FRONTPAGE

«Novartis Campus: Eduardo Souto de Moura»

Von Fabrizio Brentini

Auf dem Novartis Campus in Basel wird weitergebaut. Vom Rhein aus gesehen direkt hinter dem von Álvaro Siza errichteten Forschungsgebäude steht seit November 2011 ein weiterer Block, der nun – wie alle bisherigen Neubauten – in einer eigenen Monografie porträtiert wird.

Dass die Gebäude auf dem Campus so nahe aufeinander folgen und dabei lange Fassadenfluchten bilden, entspricht zunächst dem Rasterplan von Vittorio Magnago Lampugnani, aber in diesem speziellen Falle ist die Nachbarschaft der Artefakte von Souto de Moura und Siza eine ganz besondere. Beide Architekten stammen aus Portugal und beide arbeiten nicht nur in derselben Stadt – nämlich in Porto –, sondern sogar in demselben Haus.

Eduardo Souto de Moura, 1952 geboren, war von 1975 bis 1979 Mitarbeiter von Siza und ist seither mit ihm in Freundschaft verbunden. Wie reagiert der Schüler – sozusagen –, der längst nicht mehr als solcher auftreten möchte, auf die Vorgabe des Meisters? Die Antwort vorweg: In Ehrfurcht, ohne sich aber zu verleugnen.

 

Souto de Moura, der wie Siza  2011 den renommierten Pritzker-Preis erhielt (so etwas wie der Nobelpreis für Architekten) ist ausserhalb seiner Heimat wenig bekannt. Sein für mich schönstes Werk realisierte er mit dem Fussballstadion in Braga, das bei der Fussball-EM 2004 in Portugal Schauplatz zweier Gruppenspiele war.
Die weit vorkragenden Dächer der beiden an den Längsseiten platzierten Tribünen sind miteinander mit Stahlseilen verbunden. Das leicht vertiefte Spielfeld wird hinter einer Torseite von einem felsigen Abhang eingerahmt, was einen faszinierenden Dialog zwischen Natur und Architektur erzeugt.

Wie schon bei Siza waren auch Souto de Moura auf dem Novartis Campus die Hände gebunden. Es sind nicht Architekten, welche die Arbeitsplatzstruktur vorgeben mit all den Sachzwängen in Bezug auf Belichtung, Belüftung und elektronischer Vernetzung.

Souto de Moura ordnete sich diesen Vorgaben unter, legte nach einem stren-gen Raster die Arbeitsplätze entlang eines Mittelganges an und erschloss die zwei unterirdischen und die fünf oberirdischen Geschossen mit zwei vertikalen Serviceschächten aus Beton.
Den Eingang platzierte Souto de Moura nicht wie Siza exzentrisch an einer Ecke, sondern exakt in der Mittelachse der Nordfassade. Im Innern durchbricht einzig die über zwei Geschosse reichende Empfangshalle die Grund- und Aufrissordnung. Hier liess er einen Landsmann, Pedro Cabrita Reis, künstlerisch reagieren. Die drei sieben Meter hohen Stelen, die in der Halle frei positioniert sind, bestehen aus rohen Backsteinen, die nachträglich mit Pressluftbohrern aufgebrochen wurden. Der mit dieser Aktion beauftragte Mitarbeiter von Pedro Cabrita Reis konnte den Prozess nur bedingt steuern. Es entstanden unregelmässige Oberflächen mit Vertiefungen, Kanten, Brüchen, die in einem wohltuenden Kontrast zur kristallinen Erscheinung der Wände und der Decken des Gebäudes stehen.
Die Fassadenzeichnung folgt vordergründig einem ausgesprochen einfachen Muster. Die Achsen entsprechen den Gebäudestützen und horizontal wird jedes der fünf sichtbaren Geschosse in vier Teile geteilt. Ausgefacht ist das filigrane Skelett mit Isolierglas. Diesem vorgehängt sind pro Feld zwei schmale Glaspaneele, von denen das eine hellgrün, das andere hellgrau eingefärbt ist.
Diese Paneele können vertikal verschoben werden, sodass unterschiedliche Zustände entstehen können. Leider ist mit den wie immer perfekten Aufnahmen lediglich der «Ruhemodus» festgehalten, der darin besteht, dass die jeweils nach innen versetzten Paneele durch die vorderen zugedeckt werden.
Es ergeben sich über die ganzen Fassadenteile gezogene Bänder, bei denen sich alternierend die dunklen und die hellen Teile aufeinander folgen. Ákos Morávansky sieht in dieser reduzierten, aber doch eigenständigen Gestaltung Bezüge zu den Schriften von Gottfried Semper, der einen engen Zusammenhang von Wand und Gewand erkannte.

 

 

Zur Planung der ganzen Anlage gehörte auch die Konzeption eines grünen Geviertes. Lampugnagni sah solche Freiflächen von Anfang an vor, doch der nun vom schwedischen Gartenarchitekten Thorbjörn Andersson auf der im Norden folgenden Parzelle angelegte Physic Garden war im ersten Masterplan gar nicht vorgesehen.
Offensichtlich werden die Vorgaben laufend revidiert. Die Freifläche, bei deren Gestaltung sich Andersson vom mittelalterlichen Klostergarten inspirieren liess, ist nicht nur zum Verweilen da, sie erfüllt gleichsam einen pädagogischen Auftrag. Das schmale und etwas vertiefte Längsrechteck bestückte man mit 31 Heilpflanzen, die auf die Anfänge der Heilkunst hinweisen.

Die Beete kann man auf zwei Metallstegen überschreiten. Das Längsrechteck wird von einem breiten bekiesten Rahmen eingefasst, der durch Hecken von den Verbindungswegen getrennt wird. Verschiedene Holzregale mit aufgeschichteten Stämmen säumen die Kiesflächen. Andersson dachte dabei an eine Bibliothek. «Die gewählten Hölzer gehören zu den drei Arten, deren Extrakte in der Ethnopharmakologie Verwendung finden».

 

 

Novartis Campus
Physic Garden 3. Souto de Moura
Ulrike Jehle-Schulte Strathaus
Christoph Merian Verlag, Basel 2012
79 S.,
CHF 49/ € 39.
ISBN 978-3-85616-575-8

 

 

 

 

Buchtipps:

 


 

Architekturführer Berlin-Mitte
Dorothee Dubrau
Dom publishers, Berlin 2012
135×240 mm, 240 S., Softcover
CH 24.90. Euro 18.00.
ISBN 978-3-86922-211-0

 

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Architekturführer Budapest
Arne Hüber/Johannes Schuler
Dom publishers, Berlin 2012
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Anne Hübner, 1970, Architekturstudium in Budapest und an der TU Berlin. Seit 2002 Lehrtätigkeit an der Frigyes-Schulek-Baufachmittelschule, 2007-2008 an der Baufakultät der Szent-Istvan-Universität Budapest.

Johannes Schuler, 1967, Architekturstudium an der FH München. Seit 2022 in Budapest tätig als Journalist, Fotograf und Projektkoordinator.  (I.I.)

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