FRONTPAGE

«Warja Lavater: Retrospektive in der Zentralbibliothek Zürich»

Von Ingrid Isermann

 

Es war in der legendären Galerie Maeght in der Zürcher Altstadt beim Predigerplatz, als mir der Name Warja Lavater begegnete, ihre farbenfrohen Leporellos waren gestylt, ohne gekünstelt zu sein und fielen sofort ins Auge. Und jetzt eine freudige Überraschung: Warja Lavater ist zu Gast in der Schatzkammer der Zentralbibliothek am Predigerplatz!

In der Zentralbibliothek begegnet man nun den wunderbaren Leporellos Warja Lavaters wieder, den Sing-Song-Signs und Folded Stories. In ihren Faltbüchern Wilhelm Tell (1960), Rotkäppchen (1960) und Leidenschaft und Vernunft (1961) erfand die Künstlerin eine Bilderschrift, die sie später in verschiedenen Medien und Kunstwerken weiterentwickelte.
Der Leporello Wilhelm Tell wurde 1962 vom Museum of Modern Art herausgebracht, ihre Imageries erschienen bei Adrian Maeght in Paris, später auch in Tokio und in New York und 1994 als filmische Animation, die auch in der Ausstellung zu sehen ist.

 

Es sind nicht nur ihre Leporellos, die Aufsehen erregten, so etwas war ja vorher nicht bekannt, wer sich genauer mit ihr beschäftigt, lernt eine renommierte Grafikerin kennen, die sich auch für Frauenanliegen einsetzte und für die Schweizerische Ausstellung für Frauenarbeit (SAFFA) 1958 verschiedene Werke schuf sowie ihre Kunst am Bau mit den Mosaiken für die Wasserversorgung Zürich. Zu entdecken sind auch ihre Skizzen- und Werktagebücher, Gebrauchs- und Kunstgrafiken, wie das bekannte Schlüsselsignet der heutigen UBS sowie Zeichnungen, Filme und Paper Art.

 

In einem sehenswerten Video berichtet Gottfried Honegger (1917-2016) über die Anfangsjahre seiner Begegnung mit Warja Lavater, als es Frauen schwer hatten, als eigenständige Künstlerin akzeptiert zu werden.

 

Grundlage der Ausstellung ist die Forschungsarbeit der Kuratorin Carol Ribi, die vom Schweizerischen Nationalfonds und den UZH Alumni der Universität Zürich unterstützt wurde.

Game-Designer:innen der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK)  haben sich mit Lavaters Werken auseinandergesetzt. Ihre Arbeiten dokumentieren das rege Interesse, das dem Werk der Künstlerin bis heute entgegengebracht wird. Die Games können in der Ausstellung und online gespielt werden (siehe Rahmenprogramm).

 

Warja (Barbara Esther) Lavater wurde 1913 in Winterthur als Tochter der Hamburger Schriftstellerin Mary Lavater-Sloman und des Zürcher Ingenieurs Emil Lavater geboren. Die ersten neun Lebensjahre verbrachte sie mit ihren Eltern in Moskau und Athen, bevor sich die Familie 1922 in Winterthur niederliess. Das russische Kindermädchen gab ihr den Namen ‘Warja’ als Koseform für Warwara (russisch Barbara).
Warja wurde 1921 zum ersten Mal in eine Schule geschickt und hatte wegen ihrer geringen Vorkenntnisse Schwierigkeiten in den Fächern Mathematik und Schreiben. Diese Erfahrung schlug sich später produktiv in ihrem künstlerischen Schaffen nieder: Sie wusste, wie seltsam es sich anfühlt, wenn den Bild-Zeichen plötzlich Laute und Klänge und Bedeutung zugeordnet werden.

 

Im März 1935 schloss Warja Lavater ihre Ausbildung zur Grafikerin mit einem Diplom ab. Nach der Kunstgewerbeschule Zürich nahm sie eine Stelle in Basel an und arbeitete als Grafikerin bei Hermann Eidenbenz, wo sie an der Gestaltung des Schweizer Pavillons für die Weltausstellung in Paris teilnahm und bei der Eröffnung im Mai 1937 dabei war. Im gleichen Jahr besuchte sie einen Kurs für Modezeichnen an der Académie de la Grande Chaumière in Paris.
Im April 1937 kontaktierte der junge Schaufenster-Dekorateur Gottfried Honegger, der einen Partner für sein Grafikatelier in Zürich suchte, Warja Lavater in Basel. Gottfried und Warja gründeten das Atelier Honegger und Lavater an der Stockerstrasse in Zürich. Die ersten Aufträge waren Werbeplakate für Restaurants und Coiffeuresalons. Honegger kümmerte sich um die Aufträge und Lavater besorgte die grafische Gestaltung. Das erfolgreiche Team erhielt zunehmend Aufträge von bekannten Firmen wie PKZ, Grieder, Bally und Geigy. Warja schuf unter anderem die Signete für den Schweizerischen Bankverein (drei Schlüssel) und für die Schweizerische Landesausstellung 1939.

 

Nach einem Aufenthalt in Paris im Winter 1938/39 verlobte sich Warja Lavater mit Gottfried Honegger. Das Paar heiratete am 21. Juni 1940. Das Atelier hiess fortan Honegger-Lavater. 1943 und 1944 wurden die Töchter Bettina und Cornelia geboren. Nach dem Krieg bezog die Familie eine Wohnung an der Kirchgasse 50 in der Altstadt von Zürich, die ein Ort des intensiven sozialen Austausches wurde, ein Treffpunkt für Intellektuelle und Künstler, u.a. Max Bill, Max Frisch, Hermann Hesse, Benjamin Britten, Richard Hülsenbeck.
In dieser Zeit regen gesellschaftlichen Lebens begannen Gottfried und Warja zu malen, neben der alltäglichen Gebrauchsgrafik gewann die freie Kunst zunehmend an Bedeutung. 1960 wagten sie den Sprung nach New York, wo sie in einem zweijährigen Aufenthalt internationale Kontakte anknüpften, um sich als freischaffende Künstler zu etablieren. Ab 1960 besassen beide ein eigenes Atelier. Von 1963 bis zu seiner Trennung 1972 lebte das Ehepaar Honegger-Lavater abwechselnd im Winter in Paris und im Sommer in der Nähe von Zürich; den Zweitwohnsitz in Paris behielt Warja Lavater bis ins hohe Alter bei.
Warja Lavater starb 2007 und wurde auf dem Zürcher Friedhof Fluntern beigesetzt.

 

 

Rahmenprogramm:

11. Mai, 18.15 Uhr
Abendvortrag von Prof. Dr. Klaus Müller-Wille
«Das Buch als Denkraum Asger Jorn und die Buchkunst

der Nachkriegsavantgarde»

 

18. Mai, 18.15 Uhr

Open Play Day / Game Design ZHdK

 

29. Mai, 13.15 Uhr
Führung durch die Ausstellung mit der
Kuratorin Carol Ribi

 

5. Juni, 10.30 Uhr
Exkursion ans Wasserschloss Gontenbach, Langnaus am Albis,
mit Barbara Dieterich

 

5. Juni, 14 Uhr

Eschertalk: Frauen, Kunst und Ruhm

 

8. Juni, 17 Uhr

Ausstellungsführung mit dem Töchtern Warja Lavaters

 

12. Juni, 13.15 Uhr / 15 Uhr

Ausstellungsführungen mit der Kuratorin Carol Ribi

 

Video der Vernissage in der Zentralbibliothek Zürich: https://www.youtube.com/watch?v=RvQQiiWA9BU

 

Anmeldung erwünscht:
www.zb.uzh.ch/de/events

Zentralbibliothek Zürich
Zähringerplatz 6, 8001 Zürich
044 268 31 00
E-Mail: graphik@zb.uzh.ch

Ausstellung Warja Lavater bis 19. Juni 2021

 

 

 

«Historisches Museum St. Gallen: Klimt und Freunde zum 100. Geburtstag»

 

Von Ingrid Schindler

 

Das Historische und Völkerkundemuseum St. Gallen wird 100 Jahre alt. Zum Jubiläum zeigt man Exponate des Jugendstils in Wien und zieht Parallelen zu St. Gallen.

 

Weithin sichtbar leuchtet die Fassade des Historischen und Völkerkundemuseums im Osten des St. Galler Stadtparks. Zum 100-jährigen Bestehen des Museums wurden die sechs mächtigen, neun Meter hohen Säulen der Schaufassade mit Goldfolie ummantelt. Gleichzeitig sollen sie als erweitertes Entrée den Blick auf die Jubiläumsausstellung «Klimt und Freunde» lenken.
Das Jubiläum ist Anlass, die Kunstmetropole Wien um 1900 vorzustellen und Parallelen zu St. Gallen aufzuzeigen. Denn dank des Stickereibooms erfuhren das Kunst- und Kulturleben in der Hauptstadt der Ostschweiz eine Blüte und hat der Jugendstil markante Spuren hinterlassen. Mit der Sonderausstellung «Klimt und Freunde», der aufwändigsten und grössten in der Geschichte des Hauses, bezieht sich das HVM auf diese seine Gründungszeit. Das Historische und Völkerkundemuseum verkörpert das letzte kulturelle Grossprojekt, das die Stadt der Textilindustrie zu verdanken hat.
Eine «geistige Suppenanstalt», ein Grundnahrungsmittel der Kultur, sollte das 1921 eröffnete Museum für die Bürger werden. Im Laufe der Jahrzehnte hat es sich zum lebendigen Vermittlungs- und Begegnungsort für Kultur- und Kunstgeschichte, Ethnologie und Zeitgeschichte entwickelt und vereint Schätze der Lokalgeschichte, der Archäologie, Weltkulturen sowie ein Kindermuseum unter seinem Dach.
HVM-Direktor Daniel Studer hat für die Konzeption der Sonderausstellung «Klimt und Freunde» den Wiener Kunsthistoriker und Klimt-Experten Tobias G. Natter an Bord geholt. Um Gustav Klimt als zentralem Fixstern des Wiener Jugendstils gruppieren sich eine Reihe junger Künstler der Wiener Secession, die mit Werken in der Ausstellung vertreten sind. Ebenso sind Arbeiten der Wiener Werkstätte zu sehen, die die Idee des Gesamtkunstwerks in den verschiedensten Sparten umsetzte, von der Architektur über Möbel, Textilien, Schmuck und Mode bis hin zu Alltagsgegenständen. Die Verbindungen der Wiener Werkstätte zur Ostschweiz, insbesondere der Textilindustrie, werden im HVM sichtbar gemacht.

Einen weiteren Schwerpunkt bilden die grafischen Künste, die Anfang des 20. Jahrhunderts die wohl wichtigste Experimentierbühne des künstlerischen Nachwuchses repräsentierten, so Tobias Natter. Insbesondere auf dem Gebiet des Farbholzschnitts entstanden nicht nur in Wien, sondern auch in St. Gallen Werke von hervorragender Qualität, die nichts von ihrer Faszination eingebüsst haben. Allen voran die Holzschnitte der St. Galler Künstlerin Martha Cunz, die wiederum auf die damalige Begeisterung für alles Japanische verweisen. Der Japonismus setzte auch im Wiener Jugendstil nachhaltige Akzente, womit sich der Kreis schliesst.

 

100 Jahre HVMSG
Ein Jubliäumswochenende mit Museumsfest für die Bevölkerung ist am 19./20. Juni 2021 geplant. Bis 25. Juli ist neben anderen Ausstellungen die Jubiläumsausstellung «Klimt und Freunde» zu sehen. Am 29. Mai eröffnet die Ausstellung «Entdeckungen – Highlights der Sammlung» (bis Ende Februar 2022).

Eine reich bebilderte Publikation begleitet und vertieft die Jubiläums-Ausstellung: Daniel Studer, Tobias G. Natter, Klimt und Freunde, Verlag FormatOst 2021, 416 S., CHF 38.

 

Historisches und Völkerkundemuseum, Museumstr. 50, 9000 St. Gallen

www.hvmsg.ch

 

 

 

«Hodler, Klimt und die Wiener Werkstätte im Kunsthaus Zürich»

 

Von Ingrid Schindler

 

Wie ein Sechser im Lotto, so muss sich die Teilnahme an der XIX. Ausstellung der Wiener Secession für Ferdinand Hodler angefühlt haben. Sie markierte den entscheidenden Moment seiner Karriere: die Bilder verkauft, von der Presse gefeiert, von den Stars der Szene, allen voran Gustav Klimt, gerühmt, die Wiener Moderne im Hodler-Hype.

 

Die Einladung kommt im Januar 1903 per Post ins Haus Hodler und klingt mehr als verlockend. Die Secession will den Schweizer Maler 1904 als Gastkünstler prominent auf grosser Bühne präsentieren, um seine «Grösse auch einmal weiteren Kreisen begreiflich zu machen». Während er sich gerade in Zürich mit Problemen mit dem neuen Schweizer Landesmuseum herumschlägt, umgarnen ihn die Wiener nicht nur als grössten Schweizer Künstler, «sondern einer der grössten überhaupt».
Schon allein die Hängung von Hodlers Werken ist eine Sensation: an weissen Wänden, mit viel Raum, quasi der Erfindung des White Cube, im Mittelsaal und zwei Vorräumen. Eine bis dahin nie dagewesene Werkschau von Hodlers Schlüsselwerken.

 

«In Wien zehn Jahre jünger geworden»

Wien brachte den internationalen Durchbruch. Die Würdigung im Ausland wirkte sich auf sein Ansehen in der Heimat aus. «Die Wiener haben mir aus nun aus dem Dreck herausgeholfen» kommentierte er immer wieder euphorisch seinen Erfolg in der Donaumetropole. Dabei war Hodler zuhause längst der Schweizer «Nationalkünstler». Aber dort hob ihn halt kein Künstlerfürst wie Klimt in den Himmel, sondern war er durchaus umstritten und musste im sogenannten Freskenstreit mit dem Landesmuseum einiges an Kritik nah an der Gürtellinie aushalten. Deshalb ist nachvollziehbar, dass er seinen Landsleuten die sensationelle Aufnahme in Wien unter die Nase reiben musste: «Ich bin darob um zehn Jahre jünger geworden und fühle mich wie neugeboren.» Damit nicht genug, setzte er noch seine innige Hoffnung drauf, dass «mit der Zeit auch die Schweizer einsehen lernen, dass ich nicht der erste beste Pfuscher bin».
Während seines Wien-Aufenthalts 1904 trifft er erstmalig auf das bahnbrechende Design der Wiener Werkstätte in der Künstlerkolonie Hohe Warte.

 

«Romantische Ironie»: Die Wiener Werkstätte in Zürich

Für die Architektur der Wiener Werkstätte an der Bahnhofstr. 12 in Zürich war Josef Hoffmann zuständig, für den Innenausbau Dagobert Peche, der künstlerische Leiter der Wiener Werkstätte Zürich AG. In der Zeitschrift Deutsche Kunst und Dekoration wurde der Laden von Willy Frank prominent vorgestellt. Frank interpretierte Peches Kunst als «romantische Ironie», die jegliche Grenzen und Hemmungen überspränge, indem er den Säulen, Tischen und Decken des tektonisch klar strukturierten Verkaufsraums «die starrsten kubischen Formen gibt und ihnen dann in Bändern, Rüschen, Blumen- und Früchtegewinden das übermütigste, leichtfertigste Formenspiel paradox beigesellt».
Peche stellte die Formel «form follows function» radikal auf den Kopf und die Zier- und die Zweckform, ganz im Sinne des Art deco, (… ) «die starke Entladung eines unbändigen Schmucktriebes, heftige Dynamik der Formen, barocker Überschwang der Linie, überströmendes Leben der Phantasie», das in der Ausstellung im Kunsthaus Zürich in Peches Entwürfen für Textiles und Tapeten, Schmuck, Vasen, Bonbonnieren, Dosen und Gebrauchsgegenstände unterschiedlichster Art sichtbar gemacht wird. Das gesamte Sortiment der WW war in Zürich erhältlich. Allerdings nur zwei Jahre lang.

 

Ausstellung «Hodler, Klimt und die Wiener Werkstätte» mit ca. 160 Exponaten, bis 29. August 2021
www.kunsthaus.ch

 

 

 

 

«46mal Mount Fuji»

 

Von Ingrid Schindler

 

Der Fuji ist Japans Nationalberg. Keiner hat ihn so wirkungsvoll verewigt wie
Katsushika Hokusei in seinen 36 Ansichten des Berges Fuji. TASCHEN hat die Meisterwerke des japanischen Farbholzschnitts nun in einer hochwertigen Luxus-Ausgabe nach japanischer Buchbinder-Tradition neu aufgelegt.

 

Dieser Tage ist er häufig zu sehen: Der Fuji vor aufgehender Sonne, der Fuji mit Kirschblüten, mit Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen oder mit olympischen Ringen. Und natürlich Fuji mit der grossen Welle. Wer kennt den japanischen Nationalberg nicht?
Der Farbholzschnitt «Die grosse Welle vor Kanagawa» rückt das schneebedeckte Dreieck des Vulkankegels in den Hintergrund und zugleich ins Zentrum des Bilds. Das Halbrund der Wellen lenkt den Blick des Betrachters wie durch ein Fernrohr oder Bullauge auf den Berg. Der bildet den ruhenden Gegenpol zur wild schäumenden See, deren riesig sich auftürmende Wogen drei Fischerboote zu verschlingen drohen.
Diese Darstellung des Berges Fuji, japanisch Fujisan, ist weltberühmt. Das Motiv, das der Maler und Grafiker Katsushika Hokusai 1830 in Holz geschnitten und in damals in Japan neuartigem Preussischblau und Indigo gedruckt hat, wurde zum bekanntesten Kunstwerk Japans. Auch Hokusais Holzschnitte Südwind, klares Wetter alias «Roter Fuji» und sein Gewitterregen unterhalb des Gipfels alias «Gewitter-Fuji» sind weltbekannt.

 

 

Aus unterschiedlichsten Blickwinkeln betrachtet
Der relativ leicht zu besteigende 3776 m hohe Vulkan, zuletzt vor gut 300 Jahren aktiv, ist Japans grösster Berg und wird als Heiligtum verehrt. Der symmetrische Solitär befindet sich im Landesinneren der japanischen Hauptinsel Honshu und ist bei gutem Wetter entlang der Tokaido-Strasse von Tokio, Yokohama und der Pazifikküste aus zu sehen. Als einer der schönsten und einprägsamsten Berge der Welt, an dessen Fuss fünf Seen liegen, wird er täglich von Tausenden bestiegen und seit Jahrhunderten in Literatur und Kunst verewigt. Wegen seiner Bedeutung als Heiligtum und Inspirationsquelle unzähliger Künstler und Dichter wurde er 2013 in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen.
Keine künstlerischen Darstellungen des Fuji haben solche Berühmtheit erlangt wie die 36 Ansichten des Berges Fuji von Hokusai, zu denen «Die grosse Welle» gehört. Aufgrund des Erfolgs hat der Meister des japanischen Farbholzschnitts dem Fuji zehn weitere Holzschnitte gewidmet, so dass letztlich 46 Fuji-Werke entstanden sind.
Die Sujets zeigen das vorindustrielle Japan der späten Edo-Zeit. Neben reinen Landschaftszenerien sind Bauern, Reiter, Händler, Fischer und andere Menschen in Aktion zu sehen – und meist ist irgendwo im Hintergrund das Dreieck des Fuji als ruhender Pol beziehungsweise Fels in der Brandung der «fliessenden Welt» auszumachen. Nur in wenigen Holzschnitten beherrscht er monumental den Raum. Dabei entspricht die Darstellung des Bergs keineswegs der Realität. Mal steiler, mal flacher als in Echt wird er in verschiedenen Entfernungen, Stimmungen, Blickwinkeln und zu verschiedenen Jahres- und Tageszeiten gezeigt. «Hokusai hatte kein Interesse daran, die tatsächliche Form des Berges wiederzugeben», schreibt Herausgeber und Autor Andreas Marks in 36 Views of Mount Fuji. «Da Hokusai aber ohnehin nicht nach dem Leben zeichnete, erscheint es recht müssig, für jede Ansicht seine Position ermitteln zu wollen.»

 

 

30 Künstlernamen
Katsushika Hokusais Biografie gäbe einen spannenden Filmstoff ab. Zweimal verheiratet und verwitwet, gefeiert und verarmt, zog er drei Kinder gross, wechselte rastlos rund hundertmal seinen Wohnort und hinterliess der Welt 3000 Farbholzschnitte des populären ukiyo-e, «Bilder der fliessenden Welt», die von damals üblichen Schauspieler- und Kurtisanenporträts bis zu Landschafts-, erotischen und Genreszenen reichten. Je nach künstlerischer Phase signierte der Künstler seine Werke mit anderem Pseudonym. Er führte circa 30 verschiedene Künstlernamen, bis er ab Ende des 18. Jahrhunderts eigene Schüler annahm und von da an seine Werke mit Hokusai zeichnete, was «der vom Malen Besessene» bedeutet.
Geboren 1760 in Edo, dem damaligen Tokio, wurde Hokusai als Dreijähriger von seinem Onkel, einem Spiegelmacher am Hof des Shogun, adoptiert und erlernte früh das Handwerk des Holzschneidens, Malens und Zeichnens. Er verfasste und illustrierte Gedichte und Geschichten und wurde mit seinen Skizzenbüchern, die er Manga nannte, zum Vorläufer der japanischen Comics. Durch das Studium westlicher, insbesondere holländischer Malerei fand er zu neuartiger Tiefe und Hell-Dunkel-Kontrasten. Er spielte mit Perspektive, neuen Farben und geometrischer Komposition (Dreiecke, Kreise, Bögen u.a.) und entwickelte sich zu einem der Grossmeister des japanischen Farbholzschnitts. Seinen künstlerischen Höhepunkt erreichte er in seinen Siebzigern mit den 36 Ansichten des Berges Fuji, die zwischen 1829 und 1833 entstanden. 1849 verstarb er mit knapp 90 Jahren. Bis dahin war Japan völlig von der Welt abgeschlossen. Mit der Öffnung des Landes ab Mitte des 19. Jahrhunderts gelangten Hokusais Holzschnitte nach Europa und fanden in Paris, London und Wien begeistert Aufnahme. Sie entfachten eine langandauernde Welle des Japonismus in Kunst und Design in Europa.

 

 

Der TASCHEN Verlag hat anlässlich der Olympiade in Japan sämtliche 46 Holzschnitte in bestechender Qualität versammelt und auf japanische Art in Fadenheftung auf ungeschnittenem, einseitig bedrucktem Papier als XXL-Schmuckausgabe herausgegeben. Der auf Japan spezialisierte Kunsthistoriker Andreas Marks hat für diese seltene Gesamtausgabe die erlesensten Drucke aus Institutionen und Sammlungen in aller Welt zusammengetragen. Ein visueller Schatz, der den Betrachter ins Japan des 19. Jahrhunderts versetzt.

 

 

TASCHEN
Thirty-six Views of Mount Fuji
Andreas Marks
Japanische Bindung im Leinenschuber, 44 x 30 cm, 224 Seiten
Im Faltkarton mit Tragegriff
175 CHF/ 125 Euro
www.taschen.com

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