Hochschule der Künste, Bern, © Architekturfotografie Gempleler, Bern
Freilager, Zürich, © Architekturfotografie Gempeler, Bern
Freilager, Zürich, © Gataric Fotografie
«Rolf Mühlethaler: Fragile Ordnung»
Von Fabrizio Brentini
1985 gründete Rolf Mühlethaler sein eigenes Architekturbüro in Bern. Über drei Jahrzehnte hat er ein vielfältiges Œuvre an Bauten für private sowie öffentliche Auftraggeber geschaffen: Ein- und Mehrfamilienhäuser, Ateliers, Schulhäuser, Bürogebäude und Umnutzungen historischer Bausubstanz. Für das grosse Wohnbauprojekt Freilager Zürich hat er drei Wohntürme und die Langhäuser in Holzbauweise entworfen.
Mühlethalers Entwürfe zeigen ein integratives Konzeptdenken, das lokale und historische Bezüge achtet. Struktur, Klarheit, Rhythmus und Symmetrie kennzeichnen seine Bauten. Die vielschichtige Ordnung eines Projekts mit mancherlei Beteiligten ist fragil – Idee, Planung und Ausführung verlieren leicht ihre inhaltliche Konsistenz.
Die Einladungskarte zur Ausstellung der neuesten Projekte von Rolf Mühlethaler in der Architekturgalerie Luzern zeigt ein eigenartiges, spartanisches Gebilde auf schwarzem Grund. Wüsste man nicht, dass damit eine Architekturausstellung angezeigt wird, könnte man es nicht einordnen, geschweige denn entschlüsseln. Aber auch mit der Information «Architekturausstellung» wird es erst durch einen Gang durch die Räume oder durch das Studium der entsprechenden Unterlagen in der Publikation lesbar. Rolf Mühlethaler, ehemaliger Mitarbeiter von Max Schlup, einem Vertreter der Solothurner Schule, verzichtet auf einen auftrumpfenden Auftritt. Das erwähnte Gebilde ist die Aufsicht eines Modells für das Projekt einer neuen Sportanalage im Baumeisterzentrum Sursee.
Ausstellungsgalerie Luzern
Gewiss spielt der Computer im Atelier von Mühlethaler eine wichtige Rolle, aber er ist ein Arbeitsgerät, das den anforderungsreichen Prozess von der ersten Idee bis zur Ausführung begleitet, nicht jedoch ersetzen kann. Die Räume der Ausstellungsgalerie Luzern wurden so eingerichtet, als ob das ganze Team innehalten wollte, um den Stand der verschiedenen Projekte zu begutachten und miteinander zu analysieren. Die Besucher schritten an grösseren und kleineren Modellen vorbei, die mit Plänen und Handskizzen ergänzt wurden. An den Wänden hingen Fotos von ausgeführten Bauten. Um auf das Motiv der Einladungskarte zurückzukommen: Die zwei im rechten Winkel zueinander liegenden Rechtecke stehen für eine Schwimmhalle und eine Dreifachturnhalle, die miteinander durch einen dreieckigen Vorplatz verzahnt sind. Was nach einem speziellen Bodenplattenmuster aussieht, ist eine raffinierte Vernetzung der riesigen Querträger beider Hallen. Im Innern herrscht, im Äussern Holz vor. Alle Räumlichkeiten und technischen Vorrichtungen sind derart eingefügt, dass die Grosszügigkeit der beiden Hallen nicht beeinträchtigt wird. Man kann sich fragen, weshalb eine Ausbildungsstätte für angehende Baumeister ein solch gewaltiges Sportareal benötigt, das zudem eine weitere Grünfläche zum Verschwinden bringt. Doch das ist eine politische, nicht eine architektonische Entscheidung. Und in diesem speziellen Falle wird der Vorteil manifest, wenn eine solche Aufgabe einem sorgfältig planenden Architekten übertragen wird. In einem solchen Dilemma steckt wohl jeder Baukünstler, und vielleicht ist genau das der Grund, warum Mühlethaler für die Ausstellung den Titel «fragile ordnung» wählte.
In der Galerie zu sehen war auch der Vorschlag für die Überbauung eines nicht mehr benötigten Gleisfeldes im Luzerner Tribschenquartier. Für Mühletaler war die Blockrandbebauung der Neustadt eine wichtige Vorgabe. Ein über 200 m langer, sechsgeschossiger Riegel parallel zu den Schienensträngen schottet die unterschiedlich grossen Einheiten ab. Dabei wurde darauf geachtet, dass Frei-, Grün- und Strassenräume in einem ausgewogenen Verhältnis zu den Hochbauen stehen, die in einer späteren Phase von unterschiedlichen Architekten entworfen werden sollen. Wie dieser für Luzern einschneidende urbanistische Eingriff aussehen wird, kann aufgrund der bereits realisierten Überbauung des Freilagers Zürich erahnt werden. Hier prägte Mühlethaler mit drei Punkt- und drei Langhäusern das Gesamtareal wesentlich. Durch subtile Unregelmässigkeiten – wie etwa unterschiedlich dimensionierte Balkonbrüstungen – vermeidet Mühlethaler, dass die nach einem strengen Raster eingeteilten Fassaden eintönig wirken.
Zwei Entwürfe betreffen Umbauten. Im ersten geht es um Verbesserungen der Wohnsituation von mehrgeschossigen Wohnblöcken im Tscharnergut Bern, einem Quartier, das mit für die 1960er Jahren typischen länglichen Solitären bestückt ist. Im zweiten um eine Umnutzung von Fabrikhallen für die Hochschule der Künste in Bern. Für Mühlethaler wird diese Aufgabe, das «Bauen im Bestand», in Zukunft immer wichtiger werden.
Publikation über das architektonische Schaffen
Zur Ausstellung erschien eine 80seitige Publikation, in der die ausgestellten Werke auf Hochglanzpapier mit Text und Bild ausgelegt werden. Das Buch bespricht zentrale Aspekte von Mühlethalers architektonischem Schaffen: Bauen im Bestand, Metier und Ausbildung, Struktur und Konstruktion sowie Städtebau. Zahlreiche Skizzen, Pläne und Fotografien dokumentieren die einzelnen Themenbereiche eindrücklich.
Dazwischen sind auf bräunlichem Offsetpapier vier Gespräche mit Mühlethaler zu lesen, welche die ganze Bandbreite der entwerferischen Arbeit umfassen. Es geht um Städtebau, um die Zusammenarbeit mit den Ingenieuren, die von Anfang an miteinbezogen werden, um die Ausbildung und um den Umgang mit der bestehenden Bausubstanz. Das Format der Publikation ist der von der Architekturgalerie 1988 lancierten Reihe entlehnt, die inzwischen Kultstatus erreicht hat – es sei auf das Erstlingswerk «Partituren und Bilder» verwiesen, das erstmals Bauten von Peter Zumthor einem breiteren Publikum präsentierte.
Mit einem Einführungstext von Toni Häfliger und Martin Schuler sowie Werkstattgesprächen zwischen Rolf Mühlethaler und Silke Langenberg, Tivadar Puskas, Jürg Rehsteiner und Florian Riegler, moderiert und bearbeitet von Christoph Schläppi.
Rolf Mühlethaler
Fragile Ordnung
Hg. Architekturgalerie Luzern
80 S., d/e
Park Books, 2016.
CHF 39.
ISBN 978-3-03860-039-8
L&K-Architektur-Buchtipps
«Walter Benjamin: Überlegungen zur Architektur»
Der Philosoph, Kulturtheoretiker und Schriftsteller Walter Benjamin (1892–1940) ist nicht nur viel gereist, sondern blieb oft längere Zeit an unterschiedlichen Orten. Paris, Marseille, Neapel, Capri, Ibiza, Moskau und Riga sind einige dieser Stationen. Seine Beobachtungen hat der Autor seit 1925 in Berichten und Essays für Zeitungen und Zeitschriften verarbeitet.
Im Mittelpunkt steht hierbei die Frage, wie Menschen in umbauten Räumen, vor allem auf Plätzen und Strassen, zusammenleben. Die Städteporträts gehören zu den bekanntesten Texten Benjamins. Sie werden in diesem Band erstmals gesammelt vorgelegt und durch zahlreiche Ansichtskarten illustriert, die der Autor zum Teil an Freunde schickte oder sammelte. Kommentare erläutern Texte und Bilder. Benjamin verfasste die vorliegenden, vergleichsweise leicht lesbaren Texte als Berichte oder Essays für Zeitungen und Zeitschriften sowie als Rundfunkbeiträge. Ihn interessierten Städte und urbane Lebensformen und die damit verbundene Frage, wie Bauten die Wahrnehmung und das Verhalten der Menschen prägen. Eine kulturelle Zeitreise!
Im Nachwort geht der Herausgeber Detlev Schöttker der Frage nach, welchen Stellenwert Architektur und städtisches Leben in Benjamins Denken und Schriften einnehmen.
Detlev Schöttker (Hg.)
Walter Benjamin. Über Städte und Architekturen
DOM publishers, Berlin 2016
210 x 230 mm, 224 Seiten, 90 Abb., Softcover
CHF 34.80. € 28.
ISBN 978-3-86922-469-5
«Architectural Guide Mexico City»
From the capital of the Aztec Empire to one of the largest megalopolises today, Mexico City has withstood enormous changes throughout its history. An overarching mosaic of Aztec, Hispanic and contemporary Western cultures has determined the exuberant metropolis we know today, with both local and world-renowned artists and architects having invested their talents in this capital.
Large-scale urban projects – such as the construction of the National Autonomous University of Mexico (UNAM) – have furthermore placed this city on the UNESCO World Heritage List owing to their tremendous artistic detail and innovative designs. With its array of 230 photographs, drawings and specified maps, the Architectural Guide Mexico City will take you on an exhaustive tour of 100 buildings and monuments dispersed throughout the city.
Architectural Guide
Sarah Zahradnik
Mexico City
Dom publishers Berlin, 2017
135 x 240 mm, 192 pages , 200 images
Softcover
€ 28.
ISBN 978-3-86922-374-2
«Architectural Guide: Bangkok»
Bangkok is one of the world’s most well-known tourist destinations. Travellers are fascinated by its art and cultural diversity, as well as its colourful street life which is tied to day and night activity such as dining, shopping and sightseeing. The city’s skyline is shaped by a wide range of architectural styles evident in palaces, temples, historic buildings and modern skyscrapers.
In spite of the fact that these structures represent the architecture of different eras, they co- exist harmoniously and, at the same time, add spice to a visit to Bangkok. However, up to now these have never been well documented in any guidebooks on Bangkok. This guide is the very first walking guide for experiencing architecture and the city of Bangkok. It is a map-based guide to notable architecture which has been the recipient of architectural design awards by the ASA.
The guide divides this architectural compilation into three categories: Art and Architectural Conservation, Architectural Design and Green Architecture. All buildings are listed geographically within the areas and neighbourhoods which readers may wish to visit, regardless of the historic period in which they were built. Whether you are a Bangkok citizen or a visitor with a limited amount of time on your hands, you will ?nd this guide to be a true travel companion which takes you on an unforgettable journey to explore what the city has to offer.
Pattaranan Takkanon
Architectural Guide Bangkok
DOM publishers Berlin, 2017
168 S. , 24.5 x 13.5 cm
€ 28.
ISBN 9783869223582