«Städtetrip Prag: Kaffeehauskultur, Kafka und Kubismus»
Von Ingrid Isermann
Tschechien feiert 2018 das 100-jährige Jubiläum der unabhängigen Republik. Prag, die «Goldene Stadt», lockt nicht nur mit der Prager Burg, Karlsbrücke und dem von Gotik und Barock geprägten historischen Stadtbild, auch mit Kaffeehäusern der Belle Époque, Kubismus- und Kafka-Museum oder dem Schwarzen Theater Prag.
Von Zürich nach Prag ist es nur ein Katzensprung. Swiss fliegt mehrmals täglich in einer Stunde in die Hauptstadt Tschechiens. Vom zentral gelegenen Hotel Angelo Vienna House Prag im modernen Stadtteil Smíchov sind es nur ein paar Schritte zu Tram oder Metro. Das Kaufhaus an der Ecke gestaltete Jean Nouvel mit Kafka-Texten an der Glasfront; Tschechiens Wirtschaft boomt. Das Kafka-Museum liegt am Moldauufer, von dort bietet sich ein schöner Blick auf die mythische Karlsbrücke mit den Barockstatuen, eine der fünfzehn Brücken über die Moldau.
Kafka-Museum Prag
Kafka und Prag, das ist eine besondere Geschichte. Das Museum zeigt eine ständige umfangreiche Ausstellung über den gebürtigen Prager Franz Kafka (1883–1924), einem der bedeutendsten Schriftsteller der Weltliteratur des 20. Jahrhunderts. Hier sind seltene Erstausgaben von Kafkas Werken zu sehen, Korrespondenzen, Tagebücher, Handschriften, Fotografien und Zeichnungen aus dem Lebenskreis des Dichters. Spuren von Kafka, geboren am 3. Juli 1883 im Haus zum Turm an der Ecke Karpfengasse, finden sich in ganz Prag. Seit 1968 ziert das Geburtshaus eine Kafka-Gedenkbüste von Karel Hladi. Ein Kafka-Stadtplan des Museums führt zu den Strassen und Orten, wo er gelebt hat.
Zauber der Zeit
Tschechien, das Land der Geschichten: in Prag begegnet uns lebendige Geschichte auf Schritt und Tritt. Von glanzvollen Kaffeehäusern zum Hotspot Kubismus sowie geschichtsträchtigen Plätzen wie dem Wenzelsplatz mit dem zurzeit renovierten Nationalmuseum und dem Altstädter Ring. Prag, bereits im 14. Jahrhundert als Residenzstadt Karls IV. ein politisch-kulturelles Zentrum Europas, gründete mit der Karls-Universität 1348 die erste Universität in Mitteleuropa. Das Konservatorium und die Technische Universität gehören zu den ältesten Institutionen in Europa. Die moderne Metropole Prag zählt etwa 1,2 Millionen Einwohner; das historische Zentrum Prags wurde von der UNESCO als Weltkulturerbe ausgezeichnet.
Wechselvolle Geschichte 1918-2018
Die heutige Tschechoslowakei entstand nach dem Ersten Weltkrieg unter dem ersten demokratischen Präsidenten Tomáš Masaryk von 1918 bis 1938. Im Frühjahr 1945 wurde das seit 1939 vom NS-Regime besetzte Land von den Alliierten befreit. 1948 übernahm die Kommunistische Partei die Macht. Die Reformbewegung «Prager Frühling» wurde 1968 vor fünfzig Jahren von den Truppen des Warschauer Pakts niedergeschlagen. Nach der «Samtenen Revolution» unter Präsident Václav Havel konnte 1989 die Demokratie wieder errichtet werden. Am 1. Januar 1993 wurde die Tschechoslowakei in die eigenständige Tschechische Republik und die Slowakei geteilt. Tschechien gedenkt der Gründung vor 100 Jahren mit Highlights aus Architektur, Design, Kulturgeschichte, Gastronomie und tschechischen Labels. Böhmisches Kristallglas sowie filigrane Bijouterie bieten sich als beliebte Souvenirs an.
Auf den Spuren der Prager Kaffeehäuser
Auf einem Spaziergang durch die pittoreske historische Altstadt erzählt uns der kundige Prager Guide Vladimir Handlíř die wechselvolle Geschichte Prags und der traditionellen Kaffeehäuser, die mehr als 300 Jahre zurückreicht. Von Wien aus verbreitete sich die Tradition der Kaffeehäuser, das erste Kaffeehaus wurde 1711 in Prag eröffnet. Vor dem Ersten Weltkrieg spielte das Kaffeehaus eine bedeutende Rolle als kosmopolitischer Begegnungsort. 1909 verzeichnete der Reiseführer Prag, dass die Kaffeehäuser «bis morgens um 2 Uhr geöffnet» sind. Die Blütezeit dauerte vom Ende des
19. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg. «Der Kommunismus beendete die Funktion der Kaffeehäuser, die als Kommunikationsorte nicht mehr erwünscht waren. In der sozialistischen Welt gab es auch keine freien Berufe mehr wie in der ehemaligen tschechischen Mittelklasse», erzählt unser Guide. 1948 wurde ein Teil der Kaffeehäuser entkernt und die Möbel entfernt. Erst nach der Wende 1990 wurde die Tradition der Kaffeehäuser wieder aufgenommen.
ntellektuellen-Treff Café Slavia
Das Café Slavia liegt direkt gegenüber des prunkvollen Nationaltheaters. 1888 wurde das stilvolle Slavia eröffnet und avancierte zum Treffpunkt von Künstlern und Intellektuellen, wie auch zum Stammcafé von Václav Havel. Ungeklärte Eigentumsverhältnisse führten 1991 zur Schliessung. Sechs Jahre später wurde das Café Slavia im Art Deco Stil der 20-er Jahre wiedereröffnet. Im Foyer erinnert eine Gedenktafel an den beliebten, unvergessenen Präsidenten Václav Havel. Zahlreiche Fotografien berühmter Künstler und Zeitgenossen schmücken die Wände; das Interieur fasziniert mit Spiegeln und Kristalllüstern und dem Blick auf die Prager Burg bei stimmungsvoller Pianobegleitung. Gebäck und Spezialitäten wie Palatschinken mit heissen Brombeeren, Schlagsahne und Honig lassen uns die Zeit vergessen…
Rainer Maria Rilkes erste Werke enstanden übrigens zur Zeit der Kaffeehaushauskultur in Prag. Rilke besuchte oft das Cafe Slavia mit Blick auf die Moldau, um sich mit Kafka auszutauschen. In seinem Buch «Zwei Prager Geschichten» (1899) wird das Cafe Slavia als Handlungsort erwähnt, heisst darin aber «Cafe National».
Knödel und Pilsner Bier im Restaurant U Pinkasů
Zu den tschechischen Spezialitäten gehören Knödel und das berühmte Pilsner Bier. Wir besuchen das im Jahre 1843 von Jakob Pinkas gegründete Restaurant U Pinkasů, das erste Prager Restaurant, in dem das untergärige Lagerbier Pilsner Urquell gezapft wurde. Seit mehr als 170 Jahren schon in Betrieb, ist es auch eines der beliebtesten Bierlokale Prags. Neben dem frischen, schäumenden Pilsner Urquell degustieren wir verschiedene Arten von Knödeln, Knödel in allen Variationen, das eigentliche Nationalgericht, in Scheiben geschnitten, Kartoffelknödel, böhmische Knödel, kleine Knödel, grosse Knödel oder Leberknödelsuppe. Kulinarisch-historische Spaziergänge durch Prag auf den Spuren von Masaryk, Havel, Kafka beschreibt die in Böhmen geborene Autorin Hana Rigo in ihrem neu erschienenen Buch «Prager Küche», Braumüller Verlag, Wien 2018.
Ältestes Café im Museum der Karlsbrücke
Das traditionelle Café Muzejní kavárnaist ist ein Geheimtipp, obwohl es an einem stark frequentierten Platz liegt. Es befindet sich im Museum direkt unterhalb der Karlsbrücke im ursprünglichen Barockgebäude des Ordens der Kreuzherren mit dem Roten Stern, der von der heiligen Agnes von Böhmen im Jahre 1252 gegründet wurde. An der Stelle wurde erstmalig im Jahre 1711 vom christlichen Armenier Jiří Deodat aus Damaskus das erste Prager Kaffeehaus eröffnet. Mit der kompetenten Reisebegleitung, der Wiener Direktorin der Tschechischen Zentrale für Tourismus in Wien, Mag. Yvette Polasek, sitzt unsere Schlemmerrunde bei Schlagobers mit Rahm und feinen Torten im Café Muzejní kavárna. Unweit von hier an der Karlsbrücke legen auch die Schiffe für Rundfahrten auf der Moldau an. Wer sich nach dem Kaffeeplausch eine frische Brise um die Nase wehen lassen will, ist hier ebenfalls gut bedient.
Schwarzes Theater Prag
Wir schlendern über die berühmte Karlsbrücke und ein paar Schritte weiter in die malerische Karlsgasse und statten am Abend dem Schwarzen Theater TA FANTASTIKA PRAG einen Besuch ab. Das Ensemble entstand 1980 in den USA, wohin Gründer Petr Kratochvil auswanderte. Nach der Wende kehrte er 1989 nach Prag zurück und erwarb ein Theatergebäude im historischen Zentrum Prags, das Palais Unitaria. Die Inszenierung «Aspects of Alice» beruht auf Motiven von «Alice im Wunderland» von Lewis Carroll und kann bereits erfolgreiche 27 Jahre mit weltweit mehr als 11.000 Aufführungen vorweisen. Die grossflächige Projektion, eigens hergestellte Trickfilme, einmalige Bühnentricks und Schwarztheatereffekte sowie die zeitgenössische Musik Petr Hapkys und klassische Sinfonien von Smetana und Dvořák begeistern das Publikum.
Prachtvolles Café Louvre
Das Art Deco-Café Louvre wurde 1902 erbaut, verfügte über eine moderne Ausstattung mit 200 Zeitungen und Zeitschriften; hier waren schon Albert Einstein, der 1911-12 an der Prager Deutschen Universität arbeitete sowie u.a. Franz Kafka, Max Brod, Karel Čapek oder Franz Werfel zu Gast. Ein Billardsalon mit fünf Billardtischen steht wie auch eine Sommerterrasse für die Gäste zur Verfügung.
Dem Café Savoy statten wir auf unserem Rundgang ebenfalls eine Stippvisite ab, beeindruckt von der Renaissance-Kassettendecke und dem verlockenden Kuchenangebot. 1893 wurde das Savoy eröffnet und ist eines der bevorzugten Orte für Flaneure. Auch das Café Imperial ist ein magischer Ort, wo sich Geschichte, tschechische Kultur, Art Deco-Interieur und Architektur verbinden. Daneben gibt es viele weitere sehenswerte Prager Kaffeehäuser…
Von Frank O. Gehry zu David Černý
Auf unserem Rundgang sehen wir Jugendstil- und historistische Handelspaläste, Gemeinde- und Ratshäuser oder kubistische und konstruktivistischen Bauten in der mittelalterlich geprägten Altstadt, palastartige Neubauten sowie das «Tanzende Haus» von Frank O. Gehry, das erste Bauprojekt eines weltbekannten westlichen Architekten in Prag nach 1989.
Unterwegs begegnen uns immer wieder Werke des tschechischen Bildhauers David Černý (*1967), der mit seiner Kunst für Aufsehen und Kontroversen sorgt.
Im Hof des Kafka-Museums stehen als Springbrunnen getarnt zwei schlanke Manneken Pis des Künstlers. Eine bewegliche Franz Kafka Büste wacht vor dem Einkaufszentrum Quadrio (U-Bahnstation Národní třída). Die 39 Tonnen schwere Büste besteht aus 42 beweglichen Schichten, die den Kopf in ständiger Unruhe und immer neuen Formen erscheinen lassen. Die bewegte Skulptur beeindruckt mit elf Metern Höhe.
Hoch über den Köpfen von Passanten turnt in der Husova, Ecke Betlémské nám. eine Figur in schwindelnder Höhe, die sich einhändig an einer Stange festhält, während die andere Hand gelassen in der Hosentasche steckt. Die Skulptur soll Sigmund Freuds ständigen Kampf mit der Angst vor dem Tod darstellen und eine Antwort auf die Frage bieten, welche Rolle die Intellektuellen im neuen Jahrtausend spielen.
Hotspot Kubismus
Der Kubismus ist nicht nur in der Malerei gegenwärtig, in der Tschechischen Republik hat sich diese Kunstrichtung auch in der Architektur und im Design manifestiert. Zwischen 1911 und 1914 entwarf eine Gruppe böhmischer kubistischer Architekten Keramik, Lampen, Leuchten und Möbel im kubistischen Stil. Wir besuchen eines der Hauptwerke der tschechischen kubistischen Architektur und die thematische Ausstellung; die Führung in deutscher Sprache von Claudia Adlhoch orientiert uns über die Ikonen der böhmischen tschechischen Designkunst. In einem Glasregal entdecken wir neben formschönen Vasen und Gebrauchsgegenständen eine Urne in kubistischer Form. Das kubistische Haus wurde in den Jahren 1911-1912 nach den Plänen des tschechischen Architekten Josef Gočár errichtet. Es befindet sich in der Altstadt zwischen der Celetna Strasse und dem Obstmarkt. Die Bezeichnung stammt von der Barockstatue, die an der Gebäudeecke steht. Nach der Renovierung wurde das Gebäude Sitz der ständigen Exposition des tschechischen Kubismus. Im gleichen Hause befindet sich auch das sehenswerte kubistische Café Orient.
Die Nationalgalerie in Prag feiert ihren 222. Geburtstag. Zwei Schwerpunkte werden im Jahr 2018 an das Ausstellungsprogramm
mit moderner und zeitgenössischer Kunst anknüpfen. Die deutsche Künstlerin Katharina Grosse hat eigens für Prag ein Werk einer Phantasielandschaft konzipiert und gleichzeitig ist die Retrospektive der österreichischen Künstlerin Maria Lassnig bis 17. Juni 2018 zu sehen.
115 Jahre Harley-Davidson
Anlässlich des 115. Geburtstages der Marke Harley-Davidson findet
an der Moldau vom 5.-8. Juli 2018 ein grosses Biker-Treffen statt.
Die Moldau-Metropole begrüsst Tausende von Motorradfans zu Beginn des Sommers in Prag.
Städtetrip Prag
Reisetipps
Swiss fliegt mehrmals täglich nach Prag www.swiss.com
Hotel
Hotel Angelo Vienna House Tschechische Republik, Markéta Englova, Marketing & Communication Manager, Karla Englise 4, CZ-150 00 Prag 5
www.viennahouse.com/de/angelo-prague
Kaffeehäuser
Café Slavia, www.cafeslavia.cz/de
Café Louvre, www.cafelouvre.cz
Café Savoy, www.cafesavoy.ambi.cz
Café Imperial, www.cafeimperial.cz
Grand Café Orient, www.grandcafeorient.cz
Restaurants
U Pinkasů, Jungmannovo náměstí, 16110 00 Praha 1, www.upinkasu.cz
Lehka Hllava, Borsov 2/280, Prag 1
www.lehkahlava.cz
Museen
Franz Kafka Museum – Prague.eu
Cihelná 635/2b, 118 00 Malá Strana, Tschechien
https://www.prague.eu/de/objekt/orte/357/franz-kafka-museum
Museum Tschechischer Kubismus, Kunstgewerbemuseum,
Haus zur Schwarzen Mutter Gottes, Ovocny trh 19, 110 00 Prag 3
www.czkubismus.cz/en
Schwarzes Theater Prag
TA FANTASTIKA, Karlova ulice n. 8, Prag, tägliche Vorstellungen 19 und 21.30 h, www.tafantastika.cz
Stadtführungen Prag, Vladimir Handlíř. Handlir.vladimir@seznam.cz
Harley-Davidson Feiern in Prag, https://h-d.prague115.com
Buchtipps:
Hana Rigo, Prager Küche. Kulinarische Spaziergänge.
Hardcover, zahlreiche Farbfotografien von Michael Rathmeyer.
Braumüller Verlag, Wien 2018, 280 S., € 25. ISBN 978-3-99100-248-2.
Zdeněk Lukeš / Petr Kratochvíl
Architekturführer Prag
Bauten und Projekte 1900 – 2000
135 x 245 mm, 192 Seiten
250 Abbildungen, Softcover
€ 38.00 / CHF 46,40
April 2018. DOM publishers, Berlin
ISBN 978-3-86922-582-1 (deutsch)
Die Reise wurde unterstützt von der Tschechischen Zentrale für Tourismus, Wien für Österreich und Schweiz. www.czechtourismus.com