sie nie Kellner oder Ober, das geht schief, sondern Köbes (Köbi auf Schweizerdeutsch). Derselbe ist wortgewandt und von eher ruppigem Charme. Lassen Sie sich durch seinen herben Humor nicht aus der Ruhe bringen. Die Bezeichnung leitet sich, wie Sie richtig vermuten, von Jakobspilgern ab, die in Köln Halt und sich in den Brauhäusern ein paar Groschen dazu verdienten. Seit Erzbischof Rainald von Dassel 1164 den Schrein der Heiligen Drei Könige von Mailand nach Köln holte, war die Römerstadt die Touristen- bzw. Pilgerhochburg nördlich der Alpen schlechthin und im Mittelalter die grösste Stadt im deutschen Sprachraum.
Lektion 2 Heute ist die Metropole am Rhein mit über einer Million Einwohner die viertgrösste deutsche Stadt und mit 3‘300 Gastrobetrieben deutsche Kneipenhochburg. Wenn Sie nur wenig Zeit in Köln verbringen, sollten Sie wenigstens eines dieser Brauhäuser im Zentrum aufsuchen: Früh am Dom, Gaffel, Sion, Peters oder Sünner im Walfisch. Wer sein Kölsch touristenfrei und in Bio-Qualität trinken möchte, begebe sich in Hellers Brauhaus im Belgischen Viertel.
Lektion 3 Wer nichts bestellt, bekommt in traditionellen Brauhäusern meist trotzdem ein Kölsch vorgesetzt – und noch eins und noch eins, bis der Groschen fällt: Bierdeckel aufs Glas legen! Das ist das Zeichen, dass man genug hat und zahlen will.
Lektion 4 Im Normalfall wird Kölsch im 0,2 l Glas ausgeschenkt. Für den schnellen Sturzschluck gibt es das Stösschen (0,1 l), für den grossen Durst in geselliger Runde das Pittermännchen (10 l). Die Einführung anderer Glasformen neben der schmalen, schlanken, geraden Stange hat sich bislang nicht bewährt und jeweils einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.
Lektion 5 Die Kölner Brautradition gibt es schon lange, das echte Kölsch, wie man es heute kennt, noch nicht. Erst im 16. Jahrhundert wurde Hopfen verwendet, bis dahin braute man Kölsch mit bitteren Kräutern, Rinden und Wurzeln. Bis ins 19. Jahrhundert trank man es trüb und ungefiltert. Das heutige Kölsch wird nach dem deutschen Reinheitsgebot von 1516 in ca. 32 Sorten von gut 20 Brauhäusern aus Hopfen, Gerste und Wasser gebraut und besitzt ca. 11,3 Prozent Stammwürze und 4,9 Prozent Alkohol.
Lektion 6 Kölsch gibt es nur in Köln. Die Kölsch-Konvention der Kölner Brauhäuser von 1985 regelte offiziell, was sich Kölsch nennen darf – nur in traditionellen Familienbetrieben in und bei Köln gebrautes Kölsch – und was nicht. 1997 erkannte die EU Kölsch als regionale Bierspezialität mit geschützter Herkunftsbezeichnung an. Die Konkurrenz ist gross und nah, beispielsweise Düsseldorfer Alt und Helles oder Pils aus Dortmund. Der Kölner trinkt sein Kölsch im Veedel, in seinem Viertel (Quartier).
Lektion 7 Kölsch gehört zu Köln wie Karneval, Comedy und Frohsinn. Es ist Synonym der Kölner Lebensart und wird bei jeder Gelegenheit getrunken, auch beim Junggesellenabschied (bei Holländern sehr beliebt) oder auf einer der vielen Kölsch-Kneipentouren durch die Kölner Altstadt, die man über das Tourismusamt oder private Veranstalter buchen kann. Apropos Touristen, ganz vorn in der Tourismusstatistik stehen Briten und Amerikaner, die Schweiz rangiert auf Platz acht der Besucherstatistik von Köln.
Lektion 8 Die Kneipentour lässt sich hervorragend mit Kultur verbinden. Am besten reist man mit dem Zug in die Metropole am Rhein (oder. wenn Zeit, mit Schiff). Die grossen Attraktionen liegen rund um den Hauptbahnhof und sind bequem zu Fuss zu erreichen: nicht nur die gemütlichsten Brauhäuser wie das Früh oder Peters, sondern auch der Dom und die grossartigen Museen (Museum Ludwig, Rautenstrauch, Wallraf-Richartz, Römisch-Germanisches Museum u.v.a.) sowie die grossen Einkaufsstrassen.
Lektion 9 Zum Kölsch passt kein kulinarisches Crossover, sondern bodenständige Brauhauskost. Auf der „Fooderkaat“ (Futterkarte) alteingesessener Brauhäuser stehen die Klassiker der Kölschen Küche: Himmel und Äd (gebratene Blutwurst mit Zwiebeln, Kartoffelstock), Rheinischer Sauerbraten, Rievkooche (Reibekuchen), alle drei mit Apfelkompott serviert, oder Hämmchen (Eisbein) für den grossen Hunger, Mettbrötchen, Leberwurst, Kölscher Kaviar und Halver Hahn für den kleinen. Wenn Sie den Hahn bestellen, reklamieren Sie nicht, wenn der Köbes Roggenbrot mit Gouda, Senf und Zwiebeln bringt. Der Begriff ist ein Relikt aus alter Zeit, als die Holländer, denen Köln auch Matjes und Muscheln verdankt, am Alten Markt Käseleibe – „willst nen halven hahn?“ – teilten. Auch der Kölsche Kaviar pokert hoch: dahinter verbirgt sich Blutwurst mit Speck oder Zungenstücken. Und das Krüstchen-Gulasch mit Röggelchen ist eine Gulaschsuppe mit Roggenbrot-Croûtons.
Lektion 10 Die Kölner haben einen Hang zum Über- wie zum Untertreiben. Grossmachen einerseits, verniedlichen andererseits. Diminutive hört man überall. Wer schon vor acht Jahrhunderten so hohe Kirchen baute wie den Kölner Dom – er ist mit 157 m Höhe die dritthöchste Kathedrale der Welt und mit 6,5 Millionen Besuchern Deutschlands meistbesuchte Sehenswürdigkeit -, dem erscheint wohl alles andere klein. So tragen beispielsweise die Giebelhäuser in der Altstadt keine Dächer, sondern Hütchen. Die Hütchenhäuser am Fischmarkt repräsentieren übrigens am stärksten das alte Köln, denn von der Kölner Altstadt steht wenig – über 90 Prozent der Bausubstanz wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.
Bewährter Katerkiller nach einer ausgiebigen Kneipentour ist ein Frühstück mit Matjes oder Bismarckhering. Die Frühstücksszene blüht im Belgischen Viertel und Ehrenfeld besonders üppig („Waschsalon“, Breite Strasse, „Hallmackenreuther“ am Brüsseler Platz, dem Prototypen der Kölner Café-Kneipenkultur, u.v.a.). Die „Metzgerei Schmitz“ in der Aachener Strasse, bietet u.a. ein Existenzialistenfrühstück an: schwarzer Kaffee, Aspirin, Gauloise. Wer übrigens Wasser aus Köln mit nach Hause nehmen möchte: Im Farina-Haus gibt es das Original Eau de Cologne, bei 4711 die Kopie.
Anreisebeispiel SBB: Abfahrt Basel SBB 7.12, Ankunft Köln Hbf 11.05, ohne Umsteigen, die Züge verkehren stündlich, auch am Wochenende. Regulär kostet die einfache Fahrt 90 CHF.
Köln Tourismus veranstaltet eine ca. 2,5stündige Dämmerschoppen-Kölschtour, www.koelntourismus.de, siehe auch www.koelner-wanderweg.de, www.cologneweb.com/brauerei
Kneipentour Altstadt: 1. Gaffel am Dom, 2. Früh am Dom, 3. Brauhaus Sion, 4. Peters Brauhaus, 5. Brauhaus Sünner im Walfisch, 6. Bierhaus in d’r Salzgass, 7. Haus Zims, 8. Zur Malzmühle, in den Veedeln (Stadtquartieren): 9. Hellers Brauhaus, www.hellers-brauhaus.de , 10. Schreckenskammer (www.schreckenskammer.com), das Früh em Veedel, www.frueh.de.
Übernachten: Hotel im Wasserturm, www.hotel-im-wasserturm.de, Kölns aussergewöhnliches Luxushotel im einst grössten Wasserturm Europas, Innenausstattung von Andrée Putman, DZ Deluxe ab 164 Euro, traumhafter Blick vom Restaurant (2 Michelinsterne, neue deutsche Küche) über die Stadt.
Anschauen: MAKK, Museum für Angewandte Kunst, Wallraf-Richartz-Museum: Schätze europäischer Malerei des 13. – 19. Jahrhunderts, Museum Ludwig: Kunst des 20. und 21. Jahrhundert und grösste Pop-Art-Sammlung ausserhalb der USA, Rautenstrauch-Joest-Museum: Kulturen der Welt.
Bild Hotel im Wasserturm:
https://www.hotel-im-wasserturm.de/images/presse/print/Turmvonaussen