«Jürgen Partenheimer: Die pastose Flüchtigkeit des Augenblicks»
Von Ingrid Isermann
Das Projekt «One Hundred Poets» basiert auf Jürgen Partenheimers persönlicher Auswahl von 100 Gedichten, die er in seiner einzigartigen Bildsprache visuell umsetzt. Damit veranschaulicht er die Bedeutung der unterschiedlichen künstlerischen Gattungen in seinem Werk und formuliert gleichzeitig eine Hommage an seine bevorzugten Lyriker und Lyrikerinnen.
Zeichnung, Malerei, Skulptur und Installation
Jürgen Partenheimer (*1947, München) ist bekannt für seine inhaltliche Interpretation der Abstraktion, die er als «metaphysischen Realismus» bezeichnet und die in einem vielschichtigen Werk von Zeichnung, Malerei, Skulptur und Installation Ausdruck findet. Sammler und Liebhaber seiner Arbeit sind zudem vertraut mit seiner Affinität zur Lyrik und Literatur sowie mit den eigenen Texten des Künstlers. In der gegenwärtigen Ausstellung gewährt Partenheimer erneut Einblick in die Entwicklung seiner Werkgruppe «One Hundred Poets», die er 2016 in der Münchner Galerie Häusler Contemporary erstmals vorstellte. Die Zeichnungen und Gemälde dieser Sammlung entstehen durch den direkten Dialog von bildender Kunst und Dichtkunst. Indirekt stellen sie zudem eine Würdigung des japanischen Künstlers Hokusai dar, der Anfang des 19. Jahrhunderts ein ähnliches Projekt basierend auf einer berühmten japanischen Gedichtanthologie begonnen hatte.
Ausgangspunkt von Partenheimers Werkgruppe bilden 100 ausgewählte Gedichte von ebenso vielen Autoren und Autorinnen der Weltliteratur, die der Künstler besonders schätzt. Darunter finden sich bekannte Persönlichkeiten wie etwa Francis Ponge, Paul Celan oder Hannah Arendt, aber auch weniger geläufige Namen wie Yoshimasu Gozo oder Nicolas Born. Bei dem Projekt lässt Partenheimer sich von einem subjektiven, inneren Transformationsprozess leiten, der durch den Impuls der Sprache inspiriert wird. So spiegelt das Bild der Vorstellung die sprachliche Empfindung des Gedichtes und formuliert gleichzeitig in seiner Erweiterung eine Neuschöpfung. Mit seiner abstrakten Formensprache, welche Bedeutungsfindung, Formwerdung und Auflösung im steten Fluss hält, gelingt es dem Künstler, das Unausgesprochene des Geschriebenen sichtbar zu machen, so Deborah Keller, Häusler Contemporary.
Hokusai – Bildsprache subjektiver Impulse
Im Gespräch mit Jürgen Partenheimer in der Ausstellung der Galerie Häusler Contemporary wird deutlich, wie die Werkgruppe «100 Poets» als work in progress entstand, die dem Originaltitel der Anthologie aus dem 13. Jahrhundert folgt. 100 Lyriker und Lyrikerinnen wurden durch jeweils ein Gedicht aus dem Gesamtwerk der Autoren repräsentiert. 1836, im Alter von 76 Jahren begann der Japaner Hokusai mit der Werkgruppe «100 Poets» und vollendete 27 Holzschnitte sowie 64 Zeichnungen für die geplante Serie. Hokusai benutzte eine in Japan weit verbreitete Anthologie von 100 Gedichten mit dem Titel «One Hundred People. One Poem Each», die 1235 von dem Lyriker Fujiwara no Teika zusammengetragen und herausgegeben wurde. Hokusais Interpretation der Gedichte folgte entweder textgetreu dem konkreten Inhalt des Gedichtes, oder verschob deren Bildcharakter durch bewusste Missverständnisse der sprachlichen Bedeutung und erfand zudem vollständig eigene Bildvorstellungen, die Geist und Stimmung des Gedichtes in einem neuen Gewand zeigen.
Die Magie der Vorstellungskraft
Partenheimers Auswahl drückt eine besondere Wertschätzung für die gewählten Autoren aus und konzentriert sich jeweils auf ein Gedicht und sein inneres Bild als Spiegelung und gleichzeitige Interpretation einer Bildvorstellung. Die Empfindung des anderen Fremden und ihre Transformation ins Eigene bewirkt so einen Neubeginn der Intuition für eine abstrakte Bildsprache, die sich der Logik und Magie der Vorstellungskraft anvertraut. Sprachbild und Bildsprache bilden eine fortwährende Kommunikation als Partitur von Innerlichkeit und psychischer Befindlichkeit, so Jürgen Partenheimer.
Jürgen Partenheimer gehört zu den führenden zeitgenössischen Künstlern Deutschlands, dessen Werk in wichtigen Sammlungen weltweit vertreten ist. International bekannt wurde er in den 1980er- Jahren, als sein Werk auf den Biennalen von São Paulo, Paris und Venedig ausgestellt wurde. Seither präsentierten zahlreiche renommierte Institutionen Einzelausstellungen seiner Arbeiten, darunter die Nationalgalerie Berlin, das Stedelijk Museum Amsterdam, das S.M.A.K. Gent, die Pinakothek der Moderne in München, das IVAM in Valencia, die Staatspinakothek São Paulo, die Contemporary Art Gallery in Vancouver oder das National Museum of Fine Arts in Peking. Ende 2015 beherbergte das Musée Ariana in Genf – eines der wichtigsten Europäischen Museen für Keramik – eine Einzelpräsentation des Künstlers.
Jürgen Partenheimer «One Hundred Poets» | Teil 2
Häusler Contemporary Zürich
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8006 Zürich
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Ausstellung 5. April – 19. Mai 2018