© Johannes Marburg Genf
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Tadao Ando, Foto © Christopher Schriner
12 Novartis Campus - Fabrikstrasse 28. Tadao Ando, Christoph Merian Verlag 2011
«Novartis Campus: Tadao Ando»
Von Fabrizio Brentini
Buchreihe Christoph-Merian-Verlag
Das Dutzend ist voll. Mit eiserner Disziplin dokumentieren die Verantwortlichen des Christoph-Merian-Verlages jedes neue Gebäude, das auf dem für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen Novartis Campus in Basel vollendet wird. Der zwölfte Band stellt ein spezielles Monument vor.
Tadao Ando
Schon auf dem ersten Masterplan von Vittorio Magnago Lampugnani ist an der nördlichen Grenze des Areals ein Restgelände ausgeschieden, das der japanische Star Tadao Ando nun für das neue Forschungsgebäude zu einem gleichseitigen Dreieck, dessen Katheten in einem spitzen Winkel von nur 20 Grad aufeinander treffen, radikalisierte.
Die Materialpalette bleibt wie bei den übrigen Werken von Ando reduziert: Beton, Glas, Stahl, Aluminium. Ando fasst seine Anliegen bei seinem Projekt wie folgt zusammen:
«Mit meinem Entwurf wollte ich die einzigartige Klarheit und Perfektion der Schweiz mit der Feinheit und Geschicklichkeit Japans verbinden und so eine Forschungseinrichtung schaffen, die sowohl diesen Eigenschaften als auch der Philosophie von Novartis entspricht. Mit dieser Architektur wollte ich die funktionale Schönheit und Sanftmut gegenüber den Menschen ausdrücken.»
Und doch ist das Forschungsgebäude am Ende der Fabrikstrasse nicht zu vergleichen mit den intimen Einfamilienhäusern, mit denen Ando berühmt wurde, auch nicht mit dem 1993 eingeweihten Seminargebäude auf dem von Basel unweit gelegenen Vitra-Areal in Weil am Rhein, im Gegenteil, es ist ein selbstbewusst auftretendes Artefakt, welches das Innenleben durch die fast vollständige Verglasung der drei Fassaden weitgehend publik macht.
Die wie immer sorgfältig gestaltete Monografie bestätigt diesen Eindruck einerseits durch den Text von Francesco Buzzi, der einen knappen Überblick über das bisherige Werk von Ando darlegt, und andererseits durch die Aufnahmen von Johannes Marburg.
Buzzi konstatiert bei Ando eine seit den 1990er Jahren «immer stärker manieristisch erscheinende Art der Komposition» und dies führe dazu, dass dessen Entwürfe mehrdeutig geworden sind. Etliche Bezüge zur japanischen Kultur werden hergestellt, aber auch zur Architektur von Etienne Boullée.
Und es ist von einer Ergänzung die Rede, die auf der anderen Seite der Fabrikstrasse die Seitenlinien des Dreiecks fortführt.
Nach Buzzi würde auf diese Weise eine Torsituation entstehen, die «auf das sakrale japanische Torii» verweise. Darunter sind die häufig abgebildeten, in die Landschaft gesetzten erratischen Torarchitekturen Japans gemeint.
Ob gewollt oder nicht – beim Betrachten der Aufnahmen stellten sich bei mir in zwei Fällen präzise Assoziationen ein: Die Ansichten der zur Fabrikstrasse weisenden Glasfront im Dämmerlicht erinnern an die Nachtbilder von Michael Wolf, der stereotype Wolkenkratzerfassaden einfing und dabei Menschen in einer beklemmenden Käfighaltung zeigt.
Die messerscharfe Ecke auf der Aufnahme Seite 21 verweist auf die expressionistisch aufgeladenen fotografischen Impressionen des 1924 errichteten Chile-Hauses von Fritz Höger in Hamburg.
In der Eingangshalle breitet sich ein eigenartiges Kunstwerk aus, bei dem der ghanaische Künstler El Anatsuis in mühseliger Arbeit Flaschenkapseln buchstäblich zu einer textil anmutenden Verhüllung verwoben hat. Es ist ein irritierender Kontrast – hier eine Art Makramee-Gehänge ohne erkennbare Struktur, dort die auf modular durchstrukturierte Architektur, die auf jegliches schmückendes Beiwerk verzichtet. Da ist mir die vor dem Eingang positionierte Arbeit von Richard Serra um einiges sympathischer: Die gewellten Stahlplatten antworten adäquat auf den kristallinen Baukörper von Ando und bilden durch die nicht kontrollierbare Patinierung der rostigen Oberflächen einen notwendigen Kontrast zu den perfekt polierten und geschnittenen Bauteile des Forschungsgebäudes.
12 Novartis Campus
Fabrikstrasse 28.
Tadao Ando, 80 S., Basel 2011,
CHF 49.00/€ 32.00.
ISBN 978-3-85616-535-2
Tadao Ando wurde am 13. September 1941 in Minato-ku, Ōsaka geboren. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen für sein Werk, unter anderem den Pritzker-Preis, den angesehensten Architekturpreis. Ando hält Vorträge in aller Welt, die Tausende von Zuschauern anziehen. Seine bewusste Auseinander-setzung mit der Architektur begann, als er im Alter von 15 Jahren auf ein Buch über Le Corbusier stiess.
In seiner Jugend war er Profiboxer. Er hat nie Architektur studiert. Als Autodidakt eröffnete Ando 1969 in Ōsaka ein eigenes Atelier, das er Tadao AndoArchitect & Associates nannte. Er ist zur Zeit der wohl bekannteste Architekt Japans. Ando unterrichtete an verschiedenen Universitäten in den USA, in Yale (1987), Columbia (1988), Harvard (1990), an der IAA in Sofia und seit 1997 an der Universität Tokio. Seit 2003 ist er emeritiert.
In den letzten Jahren engagierte sich Ando in zunehmenden Masse auch umweltpolitisch. Bei seinem Projekt Westin Awaji Island Hotel wurde ein großflächiger Wald angelegt, der die Architektur umgibt. 2007 startete er das Projekt Umi-no-Mori („Meereswald“) in Tokyo, bei dem eine künstliche Insel, die früher als Müllkippe diente, zu einem bewaldeten Naherholungsgebiet werden soll. Ando möchte damit die Botschaft von Japan aus in die Welt tragen, dass es wichtig sei, dass die Menschheit im Einklang mit der Umwelt lebt.