FRONTPAGE

«Unterschiedliche Blickwinkel auf 20 Jahre Arbeit der Architekten Niklaus Graber und Christoph Steiger»

Von Fabrizio Brentini

 

Aus dem Jahre 2008 stammt ein faszinierender Film mit dem Titel «8 Blickwinkel». Es geht um ein Attentat auf den amerikanischen Präsidenten, wobei zu Beginn die Hintergründe völlig im Dunkeln bleiben. Erst aus wechselnder Perspektive, indem das Ereignis immer wieder neu aufgerollt wird, fügen sich die Puzzleteile zu einem stimmigen Ganzen zusammen.

Daran musste ich denken, als ich die umfangreiche Monografie über die beiden, 1968 geborenen Architekten Niklaus Graber und Christoph Steiger durchblätterte. Vordergründig geht es um eine Bestandesaufnahme ihrer Arbeit in den letzten 20 Jahren. Doch die Herausgeber wollten die Werke nicht einfach chronologisch aneinanderreihen, sondern strebten eine Vertiefung der Analyse dadurch an, dass die wenigen ausgewählten Projekte mehrfach und zwar unter verschiedenen Blickwinkeln dargestellt werden.

 

Das sieht wie folgt aus: Es beginnt mit einer fotografischen Reihe ohne Kommentare. Danach versucht je eine Person aus der Gruppe von Kolleginnen, Kunst- und Architekturhistorikern, der Künstlerinnen und Mitarbeitern ein Gebäude mit ihrer Sprache und ihrer Sichtweise zu interpretieren. Anschliessend – der umfangreichste Teil – werden Bauten mit weiteren Bildern und Plänen visualisiert. Am Schluss findet man in der Art von Karteikarten die nüchternen Informationen zu jedem Werk.
Aus der Werkliste mit 105 Nennungen wählten die Herausgeber zusammen mit den Architekten für die genauere Analyse 15 realisierte Bauten und 13 Projekte aus. Sie betreffen Ein- und Mehrfamilienhäuser, Industriebauten, Schulhäuser, Bürogebäude, Museen. Graber und Steiger verzichten auf spektakuläre Formgebungen. Sie befragen intensiv die Bauaufgabe und versuchen, am jeweiligen Ort die für sie adäquateste Lösung anzubieten. Eine der gelungensten Arbeiten ist die 2006 vollendete Fensterfabrik in Hagendorn. In einer sensiblen Landschaft musste der Spagat zwischen Architektur und Natur gesucht werden. Gaber und Steiger bewahrten die Wiese dadurch, dass sie gleichsam aufs Dach gehievt wurde. Die riesige Halle wurde zudem von einer Rahmenkonstruktion eingefasst, in der ein gründer Vorhang entstehen kann. Die Architekten konnten damit aufzeigen, dass der Bau von Industrieanlagen nicht zwangsläufig zur einer Verödung der Landschaft führen muss.

 

 

Hubertus Adam/Cybu Richli/Fabienne Burri (Hrsg.)

Graber&Steiger

Bauten und Projekte 1995–2015

d (neu Texte Englisch in einem beigelegten Booklet)

Quart Verlag Luzern 2015

412 S., CHF 88; € 79

ISBN 978-3-03761-098-5

 

 

«Eine Übersicht über Kirchenbauten der Zwischenkriegszeit»

Der Autor wählte aus der nicht überschaubaren Menge realisierter Kirchenbauten zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg 100 Beispiele aus. Er berschränkte sich auf den deutschsprachigen Raum mit Schwergewicht auf Deutschland. Die Schweiz ist mit sieben Kirchen vertreten, darunter mit der St. Antonskirche in Basel und der St. Karlskirche in Luzern zweifelsohne die bedeutendsten modernen Sakralbauten.
Die Auswahl erfolgte einerseits aufgrund der Resonanz einiger Kirchen in der bisherigen kunsthistorischen Aufarbeiten, andererseits gewiss aufgrund von persönlichen Vorlieben. Jede Kirche wird mit einem Kommentar und Abbildungen vorgestellt. Dabei war es ein Anliegen des Herausgebers, die Bauten im aktuellen Zustand fotografieren zu lassen. In der Tat kann man teilweise einschneidende Veränderungen im Vergleich zur Zeit der Einweihung feststellen. Die Herausgeber schreiben in Bezug auf den Zweck des Buches Folgendes: «Die vorliegende Pbulikation beitet die Chance, einhundert sakrale Räume in der Vielfalt ihrer beharrlich die Geschichte rezipierenden bis hinzu ihrer radikalen und schnörkellosen Ästhetik zu erfassen und weist auf das Potenzial hin, das in ihnen schlummert. Gleichzeitig schärft die Publikation den Blick für den Denkmalwert, der diesen Gebäuden innewohnt».

Schade, dass die Texte und Abbildungen kaum atmen können. Sie stossen teilweise ohne Zwischenräume aneinander und dadurch entsteht der Eindruck der Überfülle. Ansonsten beitet das Buch die Möglichkeit, einen neuen Blick auf eine Architekturgattung zu lenken, die ansonsten eher stiefmütterlich behandelt wird.

 

Klaus-Martin Bresgott

Neue sakrala Räume.

100 Kirchen der klassischen Moderne/New sacred spaces.

100 churches of classical modernism

Park Books Zürich 2019,

234 S., 49 CHF, 48 €.

ISBN 978-3-03860-158-6.

 

 

 

L&K-Architekturtipps:

 

«Monographie Sauerbruch Hutton»

 

Sauerbruch Hutton ist ein preisgekröntes internationales Studio für Architektur, Städtebau und Design. Seine Architektur steht immer im Kontext der Stadt und verbindet Funktionalität mit ökologischer Performance, die weit über rein technische Aspekte hinausgeht.

 

Nicht zuletzt durch Projekte wie das Umweltbundesamt in Dessau, die Polizeiwache in Berlin oder das Museum Sammlung Brandhorst in München zeigt sich der überzeugende Umgang mit Materialität und Farbigkeit.
Das 1989 von Matthias Sauerbruch und Louisa Hutton gegründete Büro arbeitet heute an verschiedensten Projekten weltweit – von Wohnbau bis Museum, von Bildungseinrichtung bis Bürohochhaus – und überzeugt durch präzise detaillierte, ökologisch bewusste und stadträumlich gelungene Planungen. Diese Monografie über das Büro Sauerbruch Hutton blickt hinter die Kulissen, beschreibt Prozesse und zeigt vor allem eines: viele Baudetails.
– Farbe und sinnliche Formen in der Architektur
– Integrierte Planung und präzise Detaillierung
– Projekte und Prozesse

 

Sauerbruch Hutton

Detail Verlag, 2019
Herausgeberin Sandra Hofmeister
184 S., ca. 250 Abb.
Format 23 x 32 cm
Deutsch / Englisch
Hardcover
CHF 77. € 49.90
ISBN: 978-3-95553-468-4

 

 

«Bauhaus: Ästhetik der Einfachheit»

 

Einfachheit spielt in Kunst und Architektur der Moderne eine zentrale Rolle. Vertreter des Bauhauses haben daraus seit Mitte der Zwanzigerjahre ein umfassendes Programm entwickelt, das die Gestaltung grundlegend veränderte. Die Wurzeln reichen bis in die antike Rhetorik zurück, in deren Mittelpunkt die Forderung nach Klarheit steht.

 

In der Aufklärung wurde die Forderung nach Einfachheit zu einer zentralen Idee der Literatur- und Architekturtheorie. Einfachheit kann je nach Gegenstand oder Kunst unterschiedliche Formen annehmen, ist aber immer das Ergebnis eines kreativen Prozesses, von dem meist nur das Ergebnis wahrnehmbar ist. Beschränkung auf das Wesentliche und Herstellung von Übersichtlichkeit gehören zu den elementaren Bestandteilen. Die Geschichte der Idee ist bisher nicht umfassend dargestellt worden.

 

Die vorliegende Anthologie mit knapp 40 Texten liefert dafür Bausteine von der Antike bis zur Gegenwart. Sie stammen von Philosophen, Schriftstellern, Künstlrn, Arhitektn und Kunsttheoretikern. In einer Einführung stellt der Herausgeber den ideengeschichtlichen Zusammenhang dar. Fragmente und Aphorismen zur Einfachheit beschliessen den Band. Dieser erstmalig zusammenhängende Blick auf die Idee der Einfachheit von Aristoteles bis John Pawson ergründet ein Phänomen, das sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des ästhetischen Denkens zieht – und bleibt damit über das Bauhaus-Jahr hinaus aktuell.

 

 

Ästhetik der Einfachheit
Texte zur Geschichte eines Bauhaus-Programms
Herausgegeben von Detlev Schöttker
DOM publishers, Berlin 2019
256 S., 40 Abb., 210 × 230  mm
Softcover
CHF 34.80. € 28.00
ISBN 978-3-86922-684-2

 

 

 

«Zwischen Schloss und Tempelhofer Feld»

 

Beiträge zur Berliner Baupolitik 1989–2019
Dieter Hoffmann-Axthelm hat die Stadtentwicklung in Berlin seit dem Mauerfall in einer Vielfältigkeit begleitet wie kaum ein anderer: als streitbarer Kritiker, als wohlwollender Politikberater, als Feuilletonist mit spitzer Feder, als Buchautor mit klarer Position.

 

In den Neunzigerjahren griff Hoffmann-Axthelm auch selbst zum Zeichenstift, um für den Berliner Senat u. a. das Planwerk Innenstadt (1996 – 1999) zu Papier zu bringen. Wenn es in der Hauptstadt um zukunftsweisende Themen ging, meldete sich der promovierte Theologe gerne zu Wort – bis heute.

 

Einen grossen Stellenwert nehmen die Debatten rund um das Berliner Schloss und die Altstadt ein, sowie ein Rückblick auf die Flughafen-Tempelhof-Planungen. Manches greift weit zurück, wie etwa die Beobachtungen zum Potsdamer Platz, anderes reicht in die Aktualität dieser Tage. Manche Texte, wie zum Beispiel der einleitende Essay zum Streitfall der St. Hedwigs-Kathedrale sind an dieser Stelle erstmals veröffentlicht.

 

Die in diesem Band versammelten Aufsätze betreffen fast drei Jahrzehnte Berliner Baupolitik – aus der Perspektive beobachtender Teilnahme teils im Zentrum, öfter noch am Rande der Ereignisse. Hoffnungen und Enttäuschungen, Horizontverschiebungen im Gang der Jahre, die Kontinuität der Halbheiten und zunehmender Gedankenlosigkeit, das Zusammenhängen von amtlichem und eigenem Scheitern – das Profil eines (selbst-)kritischen Hoffmann-Axthelm.

 

 

Zwischen Schloss und Tempelhofer Feld
Beiträge zur Berliner Baupolitik 1989-2019
Dieter Hoffmann-Axthelm
DOM publishers, Berlin 2019
204 S., 80 Abb., 210 × 230  mm
Softcover
CHF 34.80. € 28.00
ISBN 978-3-86922-729-0

 

 

 

 

«Shrinking Cities in Romania»

Volume 1: Research and Analysis
Volume 2: Responses and Interventions
The unique achievement of this work is to have brought together research, theory, and action for the first time to deal with the issue of Romanian shrinking cities. The format of the publication is ambivalent, being at the same time an edited volume and an authored book.

 

Built as a repertoire of arguments and authors that talk to each other at the intersection of disciplines, perspectives, and conventional and unconventional intervention tools, it reads like an edited volume. But then there is the theoretical confidence with which the editor leads the dialogue and her significant auctorial presence, which point to an authored book. Further, this fusion between the rigor of scientific research, the quirkiness of artistic restlessness, and the selflessness of social activism reveals a multi-targeted approach, which makes the book the more difficult to fit into one of the usual disciplinary categories of contemporary Romania.
Ana Maria Zahariade

 

 

This book looks at Romania as a case study nearly thirty years after the collapse of the Council for Mutual Economic Assistance and the Warsaw Pact. In a very short time, political and economic conditions across Eastern Europe changed drastically, with affected countries being confronted with a capitalist market economy. The current globalization model succeeds in stimulating overall economic growth in most nations, but does so at the cost of social and spatial division. The very substantial and precise study of Ilinca Păun Constantinescu and her team and partners provides a deep understanding of these issues by analyzing the shrinking cities phenomenon. And they even go one important step further, by daring to formulate and initiate constructive ways to address these issues and envisioning perspectives for these marginalized places.
Philipp Oswalt

 

 

 

Ilinca Păun Constantinescu
Herausgeberin
Shrinking Cities in Romania
DOM publishers, Berlin 2019
820 pages, 300 pictures, 210 × 230  mm
Softcover (2 Volumes)
CHF 58.60. € 48.00
ISBN 978-3-86922-372-8

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