FRONTPAGE

«Schnetzer Puskas Ingenieure»

Von Fabrizio Brentini

 

Die vorliegende Monografie über «Schnetzer Puskas Ingenieure» lässt für einmal die Architekten in den Hintergrund rücken. Schaut man aber auf die Liste der Werke, an denen Heinrich Schnetzer, Tivadar Puskas und Stefan Bänziger, die heutigen Inhaber des Büros, beteiligt waren, so liest sich dies als «Who is who» der gegenwärtigen obersten Architektenliga.

 

Der englische Philosoph David Hume führte in seiner nach wie vor unübertrefflichen Studie «Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand» von 1758 zwei Arten von Philosophen ein. Den malenden Philosophen, die tiefsinnige Gedanken «in den liebenswürdigsten Farben» und «in leichter und einleuchtender Weise» darstellen und damit das Gefallen vieler Leser finden, stehen die präzisen Philosophen gegenüber, die – Anatomen gleich – es genau wissen möchten und nicht eher ruhen, bis sie zum Kern eines Problems vorgedrungen sind. Diese sind im Gegensatz zu den malenden einsam und finden kaum Publikum für ihre nicht leicht nachzuvollziehenden Gedankengänge, aber sie liefern die Grundlagen für die Tätigkeit der malenden.

Diese Diagnose kann ohne Abstriche auf das Verhältnis zwischen den Architekten und den Bauingenieuren übertragen werden. Artefakte werden in der Regel mit den Namen von Architekten in Verbindung gebracht und es sind diese, die in opulenten Monografien ihre Werke präsentieren können.
Dabei wird oft übersehen, dass die teils extravaganten Wünsche der Architekten nur mit Hilfe der Ingenieure realisiert werden können. Diese werden jedoch höchstens im Impressum als Mitarbeiter erwähnt, sie bleiben im Hintergrund und treten erst im Katastrophenfall ins Bewusstsein der Öffentlichkeit, wie Puskas sarkastisch bemerkt.

 

Die vorliegende Monografie über «Schnetzer Puskas Ingenieure» lässt für einmal die Architekten in den Hintergrund rücken. Ich gehe wohl nicht fehl in der Annahme, dass auch versierten Architekturkritikern die Inhaber des seit 1953 bestehenden Basler Büros kaum geläufig sind.
Schaut man aber auf die Liste der Werke, an denen Heinrich Schnetzer, Tivadar Puskas und Stefan Bänziger, die heutigen Inhaber des Büros, beteiligt waren, so liest sich dies als «Who is who» der gegenwärtigen obersten Architektenliga: Herzog&de Meuron, Daniele Marques, Christ&Gantenbein, EM2N, Morger&Degelo, Scheitlin&Syfrig. Das von Aita Flury herausgegebene Buch ist analytisch aufgebaut. Das Skelett, das Tragwerk, bilden neun Themenbereiche, die zur Arbeit von Ingenieuren gehören wie Tragstrukturen, Dächer, Fassaden, Brücken, Wolkenkratzer und ephemere Objekte. Jedes Kapitel setzt sich aus einem Interview, einem Kommentar eines der drei Inhaber der Firma zu drei, dem entsprechenden Thema zuzuordnenden Projekten sowie Plänen und Fotos. Hierbei überwiegen nicht die astreinen Abbildungen der vollendeten Gebäude, sondern Einblicke in die Baustellen. Die Pläne sind für Laien kaum lesbar, aber gleichwohl in einer solchen Monografie unabdingbar. Sie deuten darauf hin, dass ein Gebäude doch komplexer ist, als es vielfach in Architekturzeitschriften vermittelt wird.
Die Herausgeber formulierten zu Beginn der umfangreichen Monografie folgendes Ziel:
«Das vorliegende Buch ist ein Versuch, dem Leser unsere Leidenschaft für die Tragwerksplanung näher zu bringen, ihr Wesen begreifbar, sichtbar zu machen.» Das ist ihnen zweifelsohne gelungen. Und: Das Buch ist mehr als ein Katalog ausgeführter Werke des genannten Büros, es ist auch das Resultat einer allgemeinen Reflexion über den Beruf des Ingenieurs, über sein Denken, seine Ängste, sein Bangen auf den Baustellen und seine Freuden über Realisationen, die alle zufrieden stellen.

 

Obwohl der kreative Part bei einem architektonischen Wert gewiss dem Architekten vorbehalten ist, beruht die Arbeit der Ingenieure nicht nur auf Mathematik. Immer wieder verweisen die drei Leiter des Büros in den von Flury geführten lockeren Gesprächen die Wichtigkeit der Intuition, die auch nicht durch den nicht mehr wegzudenkenden Computer verdrängt werden kann.

 

 

Aita Flury (Hrsg.)
Schnetzer Puskas Ingenieure
Entwurf Struktur Erfahrungen
gta Verlag Zürich 2013
356 S., CHF 89. € 76
ISBN 978-3-85676-321-3

 

«Die Länderpavillons der Biennale Venedig»
präsentiert in einer grossartigen Publikation

 

Von Fabrizio Brentini

 

Etwas ausserhalb der mit Touristen überfüllten Gassen und Plätze Venedigs breitet sich das Biennale-Gelände aus. Hier finden im Zweijahresrhythmus seit 1895 die Kunst- und seit 1980 die Architektur-Biennale statt. Im Unterschied zu Museumsausstellungen richten die beteiligten Nationen ihre im Garten verstreuten Gebäude in eigener Regie ein. Einzig im unübersichtlichen Hauptkoloss versucht der jeweilige Kurator eine thematische Schau zusammenzustellen. Als Besucher schreitet man auf eine ähnliche Weise von Ort zu Ort wie die Pilger auf den Wegen eines Sacro Monte. Beschaulicher können Kunst und Architektur nirgendwo sonst konsumiert werden.
 

Die Pavillons selber repräsentieren im Kleinen die Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts. Beteiligt waren so berühmte Architekten wie Josef Hoffmann, Otakar Novotný, Gerrit Thomas Rietveld, BBPR, Alvar Aalto, Carlo Scarpa und James Stirling. Der 1952 unmittelbar nach dem Haupteingang zu findende Schweizer Pavillon stammt von Bruno Giacometti, dem Bruder des ungleich bekannteren Alberto Giacometti, und markiert den Schnitt zwischen den vor dem Krieg errichteten, nationalistisch aufgeladenen Pavillons und den deutlich kompromissloseren Gebäuden seit den 1950er Jahren. In einem seit Ende der 1980er Jahre erhältlichen handlichen Führer rollt Marco Mulazzani die Geschichte des Geländes auf und beschreibt informativ jedes einzelne Gebäude. Dieser Führer soll weiterhin empfohlen werden, auch wenn er durch die nun im Zürcher Verlag Scheidegger&Spiess herausgegebene opulente Publikation regelrecht an die Wand gespielt wird.
Für die von David Chipperfield kuratierte Hauptausstellung der Architekturbiennale 2012 mit dem Titel «Common ground» schlug der eingeladene Roger Diener eine Bildergalerie der Pavillons vor. Für die fotografische Erfassung konnte der renommierte und inzwischen verstorbene italienische Architekturfotograf Gabriele Basilico gewonnen werden. Die Schwarz-Weiss-Aufnahmen wurden auf Tafeln aufgezogen und mit Essais, wozu Roger Diener gezielt Autoren aus den entsprechenden Ländern anschrieb, ergänzt. Die Texte wurden sicht- und hörbar zugänglich gemacht. Und wer sich davon ein Ohr voll nehmen möchte, sei auf die Homepage www.commonpavilions.com verwiesen, wo sämtliche Essays in Originalsprache wie auch in englischer Übersetzung als Tondokumente abgelegt sind. Die in sich geschlossene Sammlung wurde dieses Jahr auch in der Aedes Galerie Berlin und anlässlich der Architekturwochen in Prag gezeigt und sie erfährt nun mit dem Buch einen würdigen Abschluss.
Die Zürcher Buchgestalter Jean Robert und Käthi Durrer legen ein gepflegtes, ausgesprochen elegantes Werk vor, das einige typografische Herausforderungen meisterte. Die Essays sind in der jeweiligen Landessprache verfasst und wie selbstverständlich aus der entsprechenden Schrift gesetzt. Wir finden auf diese Weise Texte in lateinischer, griechischer, arabischer, hebräischer, kyrillischer, koreanischer und japanischer Schrift. Genial lösten Robert und Durrer das bei doppelseitigen Abbildungen auftretende Problem mit dem Falz. Der Buchblock ist lediglich mit dem hinteren Deckel verleimt. Dank einer speziellen Fadenheftung kann die Doppelseite so aufgeschlagen werden, dass eine plane Ebene entsteht. Die Schwarz-Weiss-Aufnahmen im Duplex-Druck können ihre betörende Wirkung als eigenständige Bildtafeln entfalten. Das Duplex-Druckverfahren wurde auch für die Textseiten übernommen, auf denen die Titel in sattem Schwarz mit den Fliesstexten in zartem Grau abwechseln. Betrachtet man schliesslich das leicht getönte feste Papier, fühlt man sich – man verzeihe mir den etwas überdrehten Vergleich – wie in einem Feinschmeckerrestaurant, wo einem eine verführerisch aufgemachte Speisekarte einen köstlichen Abend verspricht.
Im Buch werden die insgesamt 30 Pavillons chronologisch aneinandergereiht, beginnend mit dem italienischen Monstrum aus dem Jahre 1895 und endend mit dem koreanischen Bau, der exakt 100 Jahre später eröffnet wurde. Die Autoren nähern sich auf unterschiedliche Weisen den Objekten an, aber in fast jedem Text spielt das spezielle Ambiente des Gartens eine dominierende Rolle. Es ist, als ob die Verfasser gemeinsam den Eingang passiert hätten, sich vom Park betören liessen, um schliesslich einzeln auszuschwärmen für die je eigene persönliche Annäherung an die Pavillons. Die Pläne der Stadt Venedig und des Biennale Geländes sowie der im gleichen Massstab gehaltenen Grundrisse aller Pavillons setzen den visuellen Schlusspunkt.
Vollkommen zu Recht wurde die Publikation am 15. November 2013 anlässlich des Deutschen Fotobuchpreises mit «Gold» ausgezeichnet.

Diener&Diener architects

with Gabriele Basilico
Common Pavilions
The National Pavilions in the Giardini

of the Venice Biennale
in Essays and Photographs
Scheider&Spiess Zürich 2013
288 S., CHF 69.00.
ISBN 978-3-85881-734-1

Buchtipps

Redaktion Literatur & Kunst

 

 

«Die Welt von oben betrachten»

 

Das S AM Schweizerisches Architekturmuseum in Basel und der Christoh Merian Verlag nehmen sich dem Phänomen der Schaulust an und präsentieren Aussichtstürme, Plattformen und andere Kleinarchitekturen, deren einziger Zweck darin besteht, den freien Blick von oben zu ermöglichen. Die Publikation Luginsland Architektur mit Aussicht beschäftigt sich erstmals ausführlich mit diesem Bautyp und stellt internationale Projekte der letzten fünfzehn Jahre vor. Die gleichnamige Ausstellung im S AM Basel dauert vom 9. November 2013 bis 9. Februar 2014.
 

Den Blick ungebremst in die Ferne schweifen zu lassen und von oben auf die Welt schauen – wer nicht gerade unter Höhenangst leidet, ist von diesem Gedanken fasziniert. Ob in der Stadt oder auf dem Land, gerne suchen wir nach markanten Stellen, streben nach oben, um die Übersicht zu gewinnen und uns dadurch frei zu fühlen. Dass für das blosse Geniessen der Aussicht in letzter Zeit interessante Architektur entstanden ist, ist bisher noch kaum untersucht worden. Diese Kleinarchitektur erlaubt es Architekten, zu experimentieren und sich ganz besondere Ingenieurlösungen einfallen zu lassen.

Die Publikation zeigt über 30 zeitgenössische Beispiele aus aller Welt und entwirft so ein reich illustriertes Panorama. Einleitende Essays von Hubertus Adam, Gion A. Caminada und Joachim Kleinmanns vermittelt den historischen und aktuellen Kontext der Aussichtsarchitektur. Die Publikation erlaubt erstmals einen zusammenhängenden und internationalen Überblick über diese teilweise sehr spektakuläre Kleinarchitekturen der letzten fünfzehn Jahre. Mit Projekten von Mario Botta, Christ und Gantenbein, Matteo Thun, Jürgen Mayer H., SANAA, Snohetta, UNStudio und anderen.

Hubertus Adam, S AM Schweizerisches Architekturmuseum (Hg.)
Luginsland. Architektur mit Aussicht / Lookout Architecture with a View
Christoph Merian Verlag, Basel 2013
112 S., 22.5 x 30 cm, 157 meist farbige Abb., broschiert
Deutsch/Englisch, CHF 29.00. € 24.00.
ISBN 978-3-85616-633.5

 

 

 

ARCHITECTURE IS LIFE
Aga Khan Award for Architecture 2013
Der Aga Khan Award für Architektur wird seit 1977 von Seiner Hoheit, dem Aga Khan gestiftet, um herausragende Leistungen im Bereich der Architektur und anderer Arten baulicher Intervention in Gegenden mit muslimischer Bevölkerung zu fördern.

Die Auszeichnung wird alle drei Jahre verliehen. Berücksichtigt werden Formen von Architektur, die positive Auswirkungen auf die gebaute Umwelt unserer Zeit haben. Kleinere Projekte werden dabei ebenso berücksichtigt wie Bauten im grossen Format. Mit zahlreichen Abbildungen und Texten präsentiert das Buch die Projekte und Preisträger des diesjährigen Wettbewerbs. Das Thema der Publikation beschäftigt sich mit den Bezügen von Architektur und Lebensqualität. Zahlreiche Essays untersuchen die Frage, wie Architektur mit dem Leben der sie bewohnenden Menschen interagiert.

 

Die Preisträger 2013:
– Salam Centre for Cardiac Surgery, Khartoum, Sudan
– Rehabilitation of Tabriz Bazaar, Tabriz, Iran
– Revitalisation of Birzeit Historic Centre, Birzeit, Palestine
– Rabat-Salé Urban Infrastructure Project, Rabat and Salé, Morocco
– Islamic Cemetery, Altach, Austria

Mohsen Mostafavi, Architekt und Hochschuldozent, ist Dekan der Harvard University Graduate School of Design sowie die Alexander und Victoria Wiley Designprofessur.

Aga Khan Award for Architecture
Hg. Mohsen Moslafavi
Vorwort von Farrokh Derakhahani
Lars Müller publishers 2013
16.5 x 24 cm, 352 S., 206 Bilder, Hardcover
CHF 45.00. € 38.00. Englisch
ISBN 978-3-03778-378-8

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