FRONTPAGE

«Lachsfischen in Schottland: Mister Wright mag keinen Fisch»

Von Ingrid Schindler

 

In den berühmten schottischen Fischgründen gibt es noch «wilden Lachs für alle». Gegessen wird aber auch dort fast ausschliesslich Zuchtlachs. Ein Besuch bei Anglern an der Royal Deeside.

 

Ghillie Daniel Wright erwartet mich an einem gut versteckten Lachsgrund am Lower Dee. Flussabwärts an der Mündung liegt Aberdeen, Europas Ölhauptstadt, flussaufwärts Balmoral, der Feriensitz der Royals am Fuss der Cairngorm Mountains mit Mooren, Flüssen und Wäldern voller Fisch und Wild. Der 27-Jährige arbeitet schon seit zehn Jahren als Fischereiaufseher, erst am Tay, dann am Tweed, nun am Dee. Eine eigentliche Ausbildung hat er dafür nicht, sondern wie sein Vater und Grossvater den Sport zum Beruf gemacht.

Der River Dee ist berühmt für seine Lachse. Die schnellfliessenden, kristallklaren und felsenreichen Wasser sind Heimat zahlreicher Laichgründe. «Hier hat’s noch wilden Lachs für alle» ist der hauptberufliche Fliegenfischer überzeugt. Seine Gäste kommen aus Schottland, England, Belgien und Frankreich zum Lachsangeln an den Dee. Heute hat er vier Kollegen vom Spey zu Gast, weil an der Speyside die Fischerei zwei Wochen früher, Ende September, zugeht als hier und die neue Saison erst im März beginnt.

 

«Angeln kann jeder»

Die Ghillies vom Spey steigen wie aus der Zeit gefallene Landjunker aus dem Range-Rover: Tarnfarbene Knickerbocker, Tweedsackos, Hemd und Krawatte. Dazu kommen moosgrüne Fischerhosen und -jacken. Das einzige Bunt sind die Fliegen für die Fische. «Der Dresscode ist traditionell und streng», bestätigt Wright, der selbst Karo-Krawatte trägt, «aber er lockert sich allmählich». Angeln ist in Schottland Volksport und liegt bei den Jungen schwer im Trend. Es sieht zwar elitär aus, aber jeder könne es tun. «Für 50 £ kann man die Ausrüstung leihen, für 60 £ bekommt man eine Tageslizenz am Lower Dee, einen Angelschein braucht es nicht.» Freilich gibt es Beats, Fischgründe, die das Zwanzigfache kosten, wie zum Beispiel die fischreichen Junction Pools des Tweed. Vor allem im Frühling, wenn die beste Zeit zum Fliegenfischen und der junge Lachs kräftig, springfreudig und kämpferisch ist, seien manche Lizenzen schwer bis gar nicht zu bekommen.

 

Gentleman-Agreement: Catch and release

Der Lachs ist ein Wanderfisch. Er laicht im Süsswasser. Dem Fluss, in dem er aus dem Ei schlüpft, bleibt er treu. Wenn der Jungfisch stark genug ist, wandert er ins Meer und kehrt mit der Geschlechtsreife zum Laichen in den Ursprungsfluss zurück. Dort stirbt er oder wandert ausgezehrt ins Meer zurück. Diese dünnen, oft verletzten «kelts» würden auf jede Fliege gehen, erklären die Schotten, töten darf man sie nicht.

Auch für die kräftigen, begehrten Junglachse gilt «catch and release»: Am Spey entlässt man etwa die Hälfte der angebissenen Lachse wieder lebend in den Fluss, am Dee fast alle, so Ghillie Wright. Schliesslich wollen die Angler auch morgen noch einen Wildlachs am Haken haben – immerhin ein Riesengeschäft. Dass ein Lachs manchmal mehrfach in seinem Leben am Haken hängt, stört die Sportfischer nicht.

Wright bringt seine Gäste ein paar Hundert Meter voneinander entfernt zu Stellen im Fluss, die der Lachs gern frequentiert. Da warten sie nun, werfen stoisch ihre Ruten aus und stehen im Regen im Fluss, während der hiesige Ghillie zwischen ihnen hin- und herpendelt und Fachsimpeleien austauscht. Die Zeit zieht sich, nichts beisst an. Ich frage den Fischmeister, wie er den Lachs am liebsten essen mag. Komische Frage! Mr. Wright isst keinen Fisch. Auch die anderen Ghillies schütteln den Kopf. Es gehe nicht um food, sondern um fight, den Kampf mit dem Tier, das Überlisten, ds Recht des Stärkeren. Einer präzisiert: «Das ist einfach in mir drin. Seit ich drei Jahre alt war, fische ich. Es ist nicht der Mythos, die Ruhe in der Natur zu suchen, der mich treibt – dann würde ich mich nicht acht Stunden ins kalte Wasser stellen –, sondern ein archaischer Jagdtrieb.» Jeder Tag sei anders, ergänzt Daniel Wright. In der Tat, am Ende dieses Tages hat keiner einen Fisch gefangen.

 

Zuchtlachs ist beliebt, auch in der Schweiz

Wenn Küchenchef Brian Mcleish vom «Moonfish» in Aberdeen auf dem Fishmarket in Peterhead, dem grössten Weissfischhafen Europas, einen Wildlachs ergattert, ist das für ihn ein Glückstag. Der höhere Preis ist das Geschmackserlebnis wert. Seinen Gästen auch. «Egal, was auf der Karte hat, die Hälfte der Leute bestellt Lachs.» Mcleish weiss damit umzugehen. In seiner kleinen Küche präpariert er in Nullkommanichts einen frischen Zuchtlachs: Flossen, Kopf, Schwanz weg, Oberseite einschneiden, von Innen durchtrennen, Mittelgräte weg, Abfälle für Fishstock beiseite, entgräten, Lachseiten mit Kimchi bestreichen. Er versucht, Lachs modern zu servieren, in Kombination von rohem Lachs mit Kimchi und süssauren Gurken etwa gelingt das wunderbar.

Auch in der Schweiz ist Lachs beliebt wie nie. Der Konsum hat sich in den letzten 10 Jahren mehr als verdoppelt, 13’000 Tonnen Lachs werden importiert, soviel wie von keinem anderen Fisch. In den Schweizer Rhein ist der Wildlachs noch nicht zurückgekehrt.

 

 

 

Aberdeen

 

Aberdeen ist der perfekte Ausgangspunkt zum Angeln an der Royale Deeside und anderen schottischen Lachsflüssen. Die Stadt selbst lohnt einen Besuch, obwohl mehr als Angus den wenigsten zur reichsten Stadt Schottlands und Europas Erdölmetropole einfällt. Die aus Granit gebaute «Silvercity» ist das Tor zum Norden: Jede Menge Traumstrände, Castles, Destillen, Lachsreviere und Golfplätze liegen vor der Tür. Touristisch ist sie noch ein echter Geheimtipp. Im Flieger begegnet man keinem buntem Ferien- und Partyvolk, sondern Männer in Schwarz-Grau und Jeansblau neben graumelierten Boygroups auf Whisky-, Golf- oder Angeltour.

 

Auf einer Privattaxi-Tour (45 £/ Std., www.granite-city-tour-company.com) steuert man ohne Umschweife die Highlights an, z.B. die mittelalterliche Studentenstadt Olde Aberdeen, die crazy Fischerkaten von Fittie, den neuen Cruise Ship Terminal (ab 2019) oder Trumps exorbitanten Dünen-Golfplatz (im Bild), zu dem Kanadier und Amerikaner im Privatjet reisen. Während die Herren golfen, lassen sich die Ladies von Fred Urquhart im Mercedes nach Balmoral, Stonehaven oder Dunnottar Castle oder ins Fashion Outlet kutschieren. Der Guide selbst würde eine Old Prison Tour in Peterhead oder das Gordon Highlanders Museum in Aberdeen vorziehen.

www.visitscotland.co, www.visitabdn.co

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